Sind die Begrifflichkeiten "Hochmut" und "Demut" aus der Mode gekommen?

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Marsianer
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Re: Sind die Begrifflichkeiten "Hochmut" und "Demut" aus der Mode gekommen?

Beitragvon Marsianer » Do 21. Nov 2024, 21:21

Agape hat geschrieben:Wie erklärst Du Dir das? Gibt es bestimmte spirituelle Lehren, welche so etwas als Tugend ansehen?

Ich dachte vor allem an alltgäglichen Gebrauch, wo es den überhaupt noch gibt.
Wie würdest Du in diesem Zusammenhang "Zurückhaltung/sich zurücknehmen" interpretieren? Wie würde sich dies von "Passivität" unterscheiden?

Tja, wie sehen andere Menschen "Demut"? Vielleicht verstehe ich das bisher auch nicht sehr? Ergebenheit, Unterwürfigkeit?
Synonyme:
[1] Ergebenheit
[2] Bescheidenheit, Anspruchslosigkeit, Unterwürfigkeit

https://de.wiktionary.org/wiki/Demut
Demut ist nicht Schwäche, sondern die Stärke, sich zurücknehmen zu können, ohne sich zu verbiegen. Sie ist die mutige Selbsterkenntnis der eigenen Grenzen, die wir nicht, vor allem nicht vor uns selbst, hinter wirklichen oder vermeintlichen Stärken zu verstecken trachten.

Vielleicht betrachte ich soetwas als ziemlich selbstverständlich?
Manchmal erinnert mich die Aufforderung, bestimmte Pronomen zu nutzen und spezielle Floskeln zu verwenden, an die blutleeren Gebete der institutionellen, arrivierten christlichen Kirche. Oft sind diese Gebete nur dazu da, um den Gläubigen Unterwerfung abzuringen und zu demonstrieren, dass sie der „richtigen“ Kirche angehören. Diese Rituale scheinen mehr dazu zu dienen, eine bestimmte Form der Zugehörigkeit zu zeigen, als eine tiefere Bedeutung zu vermitteln.

Ein zentraler Grundwert der christlichen Kirche ist die Demut. Doch wie nennt man jemanden, der von seiner Umgebung verlangt, ihn genau so zu sehen, wie er gesehen werden möchte? Man nennt solche Menschen Tyrannen. Das steht im klaren Widerspruch zur Demut. Und so wie die christliche Kirche in ihrer Geschichte viele Tyrannen hervorgebracht hat, schafft sich auch die neue Kirche der Woken ihre eigenen Tyrannen.

Es gibt neue Tyrannen, die überhaupt kein Problem damit haben, dass Strafen verhängt werden für Menschen, die sich weigern, eine Person als Mann oder Frau zu bezeichnen, nur weil sie sich selbst so oder so sieht, unabhängig von der biologischen Realität. Von dieser neuen Kirche der Woken distanziere ich mich, nicht aber von den Werten, die dort noch irgendwo unter dem Stolz begraben liegen.

Durch die neue Tyrannei ist die Community zerstrittener als je zuvor. Lesben müssen sich beleidigen lassen, wenn sie nicht an das Konzept von Frauen mit Penis glauben, homosexuelle Männer müssen sich rechtfertigen, wenn sie nicht mit Transmännern ins Bett gehen möchten, Feministinnen geraten in Gefahr, wenn sie ihren Schutzraum für Frauen dahingehend verteidigen, dass sie ihn ausnahmslos als Schutzraum für biologische Frauen ansehen, und wer es als homosexueller Mensch wagt, eine „falsche Partei“ zu wählen, wird von der Gemeinschaft verstoßen.

Ich habe einige homosexuelle Freunde, die mir nur unter dem Mantel der Verschwiegenheit gestanden haben, dass sie bei der letzten Wahl die AfD gewählt haben, ich solle dies aber bitte für mich behalten und unter keinen Umständen weitersagen, weil sie sonst Probleme bei der Arbeit bekommen würden. In diesen Momenten des Outings muss ich mich immer daran erinnern, dass ich noch vor 25 Jahren so manche ein Gespräch unter vier Augen auf einer Party in der Küche um zwei Uhr morgens geführt habe, wo mir jemand gesagt hat, er sei der homosexuellen Liebe nicht abgeneigt, aber ich möge es bitte für mich behalten, da es sonst Probleme in seinem Umfeld und bei seiner Arbeit geben könnte. Heute höre ich diese Angst wieder, aber nicht aufgrund der sexuellen, sondern aufgrund der politischen Präferenz.

https://www.achgut.com/artikel/ich_trete_aus

Tyrannei wäre demnach vermutlich "Hochmut".
Jordan B. Peterson hat geschrieben:Ich glaube, dass Demut eine Form des Mutes ist. Denn Demut bedeutet, den Mut zu haben, über das hinauszugehen, von dem man weiß, dass es falsch ist.

Es ist die ständige Erkenntnis, dass es besser wäre, sich mit dem anzufreunden, was man nicht kennt, anstatt auf die Freundschaft mit dem, was man bereits weiß, zu bestehen.

https://www.achgut.com/artikel/112_peterson_demut_bedeutet_mut

Agape
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Re: Sind die Begrifflichkeiten "Hochmut" und "Demut" aus der Mode gekommen?

Beitragvon Agape » Fr 22. Nov 2024, 13:28

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Wie erklärst Du Dir das? Gibt es bestimmte spirituelle Lehren, welche so etwas als Tugend ansehen?

Ich dachte vor allem an alltgäglichen Gebrauch, wo es den überhaupt noch gibt.

Aber es gäbe wohl schon unterschiedliche innere Antriebe für "Passivität"? Z.B. aufgrund von "Resignation/Aussichts-/Ausweglosigkeit"(aufgegeben haben). Passivität könnte jedoch auch als eine Fähigkeit, "abwarten zu können" angesehen werden. Auch ein ausgeprägtes "(Gott)Vertrauen" könnte diesbezüglich treibend sein.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Demut ist nicht Schwäche, sondern die Stärke, sich zurücknehmen zu können, ohne sich zu verbiegen. Sie ist die mutige Selbsterkenntnis der eigenen Grenzen, die wir nicht, vor allem nicht vor uns selbst, hinter wirklichen oder vermeintlichen Stärken zu verstecken trachten.

Vielleicht betrachte ich soetwas als ziemlich selbstverständlich?

Für eine Mehrheit der Menschen offenbar nicht.
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Re: Sind die Begrifflichkeiten "Hochmut" und "Demut" aus der Mode gekommen?

Beitragvon Marsianer » Fr 22. Nov 2024, 16:57

Agape hat geschrieben:Aber es gäbe wohl schon unterschiedliche innere Antriebe für "Passivität"?

Ja, es gibt Leute, die eher andere für sich entscheiden lassen? Aber vielleicht trifft das dann nur auf bestimmte Lebensbereiche zu, die derjenige einfach nicht als so bedeutend für sich empfindet. Aber der, der so bestimmend gelassen wird kann soetwas sehr erhebend finden, er kann Macht ausüben und so weiter. Und Betrachter der Situation können das dann auch auf ziemlich verschiedene Weise empfinden und bezeichnen den Passiven darin vielleicht als "demütig", "hörig". "Gehorsam" ist ja auch ein solcher Begriff, der heute wohl ziemlich zwiespältig angesehen wird. Selbst mächtig zu sein, zu kämpfen, Dinge zu beeinflussen hat heute einen recht guten Ruf, wobei vielen auch klar wurde, daß sich darin so manche Abgründe auftun können.
Z.B. aufgrund von "Resignation/Aussichts-/Ausweglosigkeit"(aufgegeben haben). Passivität könnte jedoch auch als eine Fähigkeit, "abwarten zu können" angesehen werden. Auch ein ausgeprägtes "(Gott)Vertrauen" könnte diesbezüglich treibend sein.

Ja.

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Re: Sind die Begrifflichkeiten "Hochmut" und "Demut" aus der Mode gekommen?

Beitragvon Agape » Fr 22. Nov 2024, 22:05

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Aber es gäbe wohl schon unterschiedliche innere Antriebe für "Passivität"?

Ja, es gibt Leute, die eher andere für sich entscheiden lassen?

Ja, das gibt es schon. Aber es gibt auch Leute, die selbst für sich entscheiden, dass sie nicht oder nicht so schnell in etwas eingreifen wollen, was mit ihnen selbst zu tun hat. Dann sind es eher die anderen, welche vielleicht an ihrer Stelle eingreifen und aktives Handeln vorziehen würden. Sie haben den Eindruck von Passivität, weil sie nicht begreifen können, dass jemand abwarten will, bis etwas für ihn "stimmig" ist. Dies geschieht über die Intuition und nicht aufgrund eines äusseren Konzeptes oder einer Lehre, auch nicht infolge von Einmischung anderer. Wenn die Zeit für etwas reif ist, spüren solche vermeintlich "passiven" Leute dies häufig und daraufhin können sehr schnelle, klare Entscheidungen getroffen werden, die sich dann "richtig" anfühlen, weil sie zum eigenen Wesen passen und nicht auf Drängen von aussen zustande kamen.

Aber der, der so bestimmend gelassen wird kann soetwas sehr erhebend finden, er kann Macht ausüben und so weiter.

Dies wäre jedoch dessen Entscheidung, wofür er letztlich selbst verantwortlich wäre.

Und Betrachter der Situation können das dann auch auf ziemlich verschiedene Weise empfinden und bezeichnen den Passiven darin vielleicht als "demütig", "hörig".

Wieso eigentlich? Das müssten sie ja nicht unbedingt tun - ausser ein "Passiver" würde andere ("Aktivere") ständig dazu auffordern und erwarten, dass etwas für ihn getan werden solle, wofür er selbst zu träge wäre.
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Re: Sind die Begrifflichkeiten "Hochmut" und "Demut" aus der Mode gekommen?

Beitragvon Marsianer » Fr 22. Nov 2024, 22:48

Schon möglich.
Agape hat geschrieben:
Und Betrachter der Situation können das dann auch auf ziemlich verschiedene Weise empfinden und bezeichnen den Passiven darin vielleicht als "demütig", "hörig".

Wieso eigentlich? Das müssten sie ja nicht unbedingt tun - ausser ein "Passiver" würde andere ("Aktivere") ständig dazu auffordern und erwarten, dass etwas für ihn getan werden solle, wofür er selbst zu träge wäre.

Das würde dann vielleicht nicht passiv in diesem Sinne sein.

Ich habe so ein wenig den Eindruck "demütig" würde bei manchen etwas meinen, wo die "Demütigen" sich zu viel drängen lassen, dann mitmachen, auch wenn ich den Eindruck hätte, es ist nicht so gut für sie. Das wäre soweit ich las auf Faustyna nicht zutreffend.

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Re: Sind die Begrifflichkeiten "Hochmut" und "Demut" aus der Mode gekommen?

Beitragvon Marsianer » Sa 23. Nov 2024, 05:54

Weitere Beispiele, in denen Leute ihr Verständnis von "Demut" beschreiben.
In Anbetracht dieses Wissens um die dunkle Seite eines hohen Selbstwerts haben Forscher in den vergangenen Jahren ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf demütige Menschen gerichtet, deren Ego gewissermassen leiser ist. Demut, wie sie etwa die Psychologin Pelin Kesebir versteht, umfasst eine Bereitschaft, die Grenzen des eigenen Selbst, damit auch eigene Schwächen zu akzeptieren und sich der eigenen Kleinheit bewusst zu sein angesichts der gewaltigen Grösse der „Welt“ – sei es nun in Form von Gott, der Menschheit, der Natur oder des Kosmos. Damit einhergehend vermögen demütige Menschen über die Anliegen des eigenen Egos hinwegzusehen, sozusagen ihr Selbst zu vergessen, um ihre Aufmerksamkeit auf „etwas Grösseres“ zu richten, es zu ehren und möglicherweise zur Entfaltung desselben beizutragen. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass ein demütiger Mensch sich selbst verunglimpft und schwach fühlt. Ein ruhiges Ego verzichtet lediglich auf die Verzerrungen, die ein aufgeblähtes Ego braucht, um sich auszuschmücken. Entsprechend steht es nicht auf wackligen Beinen: Eine demütige Personen wird sich angesichts des lauernden Todes als der ultimativen Bedrohung weniger bedroht fühlen und folglich in geringerem Masse zu einer ungesunden Überreaktion neigen, welche diese Bedrohung abwenden soll.

[...]

In der dritten Studie kehrte Kesebir das Ganze dann um, indem sie sich gewissermassen das Gegenteil von Demut anschaute. Kesebir vermutete, dass Menschen, die zu einer narzisstischen Selbstverliebtheit neigen, also mit eigenen Bedürfnissen überbeschäftigt sind, sich wenig um die Rechte und Bedürfnisse von anderen kümmern, und glauben, dass ihnen mehr zusteht als anderen, in Anbetracht des Todes verstärkt verteidigend reagieren.

[...]

Gilt dasselbe dann für Stolz, einer Emotion, die stark mit hohem Selbstvertrauen zusammenhängt und ebenfalls häufig der Demut gegenübergestellt wird?

https://www.psychologie.uzh.ch/de/bereiche/dev/lifespan/erleben/berichte/demut.html
Demut ist nicht nur Tugend, sondern Haltung. Ein demütiger Mensch nimmt sich selbst nicht so wichtig, ist bereit zu dienen oder nimmt Dinge bereitwillig an, die er oder sie ohnehin nicht ändern kann. Demut ist eine Form der Genügsamkeit, Dankbarkeit und Hingabe, die zu mehr Ausgeglichenheit, Gesundheit und Lebensfreude führt. Demut kann aber auch eine veritable, aber unverdächtige Machtstrategie sein. Wer sich fügt, führt ganz oft. Nicht nur moralisch…

Demut ist eine Haltung, kein Gefühl. Dahinter steht die Bereitschaft zum Dienen und begründete Ergebenheit, etwas Notwendiges hinzunehmen oder sich selbst als eher unwichtig zu betrachten. Demut zählt in vielen Religionen zu den wichtigsten Tugenden, nicht nur in der Bibel. Meist bedeutet Demut hier die Anerkennung der Allmacht Gottes und eine generell unterwürfige innere Einstellung des Menschen zu seinem Gott und Schöpfer.
Demut Synonyme

Für die Kardinalstugend gibt es zahlreiche ähnliche Begriffe und Synonyme: Anspruchslosigkeit, Bescheidenheit, Devotion, Duldsamkeit, Ergebenheit, Fügsamkeit, Genügsamkeit, Hingabe, Mäßigung, Nachgiebigkeit, Opferbereitschaft, Unterwürfigkeit und Zufriedenheit.

Der Begriff Demut geht auf das althochdeutsche „diomuoti“ zurück. Das bedeutet so viel wie „dienstwillig“ zu sein. Darin steckt ebenso das Wort Mut, was wiederum zeigt: Zum demütigen Dienen braucht es nicht nur Hingabe und Selbstüberwindung, sondern auch eine gute Portion Courage.

[...]

Viele Menschen glauben: Wer demütig ist, macht sich klein oder ist generell unterwürfig und devot. Das ist falsch. Unterwürfigkeit kann eine Variante der Demut sein, aber keine zwingende. Auch sollten Sie Demut nicht mit einer Demütigung verwechseln. Vielmehr sind Gesten, die Unterwürfigkeit dokumentieren, dazu gedacht, andere in Sicherheit zu wiegen. Motto: „Ich bin dir kein ebenbürtiger Gegner, von mir droht keine Gefahr.“ Demut macht unverdächtig, weckt Respekt und Sympathien – vor allem aber raubt sie Gegnern ihre Macht: Man tritt nicht den, der sich beugt.
Die Macht der Demut kann daher ein perfektes Täuschungsmanöver sein, dem insbesondere Narzissten gerne auf den Leim gehen. Denken Sie beispielsweise an Columbo, den trotteligen TV-Inspektor im ewig schmuddeligen Trenchcoat! Die Haare zerzaust, die Kleidung zerknittert, der Habitus unterwürfig, bewundernd, zerstreut – das ist seine Masche!

https://karrierebibel.de/demut


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