Ich tu es mal hier dazu.
Johannes vom Kreuz, Empor den Karmelberg, 2.26 hat geschrieben:5 Ein solches göttliches Erkennen Gottes selbst geht nicht auf Einzelheiten; es gilt ja dem Sum-
mum Principium, von dem sich keine Einzelheit aussagen läßt, es sei denn (in gewisser Weise) irgend-
eine Wahrheit über ein Ding, das geringer ist als Gott und hier im Zusammenhang geschaut wird;
über Gott selbst aber durchaus nicht. Auch kann nur eine Seele die zur Vereinigung mit Gott gelangt,
eines so erhabenen Erkennens inne werden; denn es ist ja selbst die Vereinigung und besteht in einer
gewissen Berührung, die der Seele in der Gottheit zuteil wird; so aber ist es Gott selber, der hier ge-
fühlt und verkostet wird, wohl noch nicht so offenbar und klar wie in der Glorie, doch das Erkennen
und Verkosten durchdringt das Wesen der Seele in einer so erhabenen Berührung, daß der Teufel
sich nicht einmischen, noch es nachahmen kann. Er hat ja weder dieses noch etwas Ähnliches zur
Verfügung und vermag dergleichen Wonne und Freude nicht einzugießen. Jenes Erkennen schmeckt
nach göttlicher Wesenheit und ewigem Leben, und etwas so Erhabenes kann der Teufel nicht vortäu-
schen.
6 Er könnte es jedoch zum Schein nachäffen und der Seele irgend etwas Großartiges und recht fühl-
bar Aufgebauschtes vorstellen in der Absicht, sie zu überzeugen, dies sei Gott. Doch dies dringt nicht
in das Wesen der Seele ein, sie zu erneuern und jäh zur Liebe zu entflammen, wie Gott es tut. Es gibt
nämlich ein Erkennen durch Berührung Gottes im Wesen der Seele, das diese derart bereichert, daß
es nicht nur genügt, der Seele mit einemmale alle Unvollkommenheiten zu nehmen, die sie durch ihr
ganzes Leben nicht loswerden konnte, sondern sie mit Kräften und Gaben Gottes zu erfüllen.
7 Und diese Berührungen sind der Seele so köstlich und so voll innerster Freude, daß sie durch
eine von ihnen alle Leiden, die sie in ihrem Leben erlitten hätte, und wären sie unzählbar, für gut ver-
golten hielte. Sie erhält davon so viel Mut und Schwung, viel für Gott zu leiden, daß sie ganz eigens
darunter leidet, sich nicht voll Leid zu sehen.
8 Zu solch erhabenem Erkennen kann die Seele durch keinerlei Vergleich oder Vorstellung ihrer-
seits gelangen; denn es übertrifft alles. Gott wirkt es ohne ihr Zutun in ihr. Daher pflegt Gott zuweilen
der Seele diese göttlichen Berührungen zu gewähren, wenn sie am wenigsten daran denkt und darauf
gefaßt ist, womit er in ihr etwas wie ein Grüssen Gottes bewirkt. Manchmal auch werden sie unver-
sehens in ihr verursacht durch den Gedanken an irgend etwas, vielleicht ganz Geringfügiges. Und sie
sind so fühlbar, daß zuweilen nicht nur die Seele, sondern auch der Leib erbebt. Zu anderen Malen
gehen sie dem Geist ruhig ein, ohne irgendeinen Schauer, mit dem plötzlichen Empfinden von Won-
ne und Erquickung im Geiste.
9 Oder sie werden hervorgerufen durch ein Wort, das sie sagen oder sagen hören, entweder aus
der Heiligen Schrift oder von anderswoher. Doch nicht stets sind sie gleich wirksam und fühlbar;
denn oftmals sind sie sehr schwach. Doch, mögen sie noch so schwach sein, solch ein Grüssen und
Rühren Gottes an die Seele hat für sie mehr Wert als alle anderen Erkenntnisse und Erwägungen
der Geschöpfe und der Werke Gottes. Da nun dieses Erkennen der Seele unvermittelt und ohne ihre
Einwilligung zuteil wird, so liegt es nicht an ihr, es zu wollen oder nicht zu wollen. Sie soll sich Ihm
gegenüber demütig und gelassen verhalten; denn Gott wird sein Werk tun, wie und wann Er will.
10 Ich sage jedoch nicht, daß die Seele sich hier ablehnend verhalten soll wie den anderen Wahr-
nehmungen gegenüber; denn sie gehören ja (wie gesagt) der Vereinigung an, zu der wir die Seele füh-
ren wollen. Darum lehren wir sie, sich von allen anderen bloß und frei zu machen. Das Mittel, sie von
Gott zu erhalten, ist Demut und Leiden aus Liebe zu Gott, unter Verzicht auf jedweden Lohn. Denn
diese Gnaden werden der Seele nicht zu eigen gegeben. Gott wirkt sie aus der besonderen Liebe, die
Er zu dieser Seele hegt, eben weil sie sich ganz uneigennützig an Ihn hingibt. Dies wollte der Sohn
Gottes durch den hl. Johannes sagen mit den Worten: Qui autem diligit me, diligetur a Palre meo cf ego
diligam eum, et manifestabo ei mcipsum. - Wer mich liebt, der wird von meinem Vater geliebt, und auch ich wer-
de ihn lieben und mich ihm offenbaren (14, 21). In diesen Worten ist auch das Erkennen und Berühren
enthalten, durch das, wie wir sagten, Gott sich der Seele kundtut, die Ihn wahrhaft liebt.
11 Die zweite Weise des Erkennens und Schauens innerer Wahrheiten ist sehr verschieden von
der eben besprochenen, denn es handelt sich um Dinge, die geringer sind als Gott. Sie umfaßt das
Erkennen der Wahrheit der Dinge an sich, sowie Taten und Ereignisse, die bei den Menschen vor-
kommen. Dieses Erkennen ist von der Art, daß die Wahrheiten, die der Seele so zukommen, sich in
ihrem Inneren festsetzen, ohne daß jemand sie bestätigt. Möge man ihr nun etwas anderes sagen, so
kann sie innerlich nicht zustimmen, auch wenn sie es gewaltsam wollte; denn in dem Geist, der ihr die
Sache vorhält, erkennt ihr Geist es anders. Es ist ihr, als sähe sie es deutlich. Solches gehört dem pro-
phetischen Geiste zu und der Gnade, die der hl. Paulus Gabe der Unterscheidung der Geister nennt (1 Kor
12, 10). Obwohl nun die Seele das Vernommene für so gewiß und wahr hält, wie wir sagten, und die
innere Zustimmung passiv beibehalten muß, so darf sie doch nicht ablassen, das zu glauben und mit
der Vernunft anzunehmen, was der Seelenführer ihr sagt oder befiehlt, wäre es auch ihrem Empfinden
sehr entgegen. So nämlich richtet sich die Seele hin zur göttlichen Vereinigung, auf die sie mehr durch
Glauben als durch Verstehen zuwandelt.
12 Für beide Weisen haben wir klare Zeugnisse in der Heiligen Schrift. Über das geistige Erkennen der
Dinge sagt der Weise diese Worte: Ipse dedit mihi horum quae sunt scientiam veram, ut sciam dispositionem
orbis terrarum, ct virlutu elementorum, initium et consummationem temporum, vicissitudinum permutationes
et commutationes temporum et morum mutationes, divisiones temporum, el anni cursus, et stellarum disposi-
tiones, naturas animalium et iras bestiarum, vim ventorum, et cogitationes hominum, differentias virgultorum, et
virtutes radicum, et quaecumque sunt abscondita et improvisa didici: omnium enim artifex docuit me sapientia.
- Gott gab mir ein wahres Wissen dessen, was ist, damit ich wisse, wie der Erdkreis geordnet ist und welche
Kraft die Elemente haben, wie auch Anfang und Ende der Zeit, samt der mannigfach wechselnden Verände-
rung der Zeiten, den Umlauf des Jahres und die Ordnung der Sterne, die Natur der zahmen und den Zorn
der wilden Tiere, die Gewalt der Winde, die Gedanken der Menschen, die Verschiedenheit der Pflanzen und
die Kräfte der Wurzeln. Alles Verborgene und Unerforschte lernte ich,' denn die Bildnerin aller Dinge, die
Weisheit, belehrte mich (Weish 7,17-21). Wenn auch das von Gott gegebene Erkennen, von dem der
Weise hier spricht, eingegossen und allgemein war, so weist diese Stelle doch zur Genüge die Einzeler-
kenntnisse nach, die Gott der Seele auf übernatürlichem Wege eingießt, wann Er will. Wenn Er auch
nicht ein so allumfassendes Wissen mitteilt, wie Salomon es habituell besaß, so enthüllt Er zuweilen
einige Wahrheiten über dies und jenes aus den vielen Dingen, die der Weise hier aufzählt. Wenn aber
auch nicht so allumfassend wie dem Salomon, so gießt doch der Herr vielen Seelen manchen Habitus
des Wissens ein, wie etwa die vom hl. Paulus aufgezählten unterschiedlichen Gaben, die Gott aus-
teilt, als welche er nennt: Weisheit, Erkenntnis, Glauben, gotterleuchtete Rede, Unterscheidung der
Geister, Sprachengabe, Auslegung der Sprachen, usw. (1 Kor 12, 8-10). Jedes solche Erkennen ist ein
eingegossener Habitus, den Gott aus Gnade verleiht, wem Er will, bald natürlich, bald übernatürlich;
natürlich etwa dem Balaam und anderen heidnischen Propheten und vielen Sibyllen, denen Er pro-
phetischen Geist verlieh; übernatürlich den heiligen Propheten, den Aposteln und anderen Heiligen.
13 Doch abgesehen von solchem habituellen Wissen als gratia gratis data pflegen vollkommene
oder der Vollkommenheit schon nahe Menschen, und dies wollen wir sagen, oftmals eine Erleuchtung
oder ein Erkennen gegenwärtiger oder abwesender Dinge zu empfangen, und dies durch ihren schon
erhellten und geläuterten Geist. In diesem Sinne dürfen wir folgende Stelle aus den Sprichwörtern
auffassen: Quomodo in aquis resplendent vultus prospicientium, sie corda hominum manifesta sunt prudenti-
bus: - Gleichwie das Antlitz derer, die ins Wasser schauen, sich darin widerspiegelt, so offenbaren sich die Herzen
der Menschen den Klugen (27, 19) Dies gilt für solche, die schon die Weisheit der Heiligen haben; denn
diese meint die Heilige Schrift mit Klugheit. Auf diese Weise erkennen auch diese Geister zuweilen
andere Dinge, wenn sie es wollen, doch nicht immer; dies ist denen vorbehalten, die habituell erken-
nen; und selbst ihnen ist es nicht stets und in allem gegeben, sondern so wie Gott ihnen beistehen
will.
14 Doch es ist sicher, daß ein geläuterter Geist mit großer Leichtigkeit auf natürliche Weise -
eine mehr als der andere - das Innere des Herzens oder Geistes erkennt, sowie die Neigungen und Be-
gabungen der Personen. Und dies durch äußere Anzeichen, mögen sie noch so gering sein, wie durch
Worte, Bewegungen und andere Äußerungen. Gleich wie der Teufel dies kann, da er Geist ist, so auch
der geistige Mensch, nach dem Worte des Apostels: Spiritualis autem iudicat omnia. - Der Geistesmensch
beurteilt alles (1 Kor 2, 15). Und an anderer Stelle: Spiritus omnia scrutatur, etiam profunda Dei. - Der Geist
durchdringt alles, sogar die Tiefen der Gottheit (1 Kor 2, 10). Zwar können Geistesmenschen Gedanken
oder innere Vorgänge natürlicherweise nicht erkennen; durch übernatürliche Erleuchtung aber und
durch Anzeichen vermögen sie solches wohl zu deuten. Im Erkennen durch Anzeichen mögen sie sich
allerdings täuschen; zumeist aber treffen sie es richtig. Sie dürfen sich jedoch weder auf die eine noch
auf die andere Weise verlassen; denn der Teufel mischt sich hier gewaltig und mit großer Schlauheit
ein, wie wir noch sagen wollen. Darum sind solche Einsichten und Erkenntnisse stets abzuweisen.
15 Auch was abwesende Personen tun und erleiden, können Geistesmenschen erkennen. Ein
Zeugnis und Beispiel dafür findet sich im vierten Buche der Könige. Giezi, der Diener unseres Vaters
Eliseus, will diesem das Geld verhehlen, das er von Naaman dem Syrer empfangen hat. Da spricht Eli-
seus: Nonne cor meum in praesenti frat, quando reversus est homo de curru suo in occursum tui ? - War mein
Herz etwa nicht zugegen, als Naaman von seinem Wagen zurückkam, dir entgegen? (5,26.) Dies ging geistig
vor sich. Er sah ihn im Geiste so, als ereignete es sich gegenwärtig. Dasselbe wird im gleichen Buche
nochmals erwiesen. Es steht da zu lesen, daß wiederum Eliseus alles wußte, was der König von Syrien
insgeheim mit seinen Fürsten besprach, und es dem König von Israel mitteilte, so daß die Beschlüsse
vereitelt wurden. Als der König von Syrien sah, daß alles bekannt war, sprach er zu seinem Volk: Wa-
rum zeigt ihr mir nicht an, wer von euch mich an den König von Israel verraten hat? Daraufhin sagte ihm
einer seiner Diener: Nequaquam, domine mi rex, sed Eliseus propheta, qui est in Israel, indicat regi Israel
omnia verba, quaecumque locutus fueris in conc!avi tuo. - Nicht so, mein Herr und König, sondern der Pro-
phet Eliseus, der in Israel ist, offenbart dem König von Israel alle Worte, die du insgeheim sprichst (4Kg 6,
11-12).