Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

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rjupa
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Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon rjupa » Do 14. Okt 2021, 14:37

Dieser Beitrag könnte auch im Thread zu Selbststärke stehen oder auch in demjenigen zu Angenommenseinwollen und wahrscheinlich auch noch in etlichen anderen. Trotzdem scheint es mir sinnvoll einen eigenen Thread aufzumachen.

Empathie wird heute oftmals als eine Art Kernkompetenz für den weltlichen oder auch spirituellen Erfolg vermarktet. Es scheint mir jedoch einer der Begriffe zu sein, in die besonders viel, auch Gegensätzliches, reininterpretiert wird.

Wikipedia definiert Empathie folgendermassen:

Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Ein damit korrespondierender allgemeinsprachlicher Begriff ist Einfühlungsvermögen.
Zur Empathie wird gemeinhin auch die Fähigkeit zu angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen gezählt, zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilfsbereitschaft aus Mitgefühl. Die neuere Hirnforschung legt allerdings eine deutliche Unterscheidbarkeit des empathischen Vermögens vom Mitgefühl nahe.

Quelle

Interessant finde ich, dass die Wiki-Definition von einer sinnlichen (erkennen), rationalen** (verstehen) und emotionalen (nachempfinden) Dimension ausgeht. Demgegenüber scheint mir das ebenfalls erwähnte „Einfühlungsvermögen“ deutlich eindimensionaler nur auf die emotionale Ebene zu zielen.

**Weil ich vermute, dass meine Begriffswahl zum „Rationalen“ kritisiert wird: Um etwas zu verstehen, muss es für einen selbst eingeordnet werden. Man muss z.B. die Empfindung korrekt erkennen (Lachen aus Freude vs. Angstlachen), man muss die Empfindung des Gegenübers korrekt in die Situation einordnen, usw. Dass die meisten Menschen dies intuitiv tun und nicht bewusst darüber nachdenken, ändert nichts an dieser Einordnung. Ratio und Intuition sind für mich keine Gegensätze, sondern eng miteinander verzahnt.


Kürzlich las ich in der katholischen Zeitschrift „Forum“ diesen Artikel einer Professorin mit dem vielversprechenden Titel „Deine Gefühle sind nicht meine Gefühle“ Ich vermutete erst, es ginge darum, sich eben nicht die Gefühle seiner Mitmenschen anzueignen und unreflektiert darin „zu baden“, sondern darum, eben mehr bei sich zu bleiben. Also darum, was den meisten Menschen fehlt.

Doch stattdessen wird eine Form von Gefühlsansteckung propagiert:
Der Begriff «Gefühlsansteckung» geht auf Max Scheler zurück, es ist eine angeborene Fähigkeit, sie geschieht, ohne dass wir sie bewusst steuern, wir können aber – wenn wir sie als belastend wahrnehmen – bewusst gegensteuern.
Quelle

Also gewissermassen etwas, das einfach so passiert und gegen das Menschen einen ewigen Kampf führen müssen, wenn sie dies als ungut empfinden.

Empathie baut auf dieser Fähigkeit der Gefühlsansteckung auf. Empathie ist keine Emotion, sondern eine Reaktion auf die Emotion eines anderen Menschen. Empathie ist die Fähigkeit, Emotionen und Absichten einer anderen
Person zu erkennen, zu verstehen und darauf zu reagieren. Oder – kurz gesagt: mitzufühlen, was andere fühlen. Empathie heisst auch zu erkennen, dass die Gefühle der anderen Person nicht meine eigenen Gefühle sind, sondern dass ich mit den Gefühlen einer anderen Person mitschwinge. Empathie beinhaltet, dass ich mir bewusst bin, dass die Absichten der anderen Person nicht mit meinen eigenen Absichten übereinstimmen müssen, sondern dass ich die Absichten einer anderen Person wahrnehmen kann.

Quelle

Immerhin wird hier noch gesagt, dass Empathie gewissermassen über diese Gefühlsansteckung hinausgeht und eine Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Gefühlen voraussetzt.

Wieder Wikipedia:

Für die neuere Hirnforschung behauptet die Neurowissenschaftlerin Tania Singer eine messbare Differenz zwischen „Empathie“ und „Mitgefühl“. Ihre „Schmerzempathie-Experimente“[27] zeigen, dass das empathische Miterleiden von fremdem Schmerz von einem anderen neuronalen Netzwerk verarbeitet wird, als das aktiv-wohlwollende Mitgefühl: „Empathie ist eher wie eine Resonanzfähigkeit – man teilt ein Gefühl mit einem anderen Menschen, ist aber der Gefahr ausgesetzt, überwältigt zu werden und in empathischen Stress zu geraten. Mitgefühl dagegen hat eine andere Qualität. Es hat etwas von der Fürsorge einer Mutter, die ihr Kind tröstet und ist verbunden mit positiven, beruhigenden und liebevollen Gefühlen.“ Während die spontane Empathie mit dem Leid Anderer zu emotionaler Erschöpfung führen kann, ist unter den gleichen Umständen das aktive Mitgefühl belohnend und trainierbar.


Quelle

Ist also Empathie zumindest in dieser Ausprägung nicht eher etwas, das möglicherweise dem ähnlich ist, was hier im Forum „Anstrahlung“ genannt wird, wohingegen Mitgefühl, zumindest so wie es im obigen Zitat verwendet wird, gewissermassen die reifere Agapeversion davon wäre?

Sind Menschen, die sich für besonders empathisch halten einfach nur besonders labil?

Was ist Empathie eigentlich?

Marsianer
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » Do 14. Okt 2021, 16:00

rjupa hat geschrieben:Was ist Empathie eigentlich?

Ersteinmal ein Begriff, der von unterschiedlichen Menschen verschieden definiert werden dürfte. Gerne auch, ohne daß diese sich das selbst so recht klarmachen, wenn sie mit anderen reden. Und das ist ja bei etlichen Begriffen so, bei denen es mehr in Richtung dessen geht, was wesentlicher im Dasein ist.
Empathie wird heute oftmals als eine Art Kernkompetenz für den weltlichen oder auch spirituellen Erfolg vermarktet. Es scheint mir jedoch einer der Begriffe zu sein, in die besonders viel, auch Gegensätzliches, reininterpretiert wird.

Ja, und ob sich das nun hin zu einer Definition hin "entwirren" ließe? Was weltlichen Erfolg angeht könnte es z.B. auch die Fähigkeit meinen auf eher auch psychologisch beschreibbarerer Ebene andere Menschen zu manipulieren, zu benutzen, ohne daß sie sich zu bewußt daran zu stören beginnen? Dann stünde "Empathie" z.B. vielleicht der "Direktheit" gegenüber.
Ratio und Intuition sind für mich keine Gegensätze, sondern eng miteinander verzahnt.

Ja, oft wird "Verstand" und "Ratio" auf bestimmte körperlich-banalere Sinneseindrücke und Folgerungen daraus reduziert. Da wird dann etwas vermengt, was eigentlich so nicht eins ist. Die eigene Positionierung zu einer Art von Erleben ist etwas anderes als der eigene Ansatz gewissermaßen logische Ableitungen daraus zu treffen. Spirituelles Erleben ist z.B. nicht an sich irrational, wie es oft formuliert wird.
Also gewissermassen etwas, das einfach so passiert und gegen das Menschen einen ewigen Kampf führen müssen, wenn sie dies als ungut empfinden.

Der "Gruppenzwang" vor dem viele Kinder gerne gewarnt wurden?
Ist also Empathie zumindest in dieser Ausprägung nicht eher etwas, das möglicherweise dem ähnlich ist, was hier im Forum „Anstrahlung“ genannt wird

"Empathie ist eher wie eine Resonanzfähigkeit – man teilt ein Gefühl mit einem anderen Menschen, ist aber der Gefahr ausgesetzt, überwältigt zu werden und in empathischen Stress zu geraten."
"dass ich mit den Gefühlen einer anderen Person mitschwinge"

Eine entscheidende Frage wäre dabei wohl auch, wie sehr andere sich in solchem "Mitschwingen" überhaupt wiederfinden. Ich habe es schon öfters erlebt, daß Leute meinten soetwas zu empfinden von mir her, also irgendwie zu erkennen oder zu spüren wie etwas in mir ausschaue. Das stimmt aber zumindest mir gegenüber doch öfters so nach meiner Einschätzung gar nicht. Da wird auch viel projiziert und eben von sich selbst ausgegangen?

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon rjupa » Do 14. Okt 2021, 16:48

Marsianer hat geschrieben: Ersteinmal ein Begriff, der von unterschiedlichen Menschen verschieden definiert werden dürfte. Gerne auch, ohne daß diese sich das selbst so recht klarmachen, wenn sie mit anderen reden.
So wie das bei den meisten abstrakten Begriffen der Fall ist. Trotzdem bauen Menschen auf diesen Begriffen ganze Gedankengebilde, die sie als allgemeingültig voraussetzen. So gesehen keine Besonderheit dieses Begriffs.

Ja, und ob sich das nun hin zu einer Definition hin "entwirren" ließe?
Fraglich. Es geht bei solchen Themen ja oft nicht um eine Lehrbuchdefinition, sondern um eine Annäherung. In diesem Fall eines Begriffs, der auch in diesem Forum nach meinem Empfinden sehr verschieden genutzt wird.

Was weltlichen Erfolg angeht könnte es z.B. auch die Fähigkeit meinen auf eher auch psychologisch beschreibbarerer Ebene andere Menschen zu manipulieren, zu benutzen, ohne daß sie sich zu bewußt daran zu stören beginnen?
Auch im spirituellen Bereich scheint es mir (teilweise?) diese Tendenz zu geben.

Der "Gruppenzwang" vor dem viele Kinder gerne gewarnt wurden?
Und dem auch die meisten Erwachsenen unterliegen. Möglich.

Eine entscheidende Frage wäre dabei wohl auch, wie sehr andere sich in solchem "Mitschwingen" überhaupt wiederfinden.
Und was es über die vermeintlich empathische Person aussagt, wenn es ihr egal ist, ob sie tatsächlich mitschwingt oder nur projiziert.

Davon ausgehend, warum wird dieses Mitschwingen als positiv gewertet? Ist es positiv, wenn jemand bei etwas mitschwingt, das er als schlecht für sich erkennt?

Ich habe es schon öfters erlebt, daß Leute meinten soetwas zu empfinden von mir her, also irgendwie zu erkennen oder zu spüren wie etwas in mir ausschaue.
Erkennen, wie etwas in einem ausschaut und mitschwingen sind vielleicht auch noch zwei verschiedene Sachen. Mitschwingen geht nach meinem Eindruck in Richtung Harmonie – oder dem, was gemeinhin unter Harmonie verstanden wird.

Ergänzend. Beide Zitate aus einem Artikel des Deutschlandfunks.

„Man muss zumindest einräumen, dass Empathie durch unterschiedliche Parameter reguliert wird, die auch in der Sozialpsychologie untersucht werden, wie zum Beispiel Ähnlichkeit und Unähnlichkeit. Und es ist durchaus in zahlreichen psychologischen und soziologischen Studien nahegelegt worden, dass Empathie gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe stärker ausgeprägt ist.“


In vielen Fällen, so die These Breithaupts, entstehe Empathie mit Notleidenden nicht unvermittelt, sondern über Umwege, etwa indem man sich einen rettenden Helfer vorstellt, der etwas verändern kann. Man sehe sich dann selbst in der Rolle des Retters und blicke durch dessen Augen auf die Opfer von Dürre, Kriegen oder Umweltkatastrophen. Mit Empathie könne damit auch das Bedürfnis verbunden sein, sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Doch wann dieser Mechanismus wirkt, kann man freilich nicht immer eindeutig entscheiden. Dass Empathie vor allem demjenigen nutzt, der sie empfindet, lässt sich aber auch an vielen weiteren Beispielen belegen.

Marsianer
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » Do 14. Okt 2021, 18:08

rjupa hat geschrieben:So wie das bei den meisten abstrakten Begriffen der Fall ist.

Als abstrakt würde ich ihn eigentlich nicht einordnen, weil es in ihm um "Inneres" geht. Für viele Menschen ist dieses Konkrete aber wohl recht fern, da sie sich vor allem mit anderen Dingen auseinandersetzen.
Trotzdem bauen Menschen auf diesen Begriffen ganze Gedankengebilde, die sie als allgemeingültig voraussetzen. So gesehen keine Besonderheit dieses Begriffs.

Ja.
Auch im spirituellen Bereich scheint es mir (teilweise?) diese Tendenz zu geben.

Je nach Verständnis vielleicht auch eher im Bereich des Zerfalls spriritueller Ansätze.
Und was es über die vermeintlich empathische Person aussagt, wenn es ihr egal ist, ob sie tatsächlich mitschwingt oder nur projiziert.

Zumindest, daß da wohl so einiges nicht reflektiert getan wird? Gut möglich auch, daß es eben gar nicht um den anderen geht, sondern irgendeine eigene "Gefühligkeit". Wenn eher projiziert wird, dann hätte das mit dieser Person ja auch etwas zu tun, mit "Resonanz"? Es bedeutet dann vielleicht, daß diese Person selbst innerlich etwas bewegt?
Davon ausgehend, warum wird dieses Mitschwingen als positiv gewertet? Ist es positiv, wenn jemand bei etwas mitschwingt, das er als schlecht für sich erkennt?

"Instiktiv", weil Anstrahlung eben etwas wäre, das für viele einen Abklatsch echter Lebendigkeit bedeutet, von dem sie zehren wie fast Verhungerte von stark verfaultem Obst? Es wäre dann einfach etwas, das von daher unbewußt positive Emotionen auslösen würde?
Erkennen, wie etwas in einem ausschaut und mitschwingen sind vielleicht auch noch zwei verschiedene Sachen. Mitschwingen geht nach meinem Eindruck in Richtung Harmonie – oder dem, was gemeinhin unter Harmonie verstanden wird.

Da kam es mir auf einen Abgleich an. Wenn soein Mensch meint mit einer anderen Person mitzuschwingen und man diese andere Person mal nicht suggestiv darüber befragt, wie es denn da gerade in ihr aussah. Klar, viele Leute sagen dann wohl auch wieder Dinge, die stark verzerrt oder gelogen sind. Aber wenn es mich betrifft und jemand meint sozusagen mit mir "mitzuschwingen" und dann sagt dabei werde etwas bestimmtes "wahrgenommen" und ich finde, daß das so nicht stimmt, es in mir da gar nicht so aussah, dann wirft das zumindest Fragen auf, finde ich.
Dass Empathie vor allem demjenigen nutzt, der sie empfindet, lässt sich aber auch an vielen weiteren Beispielen belegen.

Hm.

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon rjupa » Do 14. Okt 2021, 18:57

Marsianer hat geschrieben:Als abstrakt würde ich ihn eigentlich nicht einordnen, weil es in ihm um "Inneres" geht.
Für die meisten Menschen ist alles abstrakt, was sie nicht mit ihren körperlichen Sinnen mindestens sehen können, besser noch anfassen. ;) So war das gemeint.

Wenn eher projiziert wird, dann hätte das mit dieser Person ja auch etwas zu tun, mit "Resonanz"? Es bedeutet dann vielleicht, daß diese Person selbst innerlich etwas bewegt?
Vielleicht auch so, wie manche Leute meinen plötzlich überall Schwangere zu sehen, wenn sie sich mit dem Thema Schwangerschaft befassen. Nur eben mit diversen Wahrnehmungsverzerrungen und -Störungen, wie das bei den meisten Leuten bei inneren Wahrnehmungen so ist.

"Instiktiv", weil Anstrahlung eben etwas wäre, das für viele einen Abklatsch echter Lebendigkeit bedeutet, von dem sie zehren wie fast Verhungerte von stark verfaultem Obst? Es wäre dann einfach etwas, das von daher unbewußt positive Emotionen auslösen würde?
Wohl auch mit ein Grund, warum Empathie oft auch besonders auslaugend und auf Dauer anstrengend beschrieben wird. Passt ja dann auch zum Thema Hypersensibilität.

Da kam es mir auf einen Abgleich an.
Ja, habe ich verstanden. Mir ging es nur nochmal um sprachliche Präzision.

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » Fr 15. Okt 2021, 09:58

rjupa hat geschrieben:Vielleicht auch so, wie manche Leute meinen plötzlich überall Schwangere zu sehen, wenn sie sich mit dem Thema Schwangerschaft befassen.

Ja, sie drehen sich um sich stark selbst, meinen aber ähnlich stark eben auf andere zu reagieren.
Wohl auch mit ein Grund, warum Empathie oft auch besonders auslaugend und auf Dauer anstrengend beschrieben wird. Passt ja dann auch zum Thema Hypersensibilität.

Und wie geht es diesen Leuten dann, wenn sie für sich sind, es still um sie wäre?

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » Fr 15. Okt 2021, 10:26

Marsianer hat geschrieben:Und wie geht es diesen Leuten dann, wenn sie für sich sind, es still um sie wäre?

Massgeblicher wäre wohl die Frage, wie diese Leute damit umgehen würden, "wie es ihnen dann geht". Es könnte nämlich eine Riesenchance für sie sein, zu sich selbst zu finden, ihr Inneres wahrzunehmen, ohne dieses ständig durch den Filter eines Objektes (zum Beispiel eines Gegenübers, einer für sie als angenehm (anstrahlend) empfundenen Begegnung) zu empfinden. Sie könnten dadurch in Berührung mit ihrem bestehenden inneren Mangelzustand kommen, diesen erkennen und sich "eines besseren" besinnen. Das könnte zum Beispiel heissen, näher an ihre wahre (göttliche) Lebensquelle zu kommen, sich ihrer zunehmend bewusster zu werden und zu erfahren, um wie viel "nährender" diese wirkt, als eine Quelle eher menschlichen Ursprungs.
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon rjupa » Fr 15. Okt 2021, 10:35

Marsianer hat geschrieben:Und wie geht es diesen Leuten dann, wenn sie für sich sind, es still um sie wäre?
Das weiss ich nicht, dazu müssten sich solche Leute z.B. hier im Forum äussern. Nach meinem Eindruck tun sich Leute, die sich wahlweise als besonders empathisch und/oder hypersensibel bezeichnen, schwer damit, alleine zu sein.

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon rjupa » Sa 23. Okt 2021, 09:11

Lese im Moment diese Masterarbeit zur Spiritualität von Menschen, die als hochsensibel eingeordnet werden.

Hochsensibilität wird in dieser Arbeit definiert als grössere Aufnahmefähigkeit, bzw. verminderte Filterleistung in der Wahrnehmungsfähigkeit, sei es bei körperlichen Reizen oder auch seelischen Eindrücken (S.9-15). Damit einher geht eine grössere Emotionalität und Zurückhaltung in sozialen Kontakten bei gleichzeitigem Wunsch, Kontakte zu pflegen (S. 15-16).

Basierend auf der Forschungsarbeit von Lüling (2012: Genaue bibliographische Angaben finden sich in der oben verlinkten Masterarbeit) profilieren sich Hochsensible in evangelischen Gemeinden als emotionale/spirituelle Lastenträger. Dies wird dann mit dem biblischen „ein jeder trage des anderen Last“ verbunden. Gleichzeitig täten sich, so Lüling weiter, Hochsensible schwer damit, eine eigene Identität zu entwickeln, weil sie in dieser wichtigen Gemeindefunktion gewissermassen aufgingen (S. 18-19).

Dieses Lastentragen wird als etwas beschrieben, das sich aus diesem ungefilterten Zustand heraus ergebe, also gewissermassen einfach passiere. Das führt dann wieder zur Anhaftungsthematik, meinetwegen auch zur Einordnung Helfersyndrom.

Bezogen auf dieses Threadthema bietet sich somit die Frage an, wie sich dieses Lastentragen in einem reflektierten, reifen Umgang integrieren lässt. Wie trägt man jemandes Last, ohne gleichzeitig Abhängigkeiten zu schaffen, die letztlich allen beteiligten nicht gut tun?

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » Sa 23. Okt 2021, 09:53

rjupa hat geschrieben:Wie trägt man jemandes Last, ohne gleichzeitig Abhängigkeiten zu schaffen, die letztlich allen beteiligten nicht gut tun?

Da ich selbst von diesem Thema stark betroffen bin, kann ich aus eigener Erfahrung berichten. Ein möglicher Weg wäre, nicht mehr "stolz" auf sich zu sein, dass man Lasten anderer trägt und sich für vieles schuldig fühlt - entsprechend stets Verantwortung auch für Dinge trägt, die nicht in der Eigenverantwortung liegen. Statt Stolz und daraus erfolgender Selbst-/Fremdüberschätzung/-beweihräucherung sollte ein nüchternerer, sachlicherer Umgang mit sich selbst und anderen angestrebt und kein "Heiligenschein" - weder anderen - noch sich selbst verliehen werden.
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » Sa 23. Okt 2021, 11:08

rjupa hat geschrieben:Hochsensibilität wird in dieser Arbeit definiert als grössere Aufnahmefähigkeit, bzw. verminderte Filterleistung in der Wahrnehmungsfähigkeit, sei es bei körperlichen Reizen oder auch seelischen Eindrücken (S.9-15).

Was so beschrieben für mich noch nicht zwangsläufig diese verbreitet im Zusammenhang mit HSP geschilderten Empfindungen von Belastetheit beinhalten müßte. Wenn z.B. Buddhisten ihre "fortgeschrittenen Zustände" erläutern würden, dann würde wohl oft ein erweiterter Blick beschrieben, aber nicht soein "darunter leiden".
Damit einher geht eine grössere Emotionalität und Zurückhaltung in sozialen Kontakten bei gleichzeitigem Wunsch, Kontakte zu pflegen (S. 15-16).

Ich frage mich, ob das wirklich fester Teil von "HSP" sein sollte oder nicht.
profilieren sich Hochsensible in evangelischen Gemeinden als emotionale/spirituelle Lastenträger. Dies wird dann mit dem biblischen „ein jeder trage des anderen Last“ verbunden.

Wäre wohl ersteinmal die Frage, ob da eher eine Art "Helfersyndrom" hinterstecken würde, also ja auch meist wohl der Versuch andere "hintenrum" zu kontrollieren, an sich zu binden. Anders ausgedrückt: Agape oder eher soetwas wie Philia? "Agape" eher nur wenn andere "relevante Personen" es sehen können?
Gleichzeitig täten sich, so Lüling weiter, Hochsensible schwer damit, eine eigene Identität zu entwickeln, weil sie in dieser wichtigen Gemeindefunktion gewissermassen aufgingen (S. 18-19).

Das hat ja wohl schon etwas mit dem "Helfersyndrom" zu tun? Jemand kann auch nicht gut alleine sinnerfüllend etwas tun? Derjenige spürt soetwas wie einen Mangel, wenn er nicht andere auf solche Art "anzieht"? Aber es wäre auch möglich, daß ein HSP wirklich aus Agape motiviert wäre. Das würde ich ersteinmal strikter unterscheiden wollen.
Dieses Lastentragen wird als etwas beschrieben, das sich aus diesem ungefilterten Zustand heraus ergebe, also gewissermassen einfach passiere. Das führt dann wieder zur Anhaftungsthematik, meinetwegen auch zur Einordnung Helfersyndrom.

Ich würde ja schon sagen, daß das biblische "einander Lasten tragen" tatsächlich so gemeint sein dürfte, daß es da in gewisser Weise auch um "gegenseitige Anstrahlung" ginge. Das würde ich unterscheiden von "Helfersyndrom", wo es zwar auch um Anstrahlung geht, aber auf eine eigentlich "niederere Weise", nicht aus Agape.
Wie trägt man jemandes Last, ohne gleichzeitig Abhängigkeiten zu schaffen, die letztlich allen beteiligten nicht gut tun?

Ersteinmal, indem derjenige nicht letztlich vor allem für sich selbst etwas bekommen wollte?
Agape hat geschrieben:Ein möglicher Weg wäre, nicht mehr "stolz" auf sich zu sein, dass man Lasten anderer trägt und sich für vieles schuldig fühlt - entsprechend stets Verantwortung auch für Dinge trägt, die nicht in der Eigenverantwortung liegen.

Stolz sein? So offen wird das von wem mit "Helfersyndrom" wohl nicht gezeigt? Und es würde versucht den anderen dazu zu bringen sich in einer Schuld zu sehen?

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » Sa 23. Okt 2021, 11:29

Marsianer hat geschrieben:Stolz sein? So offen wird das von wem mit "Helfersyndrom" wohl nicht gezeigt? Und es würde versucht den anderen dazu zu bringen sich in einer Schuld zu sehen?

Offen gezeigt wohl eher weniger, jedoch für sich selbst so empfunden. Das "Lastentragen" wird ja selten belohnt, also belohnt man sich in einer gewissen Weise selbst, indem man sich "dazu berufen" fühlt, für andere "Lastesel" und "Sündenbock" zu sein.

Aber das kann wohl nur nachempfunden werden, wenn man es selbst erfährt, weniger anhand einer theoretischen Befassung mit der Thematik.
Zuletzt geändert von Team am Sa 23. Okt 2021, 13:05, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Zitiermurks
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