Posttraumatisches und postekstatisches Wachstum

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Marsianer
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Posttraumatisches und postekstatisches Wachstum

Beitragvon Marsianer » Mo 1. Jan 2024, 15:03

Umso erstaunlicher, dass es immer wieder Menschen wie Lance Armstrong gibt, die im Rückblick ihre schrecklichsten Erfahrungen nicht nur als Verlust, sondern auch als Bereicherung sehen. In den 1990er Jahren stießen mehrere Forscherteams unabhängig voneinander auf solche Berichte. Richard Tedeschi und Lawrence Calhoun, US-amerikanische Psychologen von der University of North Carolina at Charlotte, tauften das Phänomen damals »posttraumatisches Wachstum«. Menschen mit unterschiedlichsten Verlusterfahrungen glauben, dass sie durch die Auseinandersetzung mit dem Erlebten ein tieferes Verständnis von sich selbst und dem Leben im Ganzen gewonnen haben.

Bei diesen Erfahrungen handelt es sich nicht etwa um kleine Rückschläge, sondern um Erlebnisse, die so schwer wiegend sind, dass sie in der Psychologie als Trauma gelten. Zu den potenziell traumatischen Ereignissen gehören zum Beispiel gewaltsame Übergriffe, Vergewaltigungen, Entführungen, Geiselnahmen, Krieg oder Folter. Aber auch schwere Autounfälle, risikoreiche Geburten oder der Moment, in dem man von einer lebensbedrohlichen Diagnose erfährt, können traumatisch sein. Traumatische Ereignisse sind also solche, bei denen die körperliche oder die seelische Unversehrtheit bedroht ist. Gemeinsam haben sie, dass nahezu jeder Mensch währenddessen extreme Angst oder Verzweiflung empfinden würde. Doch nicht nur dann, wenn wir selbst in solche Situationen geraten, hinterlässt das Spuren. Auch das Miterleben von schwerer Gewalt gegenüber einer anderen Person oder die Nachricht vom Tod des eigenen Kindes oder einer sonstigen nahestehenden Person kann traumatisch sein.

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Dabei sind jene, die glauben, an ihrem Trauma gereift zu sein, selten frei von Symptomen. Schmerz und Reifung können nebeneinander existieren. »Interessanterweise berichten gerade diejenigen, die schwer erschüttert sind, später eher von posttraumatischem Wachstum«, sagt Judith Mangelsdorf, Professorin für Positive Psychologie an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport und Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie. »Die psychische Erschütterung ist eine Voraussetzung dafür. Offenbar muss das Weltbild der Betroffenen ausreichend ins Wanken geraten, damit sie ein neues und stabileres aufbauen können.«

Laut einer etablierten Theorie spielt die Erschütterung der Grundannahmen über sich und die Welt eine zentrale Rolle dabei, dass posttraumatisches Wachstum entstehen kann. Ein Beispiel dafür ist die Vorstellung, das Leben sei immer fair. Menschen, die Schlimmes erfahren haben, berichten anschließend häufig, fremdes Leid besser nachvollziehen zu können und nun mehr Empathie mit anderen zu haben. Teils sind es also gesunde, aber naive Vorstellungen, die dem Trauma zum Opfer fallen und womöglich Platz für eine differenziertere, vielleicht auch weisere Haltung zum Leben schaffen.

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Um allerdings die Frage beantworten zu können, ob ich heute beispielsweise tiefere Freundschaften habe als vor meinem Autounfall, muss ich mir nicht nur klarmachen, wie es jetzt um meine Beziehungen steht, sondern auch richtig einschätzen, wie sie vor dem Ereignis waren. Solche Selbsteinschätzungen auf Basis vager Erinnerungen sind fehleranfällig. »Das ist tatsächlich ein methodisches Problem. Wir können traumatische Ereignisse nicht vorhersehen und schon gar nicht im Labor herstellen, um die Betroffenen vorher und nachher zu untersuchen«, sagt Judith Mangelsdorf. Gemeinsam mit zwei Kollegen durchforstete sie daher die psychologische Forschung nach geeigneten Längsschnittstudien, für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Menschen zu anderen Zwecken über Jahre begleitet hatten. Die Teilnehmer dieser Längsschnittstudien sind natürlich nicht vor Schicksalsschlägen gefeit. Und so bergen solche Daten die Chance, den Zustand eines Menschen vor und nach einem solchen Ereignis zu vergleichen – sei es ein Autounfall, eine Krebserkrankung oder der Tod des Partners.

Das Ergebnis der ebenfalls 2019 erschienenen Metaanalyse: Nach einem einschneidenden Erlebnis egal welcher Art (siehe »Wachstum durch Glücksfälle«) hatten sich die Untersuchten in den Bereichen Selbstbewusstsein und positive Beziehungen teils stark verbessert. Ebenso hatte ihr Gefühl zugenommen, im eigenen Leben die Zügel in der Hand zu haben. »Der Effekt hielt oft noch Jahre nach dem Ereignis an«, erklärt Judith Mangelsdorf.

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Braucht es für Wachstum wirklich Leid? Oder kann man auch ohne Schicksalsschläge ein reifer Mensch werden? Dafür spricht eine 2019 erschienene Metaanalyse von 122 Längsschnittstudien, die die persönliche Entwicklung von fast 100 000 Menschen über Jahre erfasst haben. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass nicht nur Unglücke, sondern genauso auch große Glücksfälle das persönliche Wachstum anregen und zu einem höheren Selbstwertgefühl, engeren Beziehungen und einem Gefühl von Selbstbestimmung führen könnten. Überwältigend positive Lebensereignisse, etwa die eigene Berufung zu finden, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen, die große Liebe zu heiraten oder das erste Kind zu bekommen, lassen Menschen demnach in ähnlicher Weise reifen wie schwere Rückschläge. Analog zum posttraumatischen Wachstum heißt dieses Phänomen postekstatisches Wachstum. Um zu bestätigen, dass das Wachstum wirklich auf das jeweilige Lebensereignis zurückgeht und nicht auf allgemeine Einflüsse wie Alter und Lebenserfahrung, sind aber noch mehr Studien nötig – mit einer Vergleichsgruppe ohne einschneidende Erfahrungen im selben Zeitraum.

https://www.spektrum.de/news/was-sagt-die-forschung-zu-posttraumatischem-wachstum/2202398

Goldmädchen
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Re: Posttraumatisches und postekstatisches Wachstum

Beitragvon Goldmädchen » Mo 1. Jan 2024, 17:17

Das würde ich bestätigen, das posttraumatische Erlebnisse, die Einstellung zum Leben verändern, sie nehmen manchmal die Naivität weg.
Lassen mit anderen mehr mitfühlen, können einen selbstbewusster machen. Also so gesehen, ja, man kann durch Leiden seelisch wachsen.
Auf der anderen Seite, können solche Erlebnisse auch dazu führen, dass man misstrauischer wird Menschen gegenüber, oder man auf der anderen Seite auch sehr sensibel wird, zB wenn man Ungerechtigkeit sieht oder andere Wesen leiden sieht.
Im Grunde wird es so sein, dass man wohl sein Karma aus Vorexistenzen rein gewaschen bekommt. ( Wenn ich das aus der Sicht meiner Religion betrachte ).

Aber eine Hilfe sind solche Erlebnisse schon, denn Naivität oder Selbstgerechtgkeit bringt einen selten weit oder ist schwer vereinbar mit Weisheit.
Aber aus eigener Erfahrung kann ich auch sagen, dass traumatische Erlebnisse einen dennoch nicht so reinigen, dass man keine Geistesgifte mehr hat.
Es wäre nur wie eine Grund/ Bodenerneuerung, aber was auf dem Grund steht, das muss auch noch erneuert werden. Oder es wäre nur eine grobe Verfeinerung oder Säuberung.

Es stimmt auch, was in dem Artikel steht, das sehr schöne Erlebnisse einen auch verändern, die Einstellungen zu Vielem ändern können. Man mehr Lebensfreude bekommt. Aber die sind nur tempörär. Die Geistesgifte sind eben dennoch noch da ( bei den Meisten ), also man kann sich an anderen Tagen auch wieder sehr schlecht fühlen.
Es kann aber immer mal wieder Momente geben, wo man bestimmte Freuden wieder erlebt, die nur bestimmte Ereignisse/ Freuden einem geben können. Also sie sind dann manchmal auch wie ein Rettungsanker, sie müssen es aber nicht immer sein.

Trotzt viel Glück im Leben, kann ein Mensch sich unglücklich fühlen oder gerade sein Glück nicht sehen, da die dunklen Wolken ( seine Gedanken ) ihn es nicht sehen lassen und seine Gefühle beeinflusst. Also grob ja, grob können sehr schöne Erlebnisse und auch schreckliche Erlebnisse einen verändern, aber der Feinschliff muss meistens von selbst noch erfolgen, also das man sich anstrengt ( an sich arbeitet ).

Marsianer
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Re: Posttraumatisches und postekstatisches Wachstum

Beitragvon Marsianer » Mi 7. Feb 2024, 10:49

Jemand, der sich an einer Stelle mit posttraumatischem Wachstum aueinandersetzte:
1:46 Menschliche Selbstentzündungen könnten geschehen, wenn ein göttlicher Funke die Matrix verlässt? Vielleicht aus einem Trauma von anderen unbemerkte Arbeit geleistet, die soetwas ermögliche. Aus Traumata könne tiefere innere Erkundung geschehen, wodurch man in etwas, zu einem Loslassen, Aufgeben kommen könnte, wohin einen die Matrix eigentlich nicht gelangen lassen will.

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