Im November 2018 hat anonymous die Integrity Initiative gehackt, interne Dokumente entwendet und sie im Dezember 2018 veröffentlicht (siehe hier und hier). Die Echtheit der Dokumente wurde von der Integrity Initiative bestätigt. Allerdings war die britische Regierung nicht allzu kreativ, denn sie sprach (das ist Routine, wenn im Westen Skandale öffentlich werden) von einem russischen Hackerangriff.
Obwohl die Dokumente hochbrisant waren, fanden die westlichen Medien nicht, dass man darüber berichten müsste. Der erste große Bericht erschien auf dem englischsprachigen Portal The Grayzoone. In Deutschland haben lediglich einige alternativen Medien wie die Nachdenkseiten darüber lange Artikel veröffentlicht.
Auch RT-Deutsch hat damals ausführlich darüber berichtet und unter anderem eine ziemlich eindeutige Verbindung von der Integrity Initiative zu Bellingcat und Julian Röpcke von der Bild-Zeitung aufgezeigt. Die Integrity Initiative ist bestens mit den wichtigsten Medien vernetzt, um die anti-russische Propaganda, für die sie gegründet wurde, unter das Volk zu bringen. Aber weil das von RT-Deutsch berichtet wurde, war das natürlich nur russische Propaganda und niemand hat weitere Fragen gestellt.
Die „Qualitätsmedien“ haben all das ignoriert, dabei waren Manipulationen in den Medien zu genau dem Zeitpunkt das große Thema in Deutschland. Exakt zur gleichen Zeit, im Dezember 2018, ist nämlich Claas Relotius aufgeflogen und die Medien haben sich mit Artikeln darüber, dass es solch manipulierte Artikel nicht geben dürfte, regelrecht überschlagen.
Dass aber gleichzeitig ein ganzes Netzwerk von Manipulatoren aufgeflogen war, dessen Narrative die Medien gerne übernommen haben, das haben die Medien ihren Lesern komplett verschwiegen.
Die Propaganda-Cluster
Die von anonymous veröffentlichten Dokumente zeigten, warum die Integrity Initiative so konspirativ arbeitet. Ihre Aufgabe war es, in den Ländern der EU Cluster bestehend aus anti-russischen Propagandisten zu bilden, die man steuern und nach Bedarf für Propaganda-Zwecke einsetzen konnte. Koordiniert wurden diese Cluster in den Ländern von einem Mitarbeiter der jeweiligen britischen Botschaft.
So konnte man aus den Unterlagen zum Beispiel erfahren, dass in folgenden Ländern bereits Cluster aktiv waren: Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien, Litauen, Niederlande, Norwegen, Serbien und Spanien. Weitere Cluster waren in folgenden Ländern geplant: Österreich, Bulgarien, Kanada, Estland, Georgien, Lettland, Malta, Moldawien, Montenegro, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Schweden, Schweiz und USA.
Es war also eine von mehreren NATO-Staaten finanzierte und offensichtlich vom britischen Geheimdienst geleitete Untergrund-Propagandaorganisation aufgeflogen, die die öffentliche Meinung in praktisch dem gesamten Westen beeinflussen sollte.
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Reitschuster hat von 1999 bis 2015 das Moskauer Büro des Focus geleitet und war damals einer radikalsten anti-russischen Journalisten in Moskau. In meinem Buch über die Ukraine-Krise 2014 habe ich Reitschuster nachgewiesen, einige anti-russische Meldungen frei erfunden zu haben, die dann im Focus verbreitet wurden. Wenn es um das Verteufeln Russlands, und vor allem von Putins Politik ging, war Reitschuster sehr kreativ und die Wahrheit empfand er eher als störend.
2015, also in dem Jahr, in dem die Integrity Initiative ihre Arbeit aufnahm, haben Reitschuster und der Focus sich getrennt. Über die Gründe für die Trennung ist bis heute nichts bekannt. Reitschuster hat damals auf seinem Blog zur Trennung vom Focus geschrieben:
„Vor 16 Jahren habe ich es aufgebaut; es war eine aufregende, bereichernde Zeit, die mir sehr viel gegeben hat. Neue Erfahrungen, neue Horizonte, und vor allem neue Freunde. Viele auch hier. Der Abschied fällt schwer. Es ist das Ende einer Lebens-Epoche. Aber auch ein Neuanfang. Ich freue mich auf neue Erfahrungen, neue Horizonte – und neue Freunde.“
Wenn man annimmt, dass Reitschuster sich mit der Integrity Initiative eingelassen hat, dann war das ein sehr ehrlicher Blogeintrag. Heute ist der Eintrag nicht mehr auf seiner Seite zu finden, aber im Internetarchiv ist er noch abrufbar, den Link finden Sie hier.
Wovon Reitschuster ab 2015 gelebt hat, ist nicht bekannt. Seine Seite war damals noch unbekannt, seine Bücher haben sich zwar ganz ordentlich verkauft, aber da ich selbst Bücher schreibe, weiß ich, dass man davon alleine nicht leben kann. Allerdings waren diverse transatlantische Medien so freundlich, Gastartikel zu veröffentlichen.
Wer sucht, der findet Kommentare und Artikel von ihm in der FAZ, The European, Washington Post, Guardian und anderen. In seinen Kommentaren hat er als „Russlandexperte“ anti-russische Narrative verbreitet. Aber auch von einigen Gastartikeln pro Jahr kann man aber nicht leben.
Reitschusters neue Rolle?
Es gibt in den Medien Menschen und Portale, die ich als „U-Boote“ bezeichne. Das sind Portale, die sich unter den alternativen Medien tummeln, aber in Wahrheit transatlantisch sind. Ich kann hier die Beispiele, von denen ich es aus erster Hand weiß, nicht nennen, weil mir die Informationen von Insidern zugetragen wurden. Würde ich das veröffentlichen, wäre eventuell nachvollziehbar, wer in welcher Redaktion mir die Informationen mitgeteilt hat.
„U-Boote“ unter den alternativen Medien haben den Zweck, dass sie ein Publikum erreichen, das für die Mainstream-Medien bereits „verloren“ ist. Daher sind die „U-Boote“ bei den meisten Themen sehr kritisch, aber bei bestimmten Themen sind sie „voll auf Linie“ der Transatlantiker, sodass sie die transatlantischen Narrative in das Publikum der alternativen Medien tragen können, das ansonsten für die NATO-Propaganda nicht mehr erreichbar ist.
Boris Reitschuster verhält sich exakt wie ein solches „U-Boot“. Während der Corona-Zeit ist seine Seite zur wohl meistbesuchten Seite der alternativen Medien geworden und er hat die Kritiker der Corona-Maßnahmen aufgefangen, die sich gerade angewidert von Tagesschau, Spiegel und all den anderen „Qualitätsmedien“ abgewendet haben. Und während er in Sachen Covid-19 vorbildlichen Journalismus abgeliefert hat, hat er seinem Publikum – ganz im Sinne der Integrity Initiative – weiterhin regelmäßig die transatlantischen Narrative und vor allem das Feindbild Russland präsentiert.
Er hat exakt das getan, was das erklärte Ziel der Integrity Initiative ist: Er hat anti-russische Propaganda gemacht und sie zu den Menschen gebracht, die sie sonst nicht mehr erreicht hätte.
Dass Reitschuster für die Integrity Initiative arbeitet, ist nicht bewiesen, aber Fakt ist, dass sie ihn in internen Dokumenten als vielversprechenden Kandidaten genannt hat. Fakt ist außerdem, dass seine Trennung vom Focus zeitlich mit der Gründung der Integrity Initiative zusammenfällt und dass man nicht weiß, wovon Reitschuster nach seiner Trennung vom Focus gelebt hat. Und hinzu kommt, dass er seit 2020 exakt das tut, was sich die Integrity Initiative wünscht: Er trägt ihre Propaganda in die für die Mainstream-Medien verlorenen Teile der Gesellschaft.
Und es kommt noch etwas hinzu: Zu Beginn der Pandemie hatte Ken Jebsen, der die größte Reichweite unter den kritischen Medien. Erinnern Sie sich noch, wie Ken Jebsen dann medial geschlachtet wurde?
Reitschuster hatte danach eine größere Reichweite als Ken Jebsen je gehabt hat, aber Reitschuster wurde von den Medien nicht geschlachtet, sogar sein YouTube-Kanal existiert noch. Er hatte zwar ein paar Probleme, wie kurzzeitige Sperrungen und ähnliches, aber nichts davon war von Dauer, während Ken Jebsen endgültig vernichtet worden ist.
Die Folgen
Das Reitschuster die pro-NATO und anti-russischen Narrative in die Leserschaft der alternativen Medien getragen hat, hatte Erfolg, wie wir heute sehen. Waren sich sich Leser der alternativen Medien in Corona-Zeiten weitgehend einig, geht heute eine tiefe Spaltung durch das Publikum. Das erlebe ich bei NuoViso, wo die Jungs von einem Teil ihres Publikums viele böse Mails bekommen, weil sie noch mit mir, dem „Putin-Troll“, zusammenarbeiten, während der andere Teil des NuoViso-Publikums die Tacheles-Sendungen, die ich mit Robert Stein mache, regelrecht feiert. Frank Höfer, der Chef von NuoViso, kann einem Leid tun, denn egal was er macht, er bekommt von einem Teil seines Publikums böse Mails.
Immerhin zeigt sich jetzt, dass die „aufgewachten“ Menschen mehrheitlich kritisch und wenig empfänglich für Propaganda sind. Seit Russland seine Intervention in der Ukraine begonnen hat und Reitschuster alle Zurückhaltung abgelegt hat und wieder in seine alte Rolle aus Moskauer Focus-Zeiten zurückgekehrt ist, ist seine Seite, was die Klickzahlen angeht, im freien Fall. Im Januar hatte seine Seite laut Similarweb noch sagenhafte 7,3 Millionen Aufrufe, im März waren es nur noch 4,9 Millionen, die Zahlen für April liegen noch nicht vor. Aber das ist ein Absturz um 20 Prozent in zwei Monaten, das muss man erstmal hinbekommen.