Emanuel Swedenborg, Die göttliche Liebe, 425. XX. Gleichwohl verbleibt das Vermögen einzusehen, das Vernunft heißt, und das
Vermögen, zu handeln, das Freiheit heißt. Von diesen beiden Vermögen, die der Mensch hat, ist oben
Nr. 264-267 gehandelt worden. Diese beiden Vermögen hat der Mensch, damit er vom natürlichen ein
geistiger, das heißt, wiedergeboren werden könne. Denn, wie oben gesagt worden ist, der Trieb des
Menschen ist es, der geistig und wiedergeboren wird, und dieser kann nicht geistig werden oder
wiedergeboren werden, wenn er nicht durch seinen Verstand erfährt, was böse und was gut ist und somit
was wahr und was falsch ist. Weiß er dieses, dann kann er das eine oder das andere wählen. Erwählt er
das Gute, so kann er durch seinen Verstand über die Mittel belehrt werden, durch die er zum Guten
kommen kann. Alle Mittel, durch die der Mensch zum Guten gelangen kann, sind vorgesehen. Das
Wissen und Einsehen dieser Mittel kommt aus der Vernunft, und das Wollen und Tun derselben kommt
aus der Freiheit. Sache der Freiheit ist auch, sie wissen, einsehen und denken wollen. Von diesen
Vermögen, die Vernunft und Freiheit heißen, wissen diejenigen nichts, die der Kirchenlehre nach
glauben, daß das Geistige oder Theologische den Verstand übersteige, und daß es daher ohne den
Verstand geglaubt werden müsse. Diese können nicht anders, als das Vermögen, das Vernunft heißt,
leugnen. Und diejenigen, die der Kirchenlehre nach glauben, daß niemand aus sich Gutes tun könne,
und daß man daher nicht unter einiger Teilnahme des Willens Gutes zu tun habe um der Seligkeit
willen, diese können nicht anders als aufgrund ihrer Religion hin diese beiden Vermögen, die der
Mensch hat, leugnen. Weshalb auch die, welche sich hierin bestärkt haben, nach dem Tode, ihrem
Glauben gemäß, beider beraubt werden, und anstatt daß sie in der himmlischen Freiheit hätten sein
können, in höllischer Freiheit sind; und anstatt daß sie durch die Vernunft in der Engelsweisheit hätten
sein können, in höllischem Unsinn sind. Und, was wundersam ist, sie erkennen diese beiden Vermögen
an im Tun des Bösen und im Denken des Falschen, nicht wissend, daß die Freiheit, Böses zu tun,
Sklaverei ist, und die Vernunftfähigkeit, Falsches zu denken, Unvernunft ist. Man merke aber wohl, daß
diese beiden Vermögen, Freiheit und Vernunft, nicht Eigentum des Menschen, sondern des Herrn beim
Menschen sind, und daß sie dem Menschen nicht als das Seine angeeignet werden können. Ferner daß
sie dem Menschen auch nicht zu Eigentum gegeben werden können, sondern fortwährend Eigentum des
Herrn sind bei ihm, daß sie aber gleichwohl dem Menschen nie entzogen werden. Der Grund hiervon ist,
daß der Mensch ohne sie nicht selig werden kann, weil er ohne sie nicht wiedergeboren werden kann,
wie oben gesagt worden ist, weshalb der Mensch von der Kirche belehrt wird, daß er nichts Wahres von
selber denken und nichts Gutes von selber tun könne. Weil aber der Mensch nicht anders wahrnimmt,
als daß er das Wahre von selber denke und das Gute von selber tue, so liegt klar zutage, daß er glauben
muß, er denke das Wahre wie von selbst, und er tue das Gute wie von selbst. Denn wenn er dies nicht
glaubt, so denkt er entweder nicht Wahres und tut nicht Gutes und hat somit keine Religion; oder er
denkt das Wahre und tut das Gute aus sich und schreibt dann das, was göttlich ist, sich zu. Daß der
Mensch das Wahre denken und das Gute tun muß wie von sich, sehe man in der »Lebenslehre für das
neue Jerusalem« von Anfang bis zu Ende.
426. XXI. Der geistige und der himmlische Trieb ist Liebe gegen den Nächsten und Liebe zum
Herrn; und der natürliche und der sinnliche Trieb ist Liebe zur Welt und Liebe zu sich. - Unter der
Nächstenliebe wird verstanden die Liebe zu Nutzwirkungen, und unter der Liebe zum Herrn wird
verstanden die Liebe, Nutzen zu schaffen, wie früher schon gezeigt worden ist. Der Grund, warum diese
Triebe geistig und himmlisch sind, ist der, daß das Gemeinnützige lieben und es tun aus Liebe zu
demselben, etwas von dem Trieb des Eigenen des Menschen Getrenntes ist. Denn wer das
Gemeinnützige geistig liebt, der sieht nicht auf sich, sondern auf andere außer sich, von deren Wohl er
angeregt wird. Diesen Trieben sind entgegengesetzt die Selbstsucht und Weltliebe, denn diese sehen
nicht auf das Gemeinnützige um anderer willen, sondern um ihrer selbst willen, und die dies tun, kehren
die göttliche Ordnung um und setzen sich statt des Herrn und die Welt statt des Himmels. Daher kommt,
daß sie vom Herrn und vom Himmel wegsehen, und von diesen wegsehen heißt gegen die Hölle
hinsehen; doch mehr über diese Triebe sehe man oben Nr. 424. Allein der Mensch fühlt den Trieb, das
Gemeinnützige zu tun um des Gemeinnützigen willen, nicht und wird sich seiner nicht bewußt, wie er
des Triebes, für sich selbst Nutzen zu schaffen, sich bewußt wird. Daher er auch, wenn er Nutzen
schafft, nicht weiß, ob er denselben um des Gemeinnützigen oder um seiner selbst willen schafft. Er
wisse aber, daß er insoweit das Gemeinnützige um des Gemeinnützigen willen tut, als er das Böse flieht.
Denn inwieweit er dieses flieht, insoweit tut er das Nützliche nicht aus sich, sondern aus dem Herrn.
Denn das Böse und das Gute sind Gegensätze, weshalb jemand insoweit im Guten ist, als er nicht im
Bösen ist. Niemand kann im Bösen und im Guten zugleich sein, weil niemand zweien Herren zugleich
dienen kann. Dies ist gesagt worden, damit man wisse, daß der Mensch, obgleich er nicht durch die
Empfindung erkennt, ob das Gemeinnützige, das er tut, um des Gemeinnützigen willen getan wird oder
ob er es für sich selbst tut, das heißt, ob die Nutzwirkungen geistig seien oder ob sie bloß natürlich
seien, es gleichwohl daraus wissen kann, daß er entweder das Böse für Sünde hält oder nicht. Hält er es
für Sünde und tut es deswegen nicht, so sind die Nutzwirkungen, die er schafft, geistig. Ein solcher
fängt, indem er aus Abscheu das Böse flieht, auch an, die Liebe zum Gemeinnützigen um des
Gemeinnützigen willen durch die Empfindung zu erkennen, und zwar vermöge einer geistigen Lust an
demselben.
427. XXII. Mit der Nächstenliebe und dem Glauben und mit ihrer Verbindung verhält es sich
ebenso wie mit dem Willen und Verstand und mit deren Verbindung. - Es gibt zwei Triebe, nach denen
die Himmel abgeteilt sind, einen himmlischen Trieb und einen geistigen Trieb. Der himmlische Trieb
ist Liebe zum Herrn, und der geistige Trieb ist Liebe zum Nächsten. Es unterscheiden sich diese Triebe
dadurch, daß der himmlische Trieb Liebe zum Guten ist und der geistige Trieb Liebe zum Wahren.
Denn diejenigen, die im himmlischen Trieb sind, schaffen Nutzen aus Liebe zum Guten, und diejenigen,
die im geistigen Trieb sind, schaffen Nutzen aus Liebe zum Wahren. Es besteht eine Ehe des
himmlischen Triebes mit der Weisheit und eine Ehe des geistigen Triebes mit der Einsicht. Denn Sache
der Weisheit ist, Gutes zu tun aus dem Guten heraus, und Sache der Einsicht ist, Gutes zu tun aus dem
Wahren heraus. Weshalb der himmlische Trieb das Gute tut, und der geistige Trieb das Wahre tut. Der
Unterschied zwischen diesen beiden Trieben kann nicht anders als dadurch beschrieben werden, daß
die, welche im himmlischen Trieb sind, eine ihrem Leben und nicht dem Gedächtnis eingeschriebene
Weisheit haben, worin der Grund liegt, daß sie nicht von den göttlichen Wahrheiten reden, sondern sie
tun. Diejenigen hingegen, die im geistigen Trieb sind, haben eine ihrem Gedächtnis eingeschriebene
Weisheit, weshalb sie von den göttlichen Wahrheiten reden und sie tun nach den in ihrem Gedächtnis
haftenden Grundsätzen. Weil die, welche im himmlischen Trieb sind, eine ihrem Leben eingeschriebene
Weisheit haben, so werden sie sogleich inne, ob, was sie hören, wahr ist oder nicht, und wenn sie
gefragt werden, ob es wahr sei, so antworten sie bloß entweder mit Ja oder mit Nein. Diese sind es, die
verstanden werden in folgenden Worten des Herrn: „Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein“: Matth.5/37. Weil
sie von dieser Art sind, so wollen sie nichts hören vom Glauben, denn sie sagen: Was ist Glaube? Ist er
nicht Weisheit? Und was ist Nächstenliebe? Ist sie nicht ein Tun? Und wenn man ihnen sagt, der Glaube
sei ein Glauben dessen, das man nicht einsieht, so wenden sie sich ab und sagen: Dieser redet Unsinn.
Dies sind die, welche sich im dritten Himmel befinden und welche die allerweisesten sind. So sind in
der Welt diejenigen geworden, die das Göttliche, das sie gehört, sogleich aufs Leben angewandt hatten,
indem sie das Böse als etwas Höllisches verabscheuten und den Herrn allein anbeteten. Diese
erscheinen, weil sie in der Unschuld sind, anderen wie Kinder, und weil sie nichts von den Wahrheiten
der Weisheit reden, und nichts von Dünkel in ihrer Rede ist, so erscheinen sie auch als Einfältige. Hören
sie aber jemanden reden, so erkennen sie schon am Ton das Ganze seines Triebes, und an der Rede das
Ganze seiner Einsicht. Dies sind die, welche in der Ehe der Liebe und Weisheit sind vom Herrn, und
welche die Herzensregion des Himmels bilden, von der oben die Rede war.
428. Diejenigen hingegen, die im geistigen Trieb sind, welcher Nächstenliebe ist, haben keine
ihrem Leben eingeschriebene Weisheit, sondern sie haben Einsicht. Denn Sache der Weisheit ist, das
Gute aus Liebe zum Guten tun, Sache der Einsicht hingegen ist, das Gute aus Liebe zum Wahren tun,
wie oben gesagt worden. Auch diese wissen nicht, was Glaube ist. Wird der Glaube genannt, so
verstehen sie darunter die Wahrheit, und wird die Nächstenliebe genannt, so verstehen sie darunter das
Tun der Wahrheit. Sagt man, dies oder jenes müsse geglaubt werden, so bemerken sie, dies sei eine
sinnlose Rede, und sagen: Wer glaubt nicht das Wahre? Dies sagen sie, weil sie das Wahre im Licht
ihres Himmels sehen, daher sie ein Glauben dessen, das man nicht sieht, Einfalt oder Dummheit nennen.
Dies sind die, welche die Lungenregion des Himmels bilden, von der auch oben die Rede war.
429. Diejenigen aber, die im geistig-natürlichen Trieb sind, haben keine ihrem Leben
eingeschriebene Weisheit und Einsicht, sondern sie haben etwas von Glauben aus dem Wort, soweit
nämlich dieses mit der Nächstenliebe verbunden ist. Weil diese nicht wissen, was Nächstenliebe ist,
noch ob der Glaube Wahrheit ist, so können sie nicht unter denen in den Himmeln sein, die in der
Weisheit und in der Einsicht sind, sondern unter denen, die im bloßen Wissen sind. Solche aber, die das
Böse als Sünde geflohen hatten, sind im untersten Himmel, und hier in einem dem nächtlichen
Mondlicht ähnlichen Licht. Diejenigen hingegen, die sich nicht im Glauben an ein Unbekanntes bestärkt
hatten und zugleich in einiger Liebe zum Wahren standen, werden, nachdem sie von den Engeln
unterrichtet worden sind, je nach der Aufnahme der Wahrheiten und dem ihnen gemäßen Leben in die
Gesellschaften derer erhoben, die im geistigen Trieb und hierdurch in der Einsicht sind; diese werden
geistig, die übrigen bleiben geistig-natürlich. Solche hingegen, die in einem von der Nächstenliebe
getrennten Glauben gelebt hatten, werden entfernt und in Wüsten verwiesen, weil sie nicht in einigem
Guten und daher auch in keiner Ehe des Guten und Wahren sind, in der alle stehen, die sich in den
Himmeln befinden.
430. Alles, was in diesem Teil vom Trieb und der Weisheit gesagt worden ist, kann auch gesagt
werden von der Nächstenliebe und dem Glauben, wenn man nur unter der Nächstenliebe den geistigen
Trieb versteht, und unter dem Glauben die Wahrheit, durch die Einsicht kommt. Ob man sagt Wille und
Verstand oder Trieb und Einsicht, ist gleichviel, da der Wille ein Aufnahmegefäß des Triebes und der
Verstand ein Aufnahmegefäß der Einsicht ist.
431. Diesem will ich noch folgendes Denkwürdige beifügen: Im Himmel haben alle, die Nutzen
schaffen aus Liebe zum Gemeinnützigen, von der Gemeinschaft, in der sie stehen, dies an sich, daß sie
weiser und glücklicher als andere sind. Nutzen schaffen aber heißt ihnen dort, aufrichtig, gerade, gerecht
und treu handeln in jedem Werk, das ihres Berufes ist. Dies heißen sie Nächstenliebe und die
Andachten, die zum Gottesdienst gehören, heißen sie Zeichen der Nächstenliebe, und das übrige nennen
sie Schuldigkeiten und Wohltaten. Sie sagen, daß wenn jeder aufrichtig, gerade, gerecht und treu das
Werk tue, das seines Berufes ist, die Wohlfahrt der Allgemeinheit bestehe und dauernd sei, und dies
heiße im Herrn sein, weil alles, was vom Herrn einfließt, Nutzwirkung ist, und es fließt ein von den
Teilen in das Allgemeine und vom Allgemeinen in die Teile. Die Teile sind hier die Engel, und das
Allgemeine ist eine Gesellschaft derselben.
Emanuel Swedenborg, Wahre christliche Religion, VII.
DIE LIEBTHÄTIGKEIT UND DIE GUTEN WERKE
SIND ZWEI VERSCHIEDENE DINGE, WIE DAS
WOHLWOLLEN UND DAS WOHLTHUN.
420. Bei jeglichem Menschen ist ein Inneres und ein
Aeusseres, sein Inneres ist was der innere Mensch
heisst, und sein Aeusseres was der äussere Mensch
heisst; wer aber nicht weiss, was der innere und der
äussere Mensch ist, kann glauben, der innere Mensch
sei der, welcher denkt und will, und der äussere der,
welcher redet und handelt; diese [letztern Thätigkeiten]
sind zwar Sache des äussern Menschen, und jene
Sache des innern; dennoch aber machen sie nicht
wesentlich den äussern und den innern Menschen aus;
das Gemüth des Menschen ist zwar der allgemeinen
Auffassung nach der innere Mensch, allein das
Gemüth selbst ist in zwei Regionen abgetheilt; die
eine Region, welche die obere und inwendige ist, ist
geistig, die andere, welche die untere und auswendige
ist, ist natürlich. Das geistige Gemüth blickt
vorzugsweise in die geistige Welt, und hat zu
Gegenständen die Dinge, welche dort sind, seien sie
nun solche, die im Himmel, oder solche, die in der
Hölle sind, denn beides ist in der geistigen Welt; das
natürliche Gemüth hingegen blickt vorzugsweise in
die natürliche Welt, und hat zu Gegenständen die
Dinge, welche in dieser sind, seien sie nun Gutes oder
Böses; jede Handlung und Rede des Menschen geht
unmittelbar aus der untern Region des Gemüthes
hervor, und mittelbar aus der obern Region, weil die
untere Region des Gemüths den Sinnen des Körpers
näher liegt, und die untere Region des Gemüths den
Sinnen des Körpers näher liegt, und die obere Region
von ihnen entfernter ist; diese Abtheilung des
Gemüths ist bei dem Mensche, weil er geschaffen ist,
geistig und zugleich natürlich, und so Mensch und
nicht Thier zu sein. Hieraus erhellt, dass ein Mensch,
der sein Absehen vor allem auf die Welt und auf sich
hat, ein äusserlicher Mensch ist, weil natürlich nicht
blos dem Körper, sondern auch dem Gemüth nach,
und dass ein Mensch, der sein Absehen vor allem auf
die Dinge des Himmels und der Kirche hat, ein
innerlicher Mensch ist, weil geistig sowohl dem
Gemüth als dem Körper nach; auch dem Körper nach,
weil seine Handlungen und Reden aus dem obern
Gemüth, welches geistig ist, durch das untere
Gemüth, welches natürlich ist, hervorgehn; denn es ist
bekannt, dass aus dem Körper die Wirkungen, und aus
dem Gemüth die Ursachen hervorgehen, welche jene
hervorbringen, und dass die Ursache alles in der
Wirkung ist. Dass das menschliche Gemüth in dieser
Weise abgetheilt ist, erhellt deutlich daraus, dass der
Mensch den Gleissner, Schmeichler, Heuchler und
Schauspieler machen, und dass er den Reden eines
Andern Beifall zuwinken, und dennoch darüber lachen
kann; dieses thut er aus dem obern Gemüth, jenes aber
aus dem untern.
421. Hieraus kann man sehen, wie es zu verstehen ist,
dass die Liebthätigkeit und die guten Werke von
einander verschieden seien, wie das Wohlwollen und
das Wohlthun; dass sie nämlich der Form nach
verschieden sind, wie das Gemüth, welches denkt und
will, und wie der Körper, durch welchen das Gemüth
redet und handelt; dass sie aber dem Wesen nach
verschieden sind, weil das Gemüth selbst geschieden
ist, und dass seine inwendige Region geistig, und die
auswendige natürlich ist, ist oben gesagt worden;
gehen also die Werke aus dem geistigen Gemüth
hervor, so gehen sie hervor aus seinem Wohlwollen,
welches Liebthätigkeit ist; gehen sie hingegen aus
dem natürlichen Gemüth hervor, so gehen sie aus
einem Wohlwollen hervor, das nicht Liebthätigkeit
ist, obwohl es in äusserer Gestalt als Liebthätigkeit
erscheinen kann, während es doch in der innern
Gestalt nicht Liebthätigkeit ist, und die Liebthätigkeit
in der blos äussern Form zwar den Schein der
Liebthätigkeit zur Schau trägt, das Wesen der
Liebthätigkeit aber nicht besitzt. Dies kann
versinnlicht werden durch die Vergleichung mit den
Samen in der Erde: aus jedem Samen entspringt ein
Gewächs, sowohl das nützliche als das unnütze, je
nach Beschaffenheit des Samens; ebenso verhält es
sich mit dem geistigen Samen, welcher das Wahre der
Kirche aus dem Wort ist; aus diesem bildet sich eine
Lehre, eine nützliche,, wenn aus den reinen
Wahrheiten, eine unnütze, wenn aus verfälschten; in
gleicher Weise also die Liebthätigkeit aus dem
Wohlwollen, sei es nun ein Wohlwollen wegen seiner
selbst und der Welt; oder sei es wegen des Nächsten
im engern oder weitern Sinn; wenn um seiner selbst
und der Welt willen, so ist die Liebthätigkeit unächt,
wenn aber um des Nächsten willen, so ist die
Liebthätigkeit ächt. Doch mehr hierüber sehe man in
dem Kapitel vom Glauben, insbesondere in dem
Abschnitt, wo gezeigt worden ist, dass die
Liebthätigkeit ein Wohlwollen ist, und dass die guten
Werke ein Wohlthun aus dem Wohlwollen sind, Nr.
374; und dass die Liebthätigkeit und der Glaube nur
Dinge des Gemüths und hinfälliger Art sind, wenn sie
nicht, wofern es geschehen kann, zu Werken sich
fortbestimmen, und in ihnen beisammen sind, Nr.
375.376.
[...]
IX.
DIE WOHLTHATEN DER LIEBTHÄTIGKEIT
BESTEHEN DARIN, DEN ARMEN ZU GEBEN UND DEN
NOTHLEIDENDEN HILFE ZU LEISTEN, JEDOCH MIT
KLUGHEIT .
425. Man muss unterscheiden zwischen den Pflichten
der Liebthätigkeit, und deren Wohlthaten; unter den
Pflichten der Liebthätigkeit werden diejenigen
Uebungen derselben verstanden, welche aus der
Liebthätigkeit selbst unmittelbar hervorgehen, und
wie so eben gezeigt worden ist, zunächst
Obliegenheiten des Berufes sind, in dem Jeder steht;
unter den Wohlthaten hingegen werden diejenigen
Hilfeleistungen verstanden, welche ausser jenen
statthaben. Wohlthaten heissen sie, weil es in des
Menschen Freiheit und Gutdünken liegt, sie zu thun,
und sie, wenn sie erwiesen werden, von dem
Empfänger nicht anders angesehen werden, denn als
Wohlthaten, und diese zugewendet werden je nach den
Gründen und Triebfedern, die der Wohlthäter in
seinem Gemüth erwägt. In dem gemeinen Glauben
liegt, dass die Liebthätigkeit nichts anderes sei, als
den Armen geben, den Nothleidenden beistehn, Sorge
für Wittwen und Waisen tragen, Beiträge geben zu
Erbauung von Spitälern, Krankenhäusern,
Pilgerhäusern, Waisenhäusern, besonders aber zu
Kirchen, und zu deren Ausschmückung und Dotirung;
Allein Vieles hievon ist nicht die eigentliche
Liebthätigkeit, sondern Aeusserliches derselben.
Diejenigen, welche die Liebthätigkeit in solche
Wohlthaten setzen, können nicht anders als ein
Verdienst in diese Werke setzen, und obwohl sie mit
dem Munde bekennen, sie wollen nicht, dass
dieselben Verdienste seien, so liegt doch inwendig bei
ihnen der Glaube an Verdienst. Dies stellt sich
deutlich nach dem Tode an ihnen heraus; denn sie
zählen dann ihre Werke auf, und verlangen die
Seligkeit als Lohn; es wird aber alsdann untersucht,
aus welchem Ursprung und somit von welcher
Beschaffenheit dieselben sind, und wenn man findet,
dass sie entweder aus dem Hochmuth oder dem
Haschen nach Ruhm, oder aus blosser Freigebigkeit,
oder aus Freundschaft, oder aus blos natürlicher
Neigung, oder aus Heuchelei hervorgegangen sind, so
werden sie dann nach diesem Ursprung gerichtet, denn
die Beschaffenheit des Ursprungs wohnt den Werken
inne; ächte Liebthätigkeit aber geht aus denen hervor,
welche dieselbe sich angeeignet haben aus
Gerechtigkeit und Urtheil bei den Werken, die sie
thun ohne ein Absehen auf Lohn, gemäss den Worten
des Herrn, Luk 14,12.13.14. Diese nennen die Dinge
der oben erwähnten Art auch Wohlthaten, so wie auch
Pflichten, [bei ihnen] jedoch sind es Werke der
Liebthätigkeit.
426. Es ist bekannt, dass Einige, welche jene
Wohlthaten, die vor der Welt als Zeichen der
Liebthätigkeit erscheinen, gethan haben, meinen und
glauben, sie haben Werke der Liebthätigkeit geübt,
und dass sie dieselben ansehen wie Viele im
Papstthum die Ablassbriefe, um deren willen sie von
Sünden gereinigt seien, und wie Wiedergeborne mit
dem Himmel beschenkt werden müssen, während sie
dabei doch nicht für Sünde halten, sich Ehebrüchen,
Handlungen des Hasses, der Rache, Betrügereien, und
im Allgemeinen den Lüsten des Fleisches hinzugeben,
allein was anderes sind alsdann jene guten Werke, als
gemalte Engelsbilder im Umgang mit Teufeln, oder
Büchsen von Lasurstein, in welchen Wasserschlangen
sind? Ganz anders aber, wenn jene Wohlthaten von
Solchen geschehen, welche das oben genannte Böse
als der Liebthätigkeit Verhasstes fliehen. Immerhin
jedoch sind jene Wohlthaten, besonders das Geben an
die Armen und Bettler, in mancherlei Weise
erspriesslich; denn durch dieselben werden die
Knaben, die Mädchen, die Diener und Mägde, und
überhaupt die Einfältigen, in die Liebthätigkeit
eingeleitet; sie sind nämlich deren Aeusseres, durch
das sie die Leistungen der Liebthätigkeit sich
aneignen, denn sie sind deren erste rohe Anfänge, und
wie die noch unreifen Früchte; hingegen bei denen,
die nachher durch richtige Erkenntnisse von der
Liebthätigkeit und dem Glauben vervollkommnet
werden, werden sie wie reife Früchte, und dann sehen
sie jene früheren Werke, die sei aus Einfalt des
Herzens gethan hatten, nicht anders denn als
Schuldigkeiten an.
427. Dass man heut zu Tage jene Wohlthaten für die
eigentlichen Handlungen der Liebthätigkeit hält,
welche in dem Wort unter den guten Werken
verstanden werden, hat seinen Grund darin, dass die
Liebthätigkeit so oft im Wort beschrieben wird durch
den Armen geben, den Nothleidenden Hilfe bringen,
für die Wittwen und Waisen sorgen; allein bis jetzt
hat man nicht gewusst, dass das Wort im Buchstaben
nur solche Dinge nennt, die das Aeussere, ja das
Aeusserste des Gottesdienstes sind, und dass die
geistigen Dinge, welche die innern sind, darunter
verstanden werden, worüber man oben im Kapitel von
der ‚Heiligen Schrift‘ Nr. 193 bis 209 nachsehe;
daraus erhellt, dass unter den im Wort genannten
Armen, Dürftigen, Wittwen, Waisen, nicht diese
verstanden werden, sondern die es dem Geiste nach
sind; dass unter den Armen diejenigen verstanden
werden, die nicht in den Erkenntnissen des Wahren
und Guten sind, sehe man in der Enthüllten
Offenbarung, Nr. 209 und unter den Wittwen Solche,
die ohne Wahrheiten sind, und doch eine Sehnsucht
nach den Wahrheiten haben, Nr. 764 und so weiter.
428. Solche, die von Geburt her mitleidig sind, und
ihr natürliches Mitleiden nicht dadurch zu einigem
geistigen machen, dass sie es aus ächter Liebthätigkeit
üben, die glauben, Liebthätigkeit sei, jeglichem
Armen geben, und jedem Nothleidenden beistehn,
ohne vorher zu untersuchen, ob dieser Arme und
Nothleidende gut oder böse ist; den sie sagen, dies sei
nicht nothwendig, weil Gott blos auf die Hilfe und
das Almosen sehe. Allein diese werden nach dem
Tode wohl unterschieden und ausgesondert von denen,
welche die Wohlthaten der Liebthätigkeit mit
Klugheit gethan hatten; denn die, welche dieselben
aus jener blinden Idee von Liebthätigkeit gethan
hatten, thun dann eben so wohl den Bösen, als den
Guten wohl, und die bösen thun dadurch Böses, und
beleidigen durch dieses die Guten; und deshalb haben
solcherlei Wohlthäter auch Schuld an der Verletzung
der Guten; denn einem Bösewicht wohlthun, ist
soviel, als einem Teufel Brot geben, das derselbe in
Gift verwandelt; denn alles Brot ist in der Hand des
Teufels Gift, und ist es dies nicht, so verwandelt er es
darein, und dies thut er, indem er durch Wohlthaten
zum Bösen anlockt; auch ist es so viel, als dem
Feinde das Schwert hinreichen, mit dem er dann
Einen tödtet; ferner ist es so viel als einem
Wolfsmenschen den Hirtenstab übergeben, die Schafe
damit auf die Weide zu führen, während er doch,
nachdem er diesen erhalten hat, die Schafe von der
Weide in die Wüsten führt, und sie dort schlachtet;
auch ist es so viel als die Statthalterschaft einem
Räuber geben, der nur auf Beute sinnt und lauert, und
nur nach deren Fettigkeit und Fülle Recht spricht, und
Gericht übt.