Dhammapada-Betrachtungen

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Regentropfen
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Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Regentropfen » Sa 15. Aug 2020, 14:11

Mir kommt es so vor, als würden sich das Christentum und der Buddhismus nicht extrem voneinander unterscheiden und mich würde interessieren, welche Gemeinsamkeiten (oder Unterschiede) es gibt, wenn man so will.

Ich würde gern immer einen Teil posten und wer mag, kann seine Gedanken dazu schreiben.

1. Die Wahl

1 Alle Dinge (*1) entstehen im Geist (*2),
Sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.
Rede mit unreinem Geist,
Handle mit unreinem Geist,
Und Leiden wird dir folgen,
Wie das Rad dem Fuß folgt,
der den Wagen zieht.

(*1 = Empfindungen, Wahrnehmungen, Geistesformationen)

(*2 = Geist, Herz)

2 Alle Dinge entstehen im Geist
Sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.
Rede mit reinem Geist
Handle mit reinem Geist ,
Und Glück wird dir folgen,
wie der Schatten dem Körper folgt,
und nicht weicht.

3 "Sieh, wie er mich beschimpft und geschlagen hat,
Wie er mich niedergeworfen hat und beraubt."
Halte solche Gedanken fest,
Und dein Hass kommt nie zur Ruhe.

4 "Sieh, wie er mich beschimpft und geschlagen hat,
Wie er mich niedergeworfen hat und beraubt."
Lass solche Gedanken los,
Und dein Hass kommt bald zur Ruhe.

5 Noch nie in dieser Welt
Hat Hass gestillt den Hass
Nur liebende Güte (*3) stillt den Hass.
Dies ist ein ewiges Gesetz. (*4)

6 Die Unwissenden sehen es nicht ein,
dass man im Streit sich zügeln muss.
Aber wenn du klar erkennst (*5),
Dann kommt in dir alles Streiten zur Ruhe.

7 Wenn du nur der Suche nach Schönem lebst,
Und deine Sinnestore nicht bewachst,
Wenn du beim Essen nicht das richtige Maß kennst
Und träge bist und ohne rechtes Bemühen,
Dann wirst du von Mara (*6) entwurzelt werden,
So, wie der Wind einen schwachen Baum überwältigt.

8 Doch wenn du auch das Nicht-Schöne (*7) betrachtest,
Und deine Sinnestore recht bewachst,
Wenn du beim Essen Maß kennst
und zuversichtlich bist und voll rechten Bemühens,
Dann wird dich Mara niemals mehr bezwingen,
So, wie der Wind einen Felsenberg nicht überwältigt.

9 Wenn du noch voller Fehler (*8) bist,
Unbezähmt und ohne Verständnis der Wahrheit,
Wenn du dich dennoch in die gelbe Robe hüllst,
so bist du nicht wert, die gelbe Robe zu tragen.

(*3= Freundlichkeit, Güte)

(*4= das Gesetz, die Lehre, die Wirklichkeit)

(*5= Verstehen, Einsicht, Hellblick (in Leidhaftigkeit, Vergänglichkeit, Unpersönlichkeit)

(*6= der Tod; im weiteren Sinne: die überwältigenden Leidenschaften ; und letztlich: diese ganze vergängliche, leidvolle, unpersönliche Welt)

(*7= das Nicht-Schöne (z.B. in der Übung der Leichenbetrachtung)

(*8= Verlangen, Abneigung, Unwissenheit bzw. Gier, Hass, Verblendung)

10 Doch wenn du deine Fehler aufgegeben hast,
Fest stehst in Sittlichkeit,
Bezähmt und voller Verständnis der Wahrheit,
So bist du wohl wert, die gelbe Robe zu tragen.

11 Du siehst das Wertlose als wertvoll an,
Und das Wertvolle als wertlos,
An solch verkehrtem Denken festhaltend
Erkennst du nie die Wirklichkeit (*9).

12 Sieh das Wertlose als wertlos an,
Und das Wertvolle als wertvoll,
An solch rechtem Denken festhaltend
Erkennst du bald die Wirklichkeit.

13 Wie durch ein schlecht gedecktes Dach,
Der Regen in das Haus eindringen wird,
so überfluten die Leidenschaften (*10)
Den noch ungepflegten Geist.

14 Wie durch ein recht gedecktes Dach,
Kein Regen in das Haus eindringen wird,
So überfluten keine Leidenschaften
Den wohlgepflegten Geist (*11)

15 Wer viel Übles denkt und tut, der wird darüber
Schmerz empfinden, in dieser Welt;
wie in der nächsten;
Er wird Schmerz empfinden und bedrückt sein;
Wenn er die Schlechtigkeit (*12) seines Tuns erkennt.

16 Wer viel Gutes denkt und tut, der wird darüber Freude empfinden,
in dieser Welt wie in der nächsten;
Er wird Freude empfinden und beglückt sein,
Wenn er die Reinheit seines Tuns erkennt.

17 Wer viel Übles denkt und tut, der wird dadurch
Leid erfahren, in dieser Welt, wie in der nächsten.
Er wird leiden an der Erinnerung, und noch viel mehr,
Wenn er auf den leidvollen Weg gelangt.

18 Wer viel Gutes denkt und tut, der wird dadurch Freude erfahren
in dieser Welt wie in der nächsten.
Er wird sich freuen an der Erinnerung und noch viel mehr,
Wenn er auf den glücklichen Weg gelangt.

19 Über wie viele heilige Texte (*13)
du auch immer sprichst,
Was werden sie dir nützen,
wenn du nicht danach handelst?
Du gleichst ja einem Hirten,
der eines anderen Kühe zählt,
Und hast doch niemals Anteil am Weg. (*14)

20 Über wie wenige Texte
du auch immer sprichst,
Doch wenn du im Einklang mit der Lehre lebst,
Wenn du Verlangen, Abneigung
und Unwissenheit (*15) aufgibst,
Nicht mehr haftest an dieser Welt,
noch an der nächsten,
Und Einsicht und Frieden findest,
Dann hast du wirklich einen Anteil am Weg.

(*9= das Wirkliche, Wertvolle, Echte - hier speziell: rechte Erkenntnis (das 1. Glied des "Achtfachen Pfades")

(*10= Verlangen, Gier, Leidenschaft)

(*11= wohlgepflegter Geist: durch Entfaltung der Ruhe und Entfaltung der Einsicht)

(*12= Befleckung, Schmutz, Unreinheit (trübende Leidenschaft)

(*13= hier: Die Sammlung der buddhistischen Lehren im tipitaka ("Drei-Korb") (ethische Richtlinien) (Lehrreden des Buddha) (Philosophie und Psychologie)

(*14= am erhabenen Samanen-Weg (d.h. dem Leben der Asketen und Wander-Mönche)

(*15= bzw. Gier, Hass, Verblendung)

Marsianer
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Marsianer » Sa 15. Aug 2020, 15:17

Regentropfen hat geschrieben:Mir kommt es so vor, als würden sich das Christentum und der Buddhismus nicht extrem voneinander unterscheiden

Da bin ich mir unsicher. Es hängt für mich davon ab, wie Menschen "richtige buddhistische Erfahrung" für sich einordnen, was sie als erlebte Grundlagen buddhistischer Beschreibungen verstehen. Aus meiner Perspektive beruht der Buddhismus wohl auf spirituellen Erfahrungen, die Menschen machten, dann etwas in Bezug darauf weitergaben. Teils komme sie mir ähnlich zu eigenem Erfahrenen vor, aber es ist schwierig "kompetente buddhistische" Gesprächspartner zu finden, die auf mich auch zumindest halbwegs erfahren und kompetent wirken. Gerade im westlichen Bereich ist wohl viel Gepose dabei und insbesondere oft auch Abgrenzung gegenüber dem was als "christlich", "kirchlich" verstanden wurde.
und mich würde interessieren, welche Gemeinsamkeiten (oder Unterschiede) es gibt, wenn man so will.

Das interessiert mich auch. :)

Beispielsweise wo Erfahrungen von Buddhisten denn wirklich spirituell-realistisch herauskommen, wenn sie Götter zugunsten eines "höheren Bewußtseins" hinter sich lassen.
1 Alle Dinge (*1) entstehen im Geist (*2),
Sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.

Ist das so?
Rede mit unreinem Geist,
Handle mit unreinem Geist,
Und Leiden wird dir folgen,

Da könnte man ja einen gewissen Bezug zur Bibelstelle mit der Kerze im anderen Thread sehen? Ja, die geistige Anbindung des Herzens hat große Auswirkungen. Aber sind deswegen alle "Geistesformationen" unsere Schöpfungen? Das würde ich nicht sagen. Aber es mag sein, daß das dem entspricht was Buddhisten als "höchstes Ziel" spirituellen Erfahrens betrachten.
7 Wenn du nur der Suche nach Schönem lebst,
Und deine Sinnestore nicht bewachst,
Wenn du beim Essen nicht das richtige Maß kennst
Und träge bist und ohne rechtes Bemühen,
Dann wirst du von Mara (*6) entwurzelt werden,
So, wie der Wind einen schwachen Baum überwältigt.

8 Doch wenn du auch das Nicht-Schöne (*7) betrachtest,
Und deine Sinnestore recht bewachst,
Wenn du beim Essen Maß kennst
und zuversichtlich bist und voll rechten Bemühens,
Dann wird dich Mara niemals mehr bezwingen,
So, wie der Wind einen Felsenberg nicht überwältigt.

14 Wie durch ein recht gedecktes Dach,
Kein Regen in das Haus eindringen wird,
So überfluten keine Leidenschaften
Den wohlgepflegten Geist (*11)

Das wirkt auf mich dann tatsächlich auch so, als würde es da eben um eine Lehre gehen, die aus biblisch-christlicher Sicht "gesetzlich" wäre. Der christliche Weg verläuft jedoch über "Gnade" und direkten Wandel über eine viel wirksamere Änderung der geistigen Anbindung des Menschen. Das was ich da oben lese hat wohl mit menschlicher Disziplin zu tun, Selbstbeherrschung aus Übung. Das ist nach meinem Verständnis nicht der christliche Weg, wird aber durchaus von vielen Menschen, die sich selbst als Christen verstehen auch mehr oder weniger dafür gehalten.
12 Sieh das Wertlose als wertlos an,
Und das Wertvolle als wertvoll,
An solch rechtem Denken festhaltend
Erkennst du bald die Wirklichkeit.

Gut, und was wäre nun demnach "wertvoll"? :)

Agape
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Agape » Sa 15. Aug 2020, 15:43

Das was ich da oben lese hat wohl mit menschlicher Disziplin zu tun, Selbstbeherrschung aus Übung. Das ist nach meinem Verständnis nicht der christliche Weg, wird aber durchaus von vielen Menschen, die sich selbst als Christen verstehen auch mehr oder weniger dafür gehalten.


Ja, auf mich wirkt es eher dogmatisch und ich spüre darin wenig Freude. Aber es können wohl alle Religionen einerseits dogmatisch oder andererseits in innerer Freiheit verstanden und gelebt werden.

Gut, und was wäre nun demnach "wertvoll"? :)


Das würde mich auch interessieren, nach welchen Kriterien hier Wertvolles von Wertlosem unterschieden werden.
@Regentropfen: Gibt es hier auch Regeln, die solche Unterscheidungen vorgeben?
Zuletzt geändert von Agape am Sa 15. Aug 2020, 16:17, insgesamt 2-mal geändert.
"Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen"
http://jakobgut.de/erdnuss.htm

Agape
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Agape » Sa 15. Aug 2020, 16:05

Das was ich da oben lese hat wohl mit menschlicher Disziplin zu tun, Selbstbeherrschung aus Übung. Das ist nach meinem Verständnis nicht der christliche Weg, wird aber durchaus von vielen Menschen, die sich selbst als Christen verstehen auch mehr oder weniger dafür gehalten.


Meiner Ansicht nach hat jede Religion ihre dogmatischen und weniger dogmatischen Seiten und es ist die Entscheidung des einzelnen Menschen, welche Seite er gemäss seines Charakters mehr lebt. Es ist seine individuelle Einstellung dem Leben gegenüber, die sich auch hier zeigt.

Gut, und was wäre nun demnach "wertvoll"? :)


Das würde mich auch interessieren, nach welchen Kriterien Wertvolles von Wertlosem unterschieden wird. Gibt es Regeln, die so etwas festlegen?

--- Zitate in 2 Beiträgen repariert, Admin ---
"Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen"
http://jakobgut.de/erdnuss.htm

Marsianer
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Marsianer » So 16. Aug 2020, 10:49

Eine Antwort in zwei Versionen, ein wenig wie bei unterschiedlichen Bibelübertragungen. ;)
Agape hat geschrieben:Meiner Ansicht nach hat jede Religion ihre dogmatischen und weniger dogmatischen Seiten und es ist die Entscheidung des einzelnen Menschen, welche Seite er gemäss seines Charakters mehr lebt. Es ist seine individuelle Einstellung dem Leben gegenüber, die sich auch hier zeigt.

Hier geht es ja um einen Text. Er enthält bestimmte Aussagen. Vielleicht sind diese von einer religiösen Lehre, einigen darin enthaltenen Dogmen, also bestimmten grundsätzen Annahmen, angetrieben. Wer weiß.

Viele Menschen scheinen Religionen genrell mehr als etwas zu sehen, das indoktrinierend weiterverbreitet wird. Ich sehe den Kern von Religion eher darin selbst bestimmten spirituellen Ansichten zuzuneigen.

Agape
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Agape » So 16. Aug 2020, 11:46

Marsianer hat geschrieben:
Eine Antwort in zwei Versionen, ein wenig wie bei unterschiedlichen Bibelübertragungen. ;)

Hm. Ich habe das Zitieren hier noch nicht im Griff und ein Beitrag kann offenbar nachträglich auch nicht gelöscht werden. ;)

Marsianer hat geschrieben:
Viele Menschen scheinen Religionen genrell mehr als etwas zu sehen, das indoktrinierend weiterverbreitet wird. Ich sehe den Kern von Religion eher darin selbst bestimmten spirituellen Ansichten zuzuneigen.

Dass viele Menschen Religionen - wie von Dir zitiert - auffassen, ist auch ein Grund dafür, dass oft Kampf und sogar Kriege damit verbunden sind. Das ist sehr schade und ich würde mir wünschen, dass künftig Religionen in verbindendem Sinne und nicht in der Trennung gelebt werden.
"Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen"
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Regentropfen
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Regentropfen » So 16. Aug 2020, 13:05

Marsianer hat geschrieben:Da bin ich mir unsicher.

Beispielsweise wo Erfahrungen von Buddhisten denn wirklich spirituell-realistisch herauskommen, wenn sie Götter zugunsten eines "höheren Bewußtseins" hinter sich lassen.


Der Buddha hat sich meines Wissens nach gar nicht über Götter geäußert. Dem Buddha ging es darum, wie man mit dem Leiden in diesem Leben umgeht.

Das zeigt auch die Geschichte des Buddha mit dem Giftpfeil:

"„Der Erhabene hat nichts darüber gelehrt, ob die Welt ewig oder nicht ewig, begrenzt oder unbegrenzt ist, ob Seele und Leib ein und dasselbe oder verschiedenes sind, ob ein Vollendeter nach dem Tode lebt oder nicht lebt oder sowohl lebt als auch nicht lebt, ob er weder lebt, noch nicht lebt. Dass mir der Erhabene darüber nichts erklärt hat, das gefällt mir nicht und befriedigt mich nicht.“

Er beschloss also direkt zu Gautama Buddha zu gehen, ihm seine Unzufriedenheit mitzuteilen und ihn sogar zu befragen, ob er überhaupt in der Lage ist, diese schwierigen aber für ihn doch so wichtigen Fragen zu beantworten. Wenn er das nicht könne, solle er das offen zugeben.

Buddha fragte ihn bei dem anschließenden Treffen, ob er zu ihm bei seinem Eintritt denn folgendes zugesagt habe:

„Komm in die (Sangha) und führe den reinen Wandel (der Befreiung und Emanzipation) bei mir.“ Habe ich Dir dabei versprochen zu erklären, „ob die Welt ewig oder nicht ewig“ usw. ist?

Der ehrwürdige Schüler gab zu, dass es eine solche Zusage von Buddha nicht gegeben habe. Buddha fragte ihn, worüber er sich denn eigentlich beklagen würde. Er fügte hinzu:

„Wenn jemand sagte, er wolle solange nicht den reinen Wandel beim Erhabenen führen, bis dieser ihm über jene Fragen belehrte, so würde dieser sterben, bevor der Erhabene ihn darüber belehren könnte“. Und ob dies wirklich wolle. Buddha erklärte ihm dann das berühmte Gleichnis des vergifteten Pfeils:

„Nimm an ein Mensch sei von einem vergifteten Pfeil getroffen worden und seine Freunde und Verwandten holten einen tüchtigen Wundarzt. Der Verwundete sagte aber: "Nicht eher will ich den Pfeil herausziehen lassen, als bis ich weiß, ob der Mensch, der mich verwundet hat, ein Adliger oder ein Brahmane oder ein Bürger oder ein Schudra ist, wie er mit Vornamen und Familiennamen heißt, ob er groß oder klein oder von mittlerer Größe ist, ob seine Haut schwarz oder braun oder hell ist, aus welchem Dorf oder aus welcher Stadt er stammt, ob er einen Bogen oder eine Armbrust genutzt hat, woraus die Bogensehne besteht, welche Art der Pfeil ist“ usw.

Die weiteren Fragen des schwer Verwundeten betrafen die Federn des Pfeil: z. B. von einem Geier oder einem Reiher oder von einem Habicht oder einem Hahn oder einem anderen Vogel. Weiter ging es ihm um die Sehne: ob sie von einem Rind oder einem Büffel oder Hirsch oder einem anderen Tier stamme. Außerdem welche Pfeilspitze verwendet wurde und wie sie beschaffen sei.

„Dieser Mensch würde sterben, bevor er alles dies erfahren hätte. Ebenso würde jemand, der mit dem reinen Wandel warten wollte, bis er über jene Fragen belehrt worden wäre, sterben, bevor man ihn darüber belehren könnte.“

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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Regentropfen » So 16. Aug 2020, 13:33

Zu der Frage, ob alle Dinge im Geist entstehen: Ich denke, dass der Buddha ja irgendwo anfangen musste, um einen Zugangspunkt zu den "Normalbürgern" zu bekommen und diese es nachvollziehen können.

Meiner plumpen Zusammenfassung nach, ging es dem Buddha einfach um sowas wie "Schadensbegrenzung" der Menschen untereinander, wenn jemand nicht oder noch nicht an Gott glaubt? Kodo Sawaki, ein Zen-Meister sagte mal:" Im Westen heißt es, dass der Mensch des Menschen Wolf sei. Der erste Schritt unserer Religion muss darin bestehen, dass die Wölfe aufhören, aufeinander einzubeißen."

Wertvoll wäre demnach alles, was nicht des Fleisches und der Augen Lust wäre, wie auch in der Bibel beschrieben.

Das, was ich gestern gepostet habe, war auch erst das erste von 26 Kapiteln. ^^

Regentropfen
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Regentropfen » So 16. Aug 2020, 14:25

2.Die Achtsamkeit (*1)

21Achtsam ist der Weg zum Todlosen (*2)
Unachtsamkeit der weg zum Tod (*3).
Wer achtsam lebt, der stirbt nicht mehr (*4)
Doch der Unachtsame ist schon wie tot.

22 Erkenne dies ganz klar
Und verweile weise in voller Achtsamkeit,
Erfreue dich deiner Achtsamkeit,
so bist du glücklich auf dem edlen Pfad.

23 Unentwegt und mit großer Ausdauer
übe dich in der Vertiefung der Meditation (*5),
erreiche so das Nirwahn (*6),
Die Freiheit von allen Fesseln (8*).

24 Bemühe dich, sei achtsam,
Handle recht, wohlbedacht, selbstbezähmt,
Und lebe im Einklang mit der Lehre,
Dann wird dir Wertschätzung erwachsen.

25 Durch Bemühen und Achtsamkeit,
durch Sittlichkeit und Selbstbezähmung,
Schaffe dir selbst eine Insel,
Welche die Flut (*8)
nicht überwältigen kann.

(*1= Achtsamkeit, Bewusstheit, Wachsamkeit, Ernsthaftigkeit; Unachtsamkeit: Nachlässigkeit, Trägheit, Leichtsinn)

(*2= der "Nektar der Unsterblichkeit", das "Todlose")

(*3= zum ständig wiederkehrenden Tod in ständig wiederkehrenden Geburten)

(*4=der Achtsame verwirklicht nibbana und kehrt nach seinem Tod nicht mehr in diese Welt von Geburt und Tod zurück)

(*5= Vertiefung der Ruhe und Vertiefung der Einsicht)

(*6= Nibbana (Pali) bzw. Nirvana (Sanskrit), kommt wohl von ni + va : "nich wehen" oder "keinerlei Wind" und bezeichnet das restlose Erlöschen von Verlangen, Abneigung und Unwissenheit; aber auch die Ableitung von ni+vana: "kein Wahn" oder "kein Begehren" wird in den kommentaren häufig genannt - daher die deutsche Wortschöpfung "Nirwahn")

(*7=die vier Fesseln: Sinnlichkeitstrieb, Lebenstrieb, Verhaftung an Ansichten, Unwissenheit)

(*8= Flut der Leidenschaften)

26Wie leben sie so unachtsam,
all die unwissenden Toren,
doch du bewache deine Achtsamkeit
Als deinen kostbarsten Schatz.

27 Verliere dich nicht in Unachtsamkeit,
Und gib nicht dem Verlangen nach.
Lebe achtsam,
übe die Vertiefung der Meditation (*9),
Und entdecke so das wahre Glück.

28 Wenn der Weise durch Achtsamkeit
Die Unachtsamkeit überwunden hat,
So schaut er vom Turm der Weisheit,
wissend auf die unwissenden Toren,
Leidbefreit auf die Leiden der Wesen,
Wie vom Berggipfel auf die Menschen im Tal.

29 Achtsam unter Achtlosen
Wach, wo andere träumen,
Schnell wie ein Rennpferd,
Eilt er den anderen voraus.

30 Eben durch seine Achtsamkeit erreichte
Der Jüngling Maghava (*10) die Welt der Götter.
Wie wunderbar ist doch die Achtsamkeit,
und wie töricht ist es, unachtsam zu leben.

31 Der Mönch, der sich der Achtsamkeit erfreut
Und die Gefahren der Unachtsamkeit erkennt,
Er brennt alle Fesseln durch, ob groß, ob klein,
Wie ein alles verbrennendes Feuer.

32 Der Mönch, der sich der Achtsamkeit erfreut
Und die Gefahren der Unachtsamkeit erkennt,
er fällt nicht mehr zurück.
Und nahe ist er dem Nirwahn (*11).

(*9= Vertiefung der Ruhe und Vertiefung der Einsicht)

(*10= Die Legende von Maghava erzählt: Maghava nahm sieben ethische Regeln an und befolgte diese achtsam:
1. seine Eltern zu unterstützen,
2. seine Vorgesetzten zu respektieren
3. freundlich zu reden und niemanden zu verleumden,
4. frei von Habgier zu leben
5. Großzügigkeit und Offenherzigkeit auszuüben,
6. Die Wahrheit zu sprechen.
7. sich von seinem Ärger zu befreien)

(*11= nibbana: restloses Erlöschen von Verlangen, Abneigung, Unwissenheit)

Marsianer
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Marsianer » So 16. Aug 2020, 16:11

Regentropfen hat geschrieben:„Dieser Mensch würde sterben, bevor er alles dies erfahren hätte. Ebenso würde jemand, der mit dem reinen Wandel warten wollte, bis er über jene Fragen belehrt worden wäre, sterben, bevor man ihn darüber belehren könnte.“

Im Christentum kann man wohl eine ähnliche Fokussierung sehen. Aber ist Leiden wirklich auch gleich Sterben? Aber Interesse eines Menschen in fragwürdige Richtungen ist schon ein Faktor. Man kan sich dann fragen, woher das Interesse eigentlich kommt und wozu es letztlich dienen würde, wenn erkennbar dieses Interesse an Hauptbotschaften eines Weltbildes vorbeigeht. Laut Überlieferung soll Gautama an einer verdorbenen Speise gestorben sein, danach sei dies geschehen:
Bei Buddhas Tod, der gleichzeitig seinen Eintritt ins Nirvana bedeutet, klagen nicht nur seine menschlichen Schüler. Auch diverse Schutzgottheiten können sich vor Schmerz kaum fassen. Lediglich die edlen Bodhisattvas sind in der Lage, ihre Gefühle im Zaum zu halten.

https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Bild:Nehanzu.jpg

Die Frage wäre wenn also eher, was "Götter" aus buddhistischer Perspektive sind. Auch bei seiner Geburt erschienen laut Überlieferung Götter.

Marsianer
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Marsianer » So 16. Aug 2020, 16:38

Regentropfen hat geschrieben:Der erste Schritt unserer Religion muss darin bestehen, dass die Wölfe aufhören, aufeinander einzubeißen.

Das kann ich auch als sinnvollen ersten Ansatz auffassen. Insgesamt auch zu vermitteln, wodurch Leiden entsteht. Manche müßten vielleicht auch noch gewahrwerden, daß sie "als Buddhisten" lediglich mehr das Gebiß getauscht haben und nun mit "buddhistischer Überlegenheit" um sich beißen, sich anderen gegenüber erhoben wähnen, sich von ihnen als "wissender" mehr oder weniger absondern?
Wertvoll wäre demnach alles, was nicht des Fleisches und der Augen Lust wäre, wie auch in der Bibel beschrieben.

Nur ist die Frage, inwieweit die Erkenntnis Buddhas zu dem, was jenseits solchem Getriebensein stehen kann was jenseits dessen wie "wahr" sei, mit dem, das das eigentliche Christentum transportiert übereinstimmt.

Regentropfen
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Re: Dhammapada-Betrachtungen

Beitragvon Regentropfen » So 16. Aug 2020, 17:23

Marsianer hat geschrieben:Im Christentum kann man wohl eine ähnliche Fokussierung sehen. Aber ist Leiden wirklich auch gleich Sterben?


Ich habe es nicht so verstanden, dass Leiden sterben ist. Ich habe es eher so verstanden, dass jemand einfach so wie vorher weiterlebt (wenn er die Lehre nicht kennt und beispielsweise auch nicht an Gott glaubt) und dadurch Leiden erfährt, bis er schließlich irgendwann stirbt.


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