Dualität

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Marsianer
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Dualität

Beitragvon Marsianer » Do 8. Aug 2024, 14:42

Kersti hat geschrieben:Schöpfung funktioniert immer wie ein Scherenschritt - indem du dein Bild aus dem schwarzen Papier ausschneidest hast du sozusagen immer Positiv und Negativ der Schöpfung. Was im Positiv weiß ist, ist im Negativ schwarz und umgekehrt.

Es ist aber durchaus kein Problem, Schöpfung so zu gestalten, daß Positiv und negativ beide schön sind. Niemand zwingt dich, eine der beiden Teilschöpfungen negativ zu bewerten und niemand zwingt dich Dinge zu erschaffen, in denen nur das Positiv funktioniert, das Negativ aber nicht.

[...]

Erst wenn du weiß gut nennst und schwarz böse, hast du mit dem zweiten Bild ein Problem.

https://www.kersti.de/VB154.HTM

Wie kommt Kersti darauf, daß Schöpfung grundsätzlich so funktioniere? Ist diese Ansicht wohl verbreitet unter solchen, die viel von "Dualität" (und ihrer Überwindung) reden?

Vielleicht wäre die Idee, zu Beginn stehe etwas Einheitliches. Wenn daraus etwas genommen werde (etwas geschaffen werde), dann würde es das im Anderen nicht mehr geben. Wenn das Beispiel Licht genommen würde, dann würde sattes weißes Licht aus ganz verschiedenen einzelnen Farbanteilen bestehen (charakterliche Tendenzen). Das könnte dann als so ähnlich betrachtet werden. Zumindest in einer vorausgesetzten Mangelordnung. In einer Ordnung von Fülle und Unbegrenztheit würde eine Seele einfach manche Anteile des satten Lichtes nicht aus sich lassen, nicht in sich "außerhalb ihrer Leuchte" wirken, solange sozusagen die Substanz oder Hülle der Seele selbst "farbig" sein würde wie ein farbiger Lampenschirm. "Dualität" könnte dann vielleicht im übertragenen Sinn sein Anteile im göttlichen Licht zurückzuweisen und daraus entsprechende Wirkungen in sich selbst zu erfahren (Werke des Fleisches).

Dort weiter:
Wenn ein Mensch eine Erfahrung macht, mit der er gerade nicht besonders gut klar kommt, ist ein solcher gut/böse-Schöpfungsvorgang häufig. Man nimmt die Dinge, mit denen man gut klargekommen ist und sagt sich "Ha! Ich habe was geleistet!", verdrängt die Dinge, mit denen man schlecht klargekommen ist (das Böse), verdrängt die seelischen Verletzungen, die daraus entstanden sind und vergißt, daß man das unerfreulich erscheinende je erlebt hat.

Das würde eine innere Verfasstheit sein. Sich nach einem Etwasleisten selbst zu betätigen würde an sich wohl "dualistisch" empfunden sein? Zumindest, wenn es wie heute in dieser Weltregion und z.B. auch typischer heilsferner Konsumsektenideologie so oft darum ginge, daß jemand sich daraus als "ich bin etwas wert" verstehen würde, meist weil der bestimmte Normen von außen erfüllen würde und sich dadurch u.a. dann auch berechtigt fühlen würde mehr andere zu unterdrücken, sich selbst aggressiv und gewalttätig zu verhalten.

Und etwas als "negativ" zu werten, was einem Menschen so in seinem aktuellen Zustand nicht gefiel ist ja auch nicht neu unter "positiven Leuten".

Ich würde sagen, das wäre eine ganz andere Sache als zu betrachten, daß es finsterere Seelenzustände gäbe (die dann böseres Wesen bedingen) und lichtere. Aber wieso würden dann "Dualismusüberwinder" sich dann so oft gerade auch daran abarbeiten, wenn es bei diesen Lehren vielleicht um eigentlich ganz anderes gehen würde?
Wenn man Dualität auf der Fluchebene betrachtet zeigt sich: Dualität setzt sich aus zwei Dingen zusammen, zum einen aus Entscheidungen, die zu einer Aufpaltung der Gruppenseele in verschiedene Anteile führen und zum zweiten darauf, daß man die Entscheidung des jeweils anderen Anteils nicht respektiert, sondern ihn in eine andere Richtung zu zerren versucht, indem man mit seinen eigenen Absichten bestimmte Ansatzpunkte in deren Willenskörper einhakt und die andere Seele in die selbst gewünschte Richtung zerrt. Daraus entstehen dann zunehmend mehr Verstrickungen.

Hm.
Es gibt auch oberhalb der Dualität Verführungen, dort wird jedoch anders vorgegangen als innerhalb der Dualität, wenn jemand Wesen von ihrem ureigensten Weg abbringen will.

Außerdem gibt es auch Bereiche der Fluchebene außerhalb der Dualität, in denen alle Absichten im gegenseitigen Einverständnis gefaßt werden.

Kurz zusammengefaßt ist die Dualität ein Bereich, in dem es rücksichtslose Täter und wehrlose Opfer gibt, während dergleichen außerhalb der Dualität nicht üblich und nicht ohne Weiteres möglich ist.

Trotzdem begannen die Probleme noch früher als Entscheidungen erfunden wurden und die ursprüngliche Verletzung liegt auf einer noch höheren Ebene, nämlich auf der Ebene der Urseelen.

Dann wäre "Dualität" hier wohl eine Art Zustand des Kampfes? Urseelen habe es laut Kersti bereits gegeben, bevor Entscheidungen erfunden worden seien? Das würde ich jetzt nicht unbedingt so sehen, wobei ich Entscheidungen nicht mit Zerwürfnis und Kämpfen gleichetzen würde. Solches Kämpfen wäre auch eher etwas im Bereich von Mangel?
Da die Wesen der Welt untereinander sehr verstrickt sind, können die meisten Wesen, die eine solche Welt bewohnen, nicht an dem Teil ihrer Persönlichen Signatur gelangen, der der Weltensignatur entspricht und den sie ändern müssen, um die Dualität zu verlassen. Stattdessen entwickeln sie eine Gegenabsicht, arbeiten also mit ihrer Willenskraft, um die Dualität zu verlassen, während ein anderer verdrängter Teil ihrer eigenen Willenskraft sie an die Dualität bindet.

Hm, ich ahne, daß da eine bestimmte Art von "Wollen" gemeint sein dürfte, die dann verallgemeinernd als "Wollen"/"Willenskraft" bezeichnet wird?

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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Do 8. Aug 2024, 23:25

1. Was ist real?

Nicht-Dualität versus Dualität

Advaita Vedanta: Real ist nur das eine Brahman/Atman, auch wenn es anders erscheint – als Universum, als Mensch, als Gott. Warum es anders erscheint, lässt sich logisch erklären.3

Christentum: Gott ist real und seine Schöpfung ebenfalls, beides ist ewig getrennt voneinander. Außerdem gibt es noch Satan, der auch real ist, der nicht unter Gottes Kontrolle steht und die Menschen zur Sünde verleitet.

https://advaitavedanta-sitara.de/advaita-vedanta-und-christentum
Zitate aus dem Link in Fußnote 3 hat geschrieben:Die gesamte wahrnehmbare Welt besteht gemäß dem Vedanta aus grobstofflicher (zum Beispiel Haus, Auto, Berg), feinstofflicher (zum Beispiel Gedanken oder Energie) oder feinst-stofflicher Materie (das Potential jeglicher Manifestation). All dies kommt uns entgegen als bunte Vielfalt, sich ständig verändernd, ständig entstehend und wieder vergehend. Und alles ist ganz offensichtlich da.

Aber es ist vielfältig, nicht eins. Es ist vergänglich, nicht ewig. Es hängt von anderem ab, ist in diesem Sinne nicht unabhängig/frei. Und alles durchdringend ist es auch nicht. Also kann es nicht zur Kategorie „absolut real“ (satya) gehören.

[...]

Ist die Welt eine Illusion? Nicht, wenn damit gemeint ist, sie sei irreal. Die Welt, so wie sie uns erscheint, ist mithya. Es handelt sich ganz einfach um eine unvollständige Wahrnehmung der Realität; die Welt ist etwas anderes als wir denken.

https://advaitavedanta-sitara.de/ist-die-welt-eine-illusion

Mit "real" wäre hier z.B. offenbar gemeint, daß etwas keinen Wandlungen unterliege. Nun ist Unvergänglichkeit aber im Christentum ja durchaus ein bedeutendes Thema?

"Und vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit Bildern vergänglicher Menschen, Vögel, vierfüßiger und kriechender Tiere." Röm 1,23
"Daß auch sie, die Schöpfung, von der Sklaverei der Vergänglichkeit befreit und in die Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes werden würde." Röm 8,21
"Denn wenn das Vergängliche schon im Glanz war, so ist noch vielmehr im Glanz das, so da bleibt. Weil wir nun solche Aussicht haben, sprechen wir uns mit aller Freimütigkeit aus, Und tun nicht wie Moses, der eine Decke vor sein Angesicht nahm, auf daß die Söhne Israels nicht das Ende des Vergänglichen anschauen sollten." 2. Kor 3,11-13

Beruht es vielleicht oft auf unzutreffenden Vorstellungen (u.a. auch solcher, die sich selbst als Christ verstehen, einmal verstanden) und Mißverständnissen, wenn "Nondualisten" gegenüber Christen meinen, sie seien unerleuchtete Dualisten? Das mit Vergänglichkeit als vermeintlichem Lehrunterschied überzeugt aus meiner Sicht zumindest schonmal nicht wirklich.

Ich würde dem noch anfügen, daß ich es für ein Irrtum halten würde, Veränderbarkeit grundsätzlich mit Vergänglichkeit gleichzusetzen. Unvergängliches ist nicht dem Wandel in der Art von Vergänglichem unterworfen, ist aus meiner Sicht aber fähig zu Veränderungen, jedoch nicht gezwungen zu ihnen aufgrund von Umständen, denen man ausgeliefert wäre. Ebenso würde ich Verschiedenheit micht grundsätzlich mit dieser an sie ausgelieferten Vergänglichkeit im Sinne einer Unausgleichgewichtigkeit und deren Folgen gleichsetzen.

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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Fr 9. Aug 2024, 10:09

Sukadev hat geschrieben:Niederschrift eines Podcasts (2014) von Sukadev

Heute geht es um eine wichtige Phase meines spirituellen Weges und auch meines Lehrens, nämlich die Ablehnung jeglicher Form von dualistischer Weltanschauung. Diese Phase hat recht lange gedauert. Auf eine gewisse Weise kann ich sagen, von https://www.yoga-vidya.de/kinderyoga/ Kindheit] an habe ich nie gedacht, dass es irgendjemanden gibt, der grundschlecht ist. Ich kann sogar sagen, ich war unfähig, einem Menschen längere Zeit böse zu sein, und das Gefühl des Hasses ist mir gänzlich unbekannt gewesen. Und ich habe auch nie einen Menschen gehabt, gegen den ich dauerhaft böse sein konnte. Irgendwo ist mir das von Kindheit an mitgegeben worden. Aber ich bin natürlich auch mit dualistischen Weltanschauungen konfrontiert worden, auch in verschiedener Hinsicht.

Zoroastrismus und Manichäismus

Im Yoga gibt es ja so eine Mischung. Einerseits gibt es die monistische Weltanschauung, aber dann wird manchmal doch von Devas und Asuras, von Engeln und Dämonen, gesprochen, so dass ich mich dadurch damit auseinandersetzen musste. Ich möchte aber hier gleich sagen, ich selbst lehne jede Form von dualistischer Weltanschauung ab. Wie ist eine dualistische Weltanschauung? Es gibt verschiedene Formen von dualistischer Weltanschauung. Die eine sagt, es gibt Gott, dieser bewirkt das Gute, und es gibt den Teufel, dieser bewirkt das Böse. Es gibt das dauerhaft Gute und das dauerhaft Böse und die beiden kämpfen gegeneinander. Die Weltgeschichte ist eine Geschichte des Kampfes von Gut gegen Böse. Das Böse muss dabei ausgemerzt werden. Und erst dann, wenn alles Böse ausgemerzt ist, dann gibt es ewigen Frieden. Diese Weltanschauung ist historisch entstanden aus dem Zoroastrismus, später der Manichäismus. Für jene, die sich damit etwas mehr auseinandersetzen wollen: Es ist noch gar nicht mal so alt, irgendwann im 6. Jahrhundert v.Chr. entstanden, und ich meine, diese Weltanschauung ist die Ursache vieler Kriege, vieler Auseinandersetzungen und insbesondere für vehemente Auseinandersetzungen, bis zur Ausmerzung des Gegners geführte Auseinandersetzungen und Kriege.

Ich habe festgestellt – und nicht nur ich, sondern es ist auch eine historische Tatsache und viele Historiker würden das inzwischen auch so sehen – es gibt niemanden, der sich als Diener des Bösen ansieht. Es gibt keinen Menschen, der sagt: „Ich diene bewusst dem Bösen.“ Oder: „Ich will dem Bösen dienen.“ Und selbst wenn es Satansverehrer gibt, dann werden sie sagen: „Und Satan ist nicht das Böse. Satan ist das Gute.“ Es gibt Fehlgeleitete, es gibt Menschen, die Schlimmes tun, aber es gibt niemanden, der bewusst Schlechtes tut, um das Schlechte zu bewirken. Das Böse als historische Kraft ist eine Illusion. Alle wollen das Gute entweder für sich oder für andere, meist für beides. Konflikte entstehen zwischen Menschen und Gruppen von Menschen, die alle das Gute wollen. Und diese Konflikte wären unlösbar, wenn der andere als böse angesehen wird. Konflikte werden auch unlösbar, wenn der andere als minderwertig angesehen wird. Dieses dualistische Weltbild muss überwunden werden.

In der heutigen Zeit oder auch in einer bestimmten Phase der spirituellen Entwicklung ist man zum Schluss gekommen, es das Böse in der Welt nicht gibt. Es gibt insbesondere nicht die Bösen, die besiegt werden müssen. Ich glaube, dem würden heutzutage die meisten zustimmen, vermutlich und hoffentlich alle, die diesen Text jetzt lesen. Es gibt immer noch Fanatiker, welche die andern für die Teufel halten. Man darf ja nicht vergessen, Luther hat den Papst als den Antichristen bezeichnet. Die Katholiken haben Luther als Werkzeug des Teufels angesehen. Das war dann die Grundlage, weshalb die Protestanten und Katholiken mit dieser Zerstörungswut versucht haben, sich gegenseitig auszurotten und auszumerzen, z.B. im Dreißigjährigen Krieg, in der Bartholomäusnacht und bei anderen Gelegenheiten. Das ist die Grundlage für diese Schlachterorgien, die die Christen in Palästina geführt haben während der Kreuzzüge. Das ist der Hintergrund, weshalb auch diese Ausrottungskriege von christlicher Seite gegen Heiden geführt wurden.

Auch von den Indianervölkern wurde beispielsweise immer gesagt, dass sie den Teufel verehren, weshalb sie gewaltsam bekehrt werden müssen. Heutzutage ist glücklicherweise, zumindest für die Mehrheit der Religionen und insbesondere für die Christen, die heute offiziell die Kirchen vertreten, diese Form von Verteufelung des Gegners aus der Mode gekommen. Und oft ist dann das Böse in die Psyche verlagert worden. Man sagt also nicht mehr, es gibt die Dämonen außerhalb von uns, die bekämpft werden müssen, sondern die Dämonen sind in uns. Wir haben Engel und Dämonen. Engel wären Liebe, Freundlichkeit, Geduld, Aufopferung, Hingabe usw. Das gilt alles als gut. Dann gibt es das Schlechte: Ärger, Angst, Eifersucht, Gier, Neid und diese sind schlecht. Gut ist, wenn wir außerdem den Wunsch haben, Gutes zu tun. Schlecht ist dann Aggression, schlecht sind Süchte usw.

Dualismus

Und dann kommt aus diesem Dualismus, dass das Gute gefördert werden und das Schlechte besiegt werden muss. Auch diese Form der dualistischen Weltanschauung, man könnte auch sagen, der dualistischen Anschauung der Psyche, ist problematisch. Man kann sagen, die Ausrottung des Schlechten und die Förderung des Guten funktioniert für manche, und manche mögen damit sogar zur höchsten Verwirklichung kommen, für die Mehrheit funktioniert es nicht und insbesondere nicht dauerhaft. Es ist ein ständiger Kampf, der noch dazu verbunden ist mit den Gefühlen Sünde und Schuld. Und wenn man den Kampf in sich zu gewinnen scheint, tritt es in Form der anderen entgegen. Auch dieser Kampf gegen bestimmte Teile in sich führt zum Hass in der Welt. Menschen hassen in anderen, was sie in sich nicht zulassen können. Und oft genug entsteht durch den Kampf eine Schattenseite, die auf andere Weise in das Leben tritt.

Für die ganz große Mehrheit der Menschen ist die Bekämpfung des Schlechten nicht der Weg, das Gute zu erreichen, und es ist auch nicht der Weg zu Gelassenheit. Im Gegenteil, Kampf gegen etwas führt nur zu mehr Kampf. So ist in mir die Erkenntnis immer stärker geworden, ein dualistisches Weltbild muss in jeglicher Hinsicht überwunden werden. Wie ich oben schon gesagt hatte, das dualistische Weltbild ist historisch gar nicht so alt. Die älteren Religionen legten auf die Bekämpfung des Bösen wenig wert. Das findet man sowohl in den indischen wie auch in den chinesischen Schriften, auch im Judentum war in den älteren Teilen von Satan und Dämonen gar nicht so sehr die Rede, und selbst wenn da mal Satan und Dämonen aufgeführt wurden, war das nicht so absolut und auch nicht das dauerhaft Böse. Erst der Zoroastrismus und der Manichäismus des 6. Jahrhunderts v.Chr. machten daraus den Kampf des ewig Guten mit dem ewig Bösen.

Diese breiteten sich dann aus im Christentum und Islam. Und besonders in der christlichen Spiritualität war der Kampf gegen das Teuflische, das Satanische ein Hauptthema. Wie gesagt, dieser Kampf ist dauerhaft nicht von der Mehrheit zu gewinnen. Und aus diesem Dualismus hat vermutlich das Christentum den Religionskrieg im großen Stil erfunden, obgleich das Christentum vom Religionsstifter her, von Jesus Christus her, zu den friedlichsten Religionen gehört. Aber es war der Kampf für die Rettung der Seelen von allen. Die müssen gewaltsam bekämpft werden und bekehrt werden, damit sie eben nicht dem Teufel zum Opfer fallen und dann nicht in die ewige Verdammnis gesteckt werden. So haben sich die Christen, auch wenn sie schlimmste Sachen gemacht haben, als Diener Gottes angesehen.

Diese Vorstellung, dass Menschen oder eine Gruppe von Menschen des Teufels sind und deshalb bekämpft werden müssen, sind zum Teil auch in den nachchristlichen, von Christen abgeleiteten Kulturen geblieben. Man kann sagen, die Nazis haben das übernommen: „Die Juden sind an allem Schuld, und es gibt minderwertiges Leben.“ Später die Kapitalisten gegen die bösen Kommunisten. Die Kommunisten gegen die Kapitalisten. Und auch in jüngerer Zeit gab es amerikanische Präsidenten, die von dem Reich des Bösen gesprochen haben und der Achse des Bösen. All das führt zu wenig Gutem, all das führt zu Problemen.

Das Gute manifestiert sich ungeschickt

Meine Behauptung ist, es gibt nur das Gute, aber das Gute kann sich auf ungeschickte Weise so manifestieren, dass Leid entsteht. Kein Mensch will wirklich das Böse. Keine Gruppe von Menschen will das Böse. Es gibt keine negative Kraft, die versucht, Menschen zu beeinflussen. Es gibt keine Dämonen, die sich irgendwo inkarnieren, um Schlimmes zu bewirken. Du kannst selbst überlegen: Glaubst du vielleicht doch an das Böse? Denkst du, es gibt so was wie eine böse Kraft, gegen die du ankämpfen musst? Denkst du, es gibt negative Kräfte, die dich beeinflussen? Denkst du, es gibt böse Menschen? Denkst du, es gibt Gruppen von Menschen, die böse sind? Bewusst oder unbewusst, vielleicht ist das in dir. Dann kannst du mal überlegen: Stimmt das wirklich? Du kannst mal analysieren, wenn du die Gruppe, die du vielleicht als böse erlebst, genau betrachtest: Meint sie es wirklich böse oder, von ihrem Standpunkt aus, meint sie das gut?

Ich leugne nicht, dass es Verbrechen gibt. Es gibt große Verbrechen und die Nazis sind ein großes Beispiel dafür. Es gibt Menschen, die andere quälen. Es gibt auch heute, auch in unseren Breiten, Kindesmisshandlung, es gibt Vergewaltigung, es gibt Mord, es gibt Totschlag, es gibt Folter usw. All das gibt es. Aber meine Behauptung ist, obgleich die Menschen Schlimmes tun, sie meinen es nicht böse. Auch wenn jemand aus Rache Schlimmes tut, man kann sagen, er meint es böse, aber er will eigentlich Gerechtigkeit herstellen. Von seinem Standpunkt aus tut er oder sie das Gute. In diesem Sinne möchte ich dich ermutigen, dir bewusst zu machen, falls es irgendjemanden gibt, von dem du annimmst, er ist böse, versuche mal, dich in ihn hineinzuversetzen, und versuche zu überlegen, ob er vielleicht von seinem Standpunkt aus vielleicht doch das Gute will. Versuche es zu verstehen.

Verstehen heißt nicht, alles verzeihen. Verstehen heißt auch nicht, dich nicht für das Gute zu engagieren. Wie gesagt, es mag Menschen geben, die Schlimmes tun, auch wenn sie von ihrem Standpunkt aus meinen, sie hätten das tun müssen. Und sie müssen vielleicht weggesperrt werden, man muss versuchen, ihnen zu helfen, darüber hinauszuwachsen. Man muss manchmal Menschen davon abhalten, Schlimmes zu tun. Aber wir müssen keinen Menschen hassen, wir müssen niemanden bekämpfen. Und wir müssen uns auch selbst nicht bekämpfen.

https://wiki.yoga-vidya.de/Dualit%C3%A4t

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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Fr 9. Aug 2024, 11:53

Ein Ansatz zur Definition von "Dualität" laut Kersti wäre also offenbar Entscheidungen anderer nicht zu respektieren. Sukadev Bretz empfand das in seiner Darstellung früherer in ihm wirkender Impulse teils wohl recht ähnlich, wobei soeine Eigenschaft wie seit einer Weile verbreitet wieder einmal speziell dem Christentum zugeschrieben wird, wobei das fast schon wirkt als entspreche es dieser Dualität praktisch selbst, deren gedanklich er für eine Verhältnisse auf mich erstraunlich zerfahren wirkende Ablehnung in seinem Vortrag formulierte.

Das liegt aus meiner Sicht naheliegenderweie oft daran, daß die Menschen sich auf Mitmenschen beziehen, die sich selbst als Christen darstellen, aber nach biblischen Maßstäben doch eher aus Sünde herstammenden sektiererischen/konfessionellen Lehren und Verhaltensweisen zuzuschlagen sein dürften. Die biblische Einordnung von Sekten/Konfessionen als aus Sünde, als "Werk des Fleisches", dessen Wirkung ich wie woanders schon dargestellt auch stark auf Beziehungsebene verstehe, ist dann auch vielleicht dem Anliegen auch noch recht verwandt, das diesen Teile von Kritik an "Dualismus" entspräche.

Und es ist doch auch nicht so, daß das Christentum als solches bestimmte Seelen als unwandelbar böse betrachtet? Weswegen thematisierte Jesus Christus denn Feindesliebe? Nicht genau deswegen? Weil Finsternis nicht Finsternis zu erleuchten vermag? Manche Spezialdeutungen wie im Kalvinismus mögen da aber konzeptionell etwas ausscheren und damit auch bei Ansichten zu freiem Willensspielraum von Seelen. Insofern wäre die Unterstellung, das Christentum vertrete in solcher Hinsicht wie oben Dualismus, ein großes Mißverständnis?

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Re: Dualität

Beitragvon Agape » Fr 9. Aug 2024, 15:18

Marsianer hat geschrieben:
Meine Behauptung ist, es gibt nur das Gute, aber das Gute kann sich auf ungeschickte Weise so manifestieren, dass Leid entsteht. Kein Mensch will wirklich das Böse.

Wenn unter dem Guten „aus Liebe (Gott/reinem Licht/innerer Lebendigkeit) hervorgehend“ - und unter dem Bösen „der Liebe fern sein“ verstanden würde, dann wäre „Böses wollen“ vielleicht mit einem inneren Zustand zu vergleichen, welcher kaum Zugang zur Liebe hätte und deshalb mehr oder weniger „blind“ wollen würde, wozu ihn seine teils eher tierisch/instinkthaft orientierte menschliche Natur antriebe. Wohl eine Natur, welche bis zu einem gewissen Grad noch von Trieben und Affekten gesteuert wäre.

Denkst du, es gibt böse Menschen? Denkst du, es gibt Gruppen von Menschen, die böse sind?

Vielleicht gibt es zumindest Menschen, für welche diese Bezeichnung (Mensch) noch nicht ganz zutreffend wäre, weil sie öfters noch nicht „wissen, was sie tun“?

Aber wir müssen keinen Menschen hassen, wir müssen niemanden bekämpfen. Und wir müssen uns auch selbst nicht bekämpfen.

Nein, das müssen wir nicht. Aber vielleicht wollen wir uns immer mehr „zur Liebe hin“ gestalten. Und solche Liebe würde möglicherweise in uns auch den Wunsch erwecken, andere Menschen miteinzubeziehen, um in ihnen durch unser Sein etwas mehr Licht anzuregen - vorausgesetzt, sie wären in ihren Herzen offen dafür.
"Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen"
http://jakobgut.de/erdnuss.htm

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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Fr 9. Aug 2024, 17:01

Agape hat geschrieben:Wenn unter dem Guten „aus Liebe (Gott/reinem Licht/innerer Lebendigkeit) hervorgehend“

Wohl nicht, wenn er z.B. auch dies schrieb?
Es gibt Menschen, die andere quälen. Es gibt auch heute, auch in unseren Breiten, Kindesmisshandlung, es gibt Vergewaltigung, es gibt Mord, es gibt Totschlag, es gibt Folter usw. All das gibt es. Aber meine Behauptung ist, obgleich die Menschen Schlimmes tun, sie meinen es nicht böse.

Er bezieht sich vielleicht auf solche Abziehbilder von "Bösewichten" wie sie in Filmen, gerade in schon etwas älteren, gar nicht so selten vorkommen? Die dann anderen sagen "komm auf die dunkle Seite der Macht". Wobei tatsächlich jede Seite sich selbst wohl zumindest als "gut" darzustellen versuchen würde. Aber für Drehbuchschreiber sind solche Klischee-Feindbilder wohl viel einfacher zu handhaben, wenn auch niemand auf die diesbezügliche Qualität schaut, wie heute wohl noch etwas mehr, wo Vielschichtigkeit mehr geschätzt wird, zumindest in mehr Zusammenhängen auch wenn in den letzten Jahren ja ganz üble Plumppropaganda auch wieder im politmedialen Komplex breit gefördert wird.
tierisch/instinkthaft orientierte menschliche Natur antriebe. Wohl eine Natur, welche bis zu einem gewissen Grad noch von Trieben und Affekten gesteuert wäre.

Er scheint mir zu meinen, alles wozu sich jemand hingezogen fühlt, könne nicht in diesem absoluten Sinn "böse" sein? Selbst wenn jemand andere quält, sadistisch empfindet, sich durch Macht über andere erhoben fühlt und vielleicht davon diese zu unterdrücken und mit Mitteln entsprechender Not gehorsam zu halten, zu brechen, zu foltern, eng zu gängeln?

Aber so gesehen, würde er wohl selbst im extremen Zerrbild eines Teufels nicht das absolut Böse sehen, auch da sagen, derjenige meine es nicht böse? Vielleicht schon, weil dieser Lust dabei verspüren würde "böse zu sein"?
Vielleicht gibt es zumindest Menschen, für welche diese Bezeichnung (Mensch) noch nicht ganz zutreffend wäre, weil sie öfters noch nicht „wissen, was sie tun“?

Was würde "Mensch" dann abweichend von einer biologischen Artzugehörigkeit bedeuten? Sofern das hier noch genug mit dem Thema zu tun hätte.

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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Sa 10. Aug 2024, 00:10

Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Tamas
Tamas ist das, was nach unten bringt. Tamas ist das, was dich grob macht. Tamas ist das, was dich in der Unwissenheit hält. Als spiritueller Aspirant versuchst du, weniger tamasig zu sein, dein Sattva zu erhöhen. Zunächst gilt es, Tamas, die Trägheit, die Dumpfheit und die Verblendung, zu überwinden, eventuell durch mehr Rajas, durch Aktivität, indem du dir Ziele setzt, indem du aktiv wirst, indem du einiges tust.

Dann gilt es aber auch, auch über diese Aktivität hinauszuwachsen, zu Sattva zu kommen, zur Reinheit, zur Helligkeit, zur Offenheit. Es hilft manchmal, dir bewusst zu sein: „Ah, da ist Tamas“. Anstatt zu sagen, „mir geht es so schlecht und ich bin total kaputt“, kannst du sagen: „Ah, Tamas überwiegt gerade in meinem Prana. Ah, ich erlebe gerade einen tamasigen Gemütszustand. Ah, der Energielevel ist tamasig, vermutlich werde ich auch Dinge nicht klar sehen und deshalb ist auch das tamasig.“ Daher gilt es, dich nicht damit zu identifizieren. Wenn du sagst, „mir geht es so schlecht, ich bin so kaputt“, dann bist du es, dann wird es schwierig, dort herauszukommen.

Wenn du aber sagst, „Gemütszustand ist in Tamas“ oder „Energiezustand ist in Tamas“, dann kannst du da auch herauskommen. Da gilt es, den Energiezustand zu ändern, Gemütszustand zu ändern. Dann weißt du: „Ich bin nicht Tamas, ich bin in einem Gemütszustand, Gemütszustand ist änderbar.“ So also, das Konzept von Sattva, Rajas und Tamas hilft, dich weniger zu identifizieren, hilft, mehr zum Raja zu werden, zu jemandem, der nicht zum Sklaven seiner Stimmungen wird, sondern derjenige, der erkennt und letztlich auch gestalten kann. So wirst du zu jemandem, der Swaraja ist, sich selbst beherrschen kann, sich selbst steuern kann. Also, Tamas – Dunkelheit, Trägheit, Verblendung, Dumpfheit, etwas, was man als spiritueller Aspirant überwinden kann und sollte.

[...]

Es ist gut, wenn wir uns in diesem Leben um Sattwa bemühen. Uns in diesem Leben um Sattwa zu bemühen, hat sowohl einen sofortigen Effekt: Wir spüren eine wunderbare Wirkung auf Körper, Seele und Geist, z.B. wenn wir uns von Vollkornprodukten ernähren, von Obst und Gemüse, wenn wir auf unsere Kleidung achten, wenn wir Asanas und Pranayama sowie Meditation üben, wenn wir positive Beziehungen pflegen usw. Dann sind wir Licht durchflutet und haben viel Prana, um schon in diesem Leben dem Höchsten näher zu kommen oder es zu verwirklichen.

- Abschnitt aus dem Buch: Yoga der drei Energien von James Swartz -
Einem tamasigen Geist fehlt es an Subtilität. Er sieht das Leben in Schwarz und Weiß. Er ist zu unsicher, um auch mal falsch zu liegen, also liegt er immer „richtig“. Er schätzt die Vielfalt nicht, deshalb findet er eine einzige Ursache für jedes Problem: die Regierung, die Wirtschaft, Zucker, Religion, Einwanderung, Verschwörung, Minderheiten und was nicht alles. Er braucht einen Bösewicht. Es gibt eine einzige Antwort für alles: Jesus, Veganismus, niedrigere Steuern, kostenlose Gesundheitsversorgung, eine Mauer an der Grenze, etc.

https://wiki.yoga-vidya.de/Tamas

- Abschnitt aus dem Buch: Yoga der drei Energien von James Swartz -
Rajas erschafft Zeit und Dualität

Während sattva ein Gefühl des zeitlosen Friedens erzeugt, weil es den zeitlosen Frieden der Existenz widerspiegelt, schafft rajas Zeit in Form von Begehren und Angst. Unsere Vorlieben und Abneigungen erzeugen ein künstliches Gefühl der Trennung von der Welt, das sich als Gefühl von „Zeit“ manifestiert. Wenn man sich die Idee der „Zeit“ rational anschaut, sieht man, dass sie nicht objektiv existiert, außer als Konzept, um das Leben in der transaktionalen Realität effizienter zu gestalten. Die transaktionale Realität ist die objektive Welt, die nach strengen Gesetzen arbeitet, die sich in Form von Zeit ausdrücken lassen. Obwohl der Körper des jīva in der objektiven Dimension existiert und ihren Gesetzen unterliegt, wird sein Geist von Begehren und Angst beeinflusst, die ein subjektives Zeitgefühl erzeugen. Wenn seine Wünsche erfüllt werden, fliegt die Zeit dahin; wenn nicht, lastet die Zeit schwer auf ihm.

Hier, zur Illustration, ein kleines Beispiel: Du gehst nicht gerne einkaufen, aber du musst. Es ist dein freier Tag und du freust dich darauf, deine Freunde am Strand zu treffen. Du hältst an einem belebten Supermarkt auf dem Weg dorthin, um ein paar Dinge für den Strand zu besorgen: Sonnencreme, einen Hut, Bier und Sandwiches. Da steht eine füllige Dame mit einem großen Einkaufswagen in der Mitte des Ganges und spricht mit einem Angestellten. Es ist schwer, an ihr vorbeizukommen. Es ärgert dich, dass sie so rücksichtslos ist und dass du sie bitten musst, zur Seite zu gehen. Du siehst dich selbst als eine rücksichtsvolle Person und magst dich dafür. Du denkst, sie sollte wissen was sich gehört und etwas höflicher sein. Du kommst zum Brotregal, aber die Hot Dog-Brötchen wurden woanders einsortiert. Es ist ein großer Laden und kein Angestellter ist weit und breit zu sehen. Die Preise sind gehoben, also erwartest du, dass der Laden über ausreichend Angestellte verfügt, um dich zu bedienen.

Dann erinnerst du dich, dass die füllige Dame mit einem Angestellten gesprochen hat, also gehst du zurück, wo du hergekommen bist, aber die füllige Dame ist weg und der Angestellte ist weit und breit nicht zu sehen. Dein Ärger nimmt zu. Nachdem du viele Gänge durchquert hast, findest du endlich die Brötchen neben den Hot Dogs. Aber deine bevorzugte Bio-Marke ist nicht auf Lager. Du lebst gesundheitsbewusst, also musst du die anderen Marken prüfen, um zu sehen, ob sie frei von Chemikalien, Zucker und so weiter sind. Es braucht Zeit. Also noch mehr Frust.

Dein Einkauf scheint kein Ende zu nehmen, obwohl du erst fünf Minuten im Geschäft warst. Nach weiteren selbst auferlegten Demütigungen und endlich an der Kasse angelangt gibt es eine lange Schlange. Die Schicht des Kassierers ist gerade zu Ende, sodass die Schlange sich nicht weiterbewegt. Du hast das Gefühl, eine halbe Ewigkeit im Laden verbracht zu haben.

Durch rajas hat das Ego das Bedürfnis zu planen. Pläne sind Fantasien, denn was kommen wird, wurde bereits von Īśvara, dem Kausalkörper, verfügt. Die Schöpfung ist eine riesige Maschine und Īśvara kann es sich nicht leisten, bis zur letzten Minute zu warten, um sich zu entscheiden, welche der vielen möglichen Ergebnisse sich in einer gegebenen Situation manifestieren sollen, also hat er das Ganze von Anfang an durchdacht, baute seinen allmächtigen Willen auf, ließ die ganze Schöpfung mit einem Knall zum Leben erwachen und lehnte sich zurück, um das Schauspiel zu betrachten.

Transzendentale Langeweile lastet schwer auf Īśvara, also braucht er Unterhaltung. Obwohl der jīva ein Mini-Īśvara-Klon ist, ist er nicht allwissend, also weiß er im Gegensatz zu Īśvara nicht, was passieren wird. Er weiß, dass etwas passieren wird und er hat seine Wünsche, also fantasiert er. Ein weiteres Beispiel: Du bist ein Entertainer und planst eine Veranstaltung. Viele Leute werden dort sein. Es ist deine Chance, zu glänzen, also fängst du an, von all den Möglichkeiten zu träumen, wie du den Event erleben möchtest. Die Tatsache, dass du viel in deine Pläne investiert hast, bedeutet auch, dass du die Möglichkeit des Scheiterns eingeladen hast, weil die Dinge nie genau wie geplant laufen. Oder sie laufen allgemein so ab, wie du es dir vorstellst, aber rajas macht dich so empfindlich und eitel, dass schon eine kleine Störung das Ganze für dich ruinieren kann. Zum Beispiel könnte dein Kostüm dem Auftritt nicht standhalten und das Publikum bekommt unerwartet deine Geschlechtsteile zu sehen. Wie peinlich, diese Schande! Aber das Publikum ist sehr erfreut, denn dein Gesang und dein Tanz sind etwas leblos, weil du unklugerweise die Nacht davor durchgefeiert hast. Getrieben von deinem Wunsch nach Wertschätzung und Anerkennung hattest du dir enthusiastischen, huldvollen Applaus erhofft, aber sie applaudierten aus dem falschen Grund und du hast dich selbst zum Narren gemacht.

Nun, eigentlich hast du das nicht wirklich; Īśvara hat es so eingerichtet, um sich selbst zu unterhalten. Īśvara muss sich auch um die Resultate aus den Bedürfnissen des Publikums kümmern, unterhalten zu werden. Sie haben fünfzig Dollar ausgegeben, schleppten ihre armseligen Gestalten zum Veranstaltungsort und müssen für ihr Geld zufrieden gestellt werden. Sie wären zufrieden gewesen, wenn deine Leistung ansprechend gewesen wäre, aber das war sie nicht. Īśvara wollte sie nicht enttäuschen, denn die Bedürfnisse des Ganzen stehen an erster Stelle! Also hat er die Fehlfunktion deines Kostüms für ein paar Lacher eingebaut. Tatsächlich filmte auch noch jemand mit seinem Smartphone die Szene und veröffentlichte sie im Internet, wo sie sich rasend schnell verbreitete. Du wolltest zwar Ruhm, aber nicht diese Art von Ruhm. Danach schmunzelten die Leute, wenn du in einen Raum kamst, aber sie schmunzelten nicht aus dem richtigen Grund. Armes, armes Ego. Wenn du deine Pläne machst, ohne zu wissen, dass Īśvara der Geber der Resultate ist, musst du auf Enttäuschungen gefasst sein. Irgendwie weißt du das vielleicht auch, deshalb versuchst du dir alle Eventualitäten vorzustellen, was zu noch mehr Wünschen, Vorausplanung und Handeln führt. Du kommst an kein Ende in deinem Wunsch, dass sich die Dinge so entwickeln, wie du sie dir vorstellst.

Bevor wir das nächste Thema aufgreifen und dir weitere Aufklärung zum Thema rajas ersparen, folgt hier eine mehr oder weniger vollständige, manche würden sagen deprimierende Liste von rajasigen Qualitäten, obwohl es wahrscheinlich besser ist, sie als eine hilfreiche Warnung zu betrachten. Da rajas, gepaart mit seinem tamasigen Zwilling, der Fluch unserer Zeit ist und scheinbar niemand dagegen immun ist, könnte es helfen, es in einem religiösen Gesang zu besingen:

„Om. Gegrüßt sei rajas! Rajas verursacht tamas. Rajas zwingt zum Handeln. Rajas verzerrt die Wahrnehmung. Rajas erschwert die Verinnerlichung. Rajas verursacht Anhaftung. Es macht mich bedürftig und abhängig. Es macht mich gierig. Rajas macht mich starrköpfig. Ra⁠jas projiziert. Projektion verhindert den Erfolg. Rajas verursacht Verwirrung. Es gibt mir das Gefühl, manchmal groß und manchmal klein zu sein. Rajas verursacht Angst. Es verursacht Zorn und Wut. Es macht mich impulsiv und stört meine Unterscheidungsfähigkeit. Es verleitet mich, Abkürzungen zu nehmen. Es macht mich manipulativ. Es lässt mich zur Lüge greifen. Rajas verursacht Stress. Es gibt mir das Gefühl, überwältigt zu sein. Rajas verursacht Langeweile. Es bringt mich dazu, immer neue Dinge zu wollen. Rajas bringt mich dazu, meine Kräfte zu vergeuden, indem es mich handeln lässt nur um des Handelns willen. Es lässt mich mit den Beinen zappeln. Rajas lässt mich zanken und streiten. Es macht mich geizig und begehrlich. Rajas macht mich eifersüchtig. Es macht mich neidisch und wetteifernd. Es verursacht Hass. O rajas, mein Meister, welche deiner Todsünden habe ich vergessen? Om śānti.“

https://wiki.yoga-vidya.de/Rajas

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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Sa 10. Aug 2024, 08:01

Wir spüren eine wunderbare Wirkung auf Körper, Seele und Geist, z.B. wenn wir uns von Vollkornprodukten ernähren, von Obst und Gemüse, wenn wir auf unsere Kleidung achten, wenn wir Asanas und Pranayama sowie Meditation üben, wenn wir positive Beziehungen pflegen

Könnte vielleicht gesagt werden, dies nicht zu tun sei böse/negativ? Und dazu werden hier ja offenbar auch allgemeingültige Naturgesetzmäßigkeiten in der Welt angenommen? Wenn ich mir dieses Artikelbild dort ansehe wohl schon.

https://wiki.yoga-vidya.de/Yamas

Zum langen Beispiel in "Rajas erschafft Zeit und Dualität" habe ich nun eine Weile nachgedacht, wie ich das auf mich eventuell passend beziehen könnte. So wie es da steht, wäre es wohl weniger meine Art. Mir fiel aber ein, daß es mich z.B. derzeit immer wieder ärgerte, daß da wo ich war ab und an Spinnen ihre Netze dort gesetzt hatten, wo ich öfters hingreife. Am oberen Rand von Wachbecken, bei Griffen und so weiter.

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Re: Dualität

Beitragvon Agape » Sa 10. Aug 2024, 13:39

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Wenn unter dem Guten „aus Liebe (Gott/reinem Licht/innerer Lebendigkeit) hervorgehend“

Wohl nicht, wenn er z.B. auch dies schrieb?

Eben. Deshalb versuchte ich aufzuzeigen, weshalb ein Mensch nach seinem Ermessen möglicherweise Gutes tun wollte, jedoch Böses daraus hervorgehen würde.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:tierisch/instinkthaft orientierte menschliche Natur antriebe. Wohl eine Natur, welche bis zu einem gewissen Grad noch von Trieben und Affekten gesteuert wäre.

Aber so gesehen, würde er wohl selbst im extremen Zerrbild eines Teufels nicht das absolut Böse sehen, auch da sagen, derjenige meine es nicht böse? Vielleicht schon, weil dieser Lust dabei verspüren würde "böse zu sein"?

Es fällt mir schwer, dies nachzuvollziehen und weiss es mir zurzeit nicht anders zu erklären, als „fern von Gutem" (Liebe aus Gott hervorgehend) zu sein.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Vielleicht gibt es zumindest Menschen, für welche diese Bezeichnung (Mensch) noch nicht ganz zutreffend wäre, weil sie öfters noch nicht „wissen, was sie tun“?

Was würde "Mensch" dann abweichend von einer biologischen Artzugehörigkeit bedeuten? Sofern das hier noch genug mit dem Thema zu tun hätte.

Letztendlich wieder so zu sein/werden, wie es in der Absicht des Schöpfers lag, als er den Menschen „als sein Ebenbild“ erschuf.

Marsianer hat geschrieben:
"Dann gilt es aber auch, auch über diese Aktivität hinauszuwachsen, zu Sattva zu kommen, zur Reinheit, zur Helligkeit, zur Offenheit.

„Ah, Tamas überwiegt gerade in meinem Prana. Ah, ich erlebe gerade einen tamasigen Gemütszustand. Ah, der Energielevel ist tamasig, vermutlich werde ich auch Dinge nicht klar sehen und deshalb ist auch das tamasig. Daher gilt es, dich nicht damit zu identifizieren".

So ungefähr gestaltet sich auch mein Umgang mit solchem Empfinden. Wobei ich keine speziellen Begriffe dafür verwende, sondern womöglich erkenne, „dass heute nicht mein Tag ist, dass dieser Zustand jedoch gerade in mir wirkt, mich jedoch in meinem innersten Kern weder trifft noch verändert, dass er eher - einer Welle ähnlich - über mich schwappt, um mich danach wieder in einen Zustand zurückkehren zu lassen, in dem ich über eine ‚hellere‘ Sicht auf die Situation verfüge“.

Es ist gut, wenn wir uns in diesem Leben um Sattwa bemühen.

Besser wäre es wohl, wenn es weniger einem Bemühen, sondern eher einem freudigen Gewahrsein des göttlichen Geistes und seiner ausströmenden Liebe entspräche. Was könnte denn „erhellender/ beflügelnder“ sein als die Seele zum Aufnahmegefäss dessen zu gestalten?

Uns in diesem Leben um Sattwa zu bemühen, hat sowohl einen sofortigen Effekt: Wir spüren eine wunderbare Wirkung auf Körper, Seele und Geist

Dann sind wir Licht durchflutet und haben viel Prana, um schon in diesem Leben dem Höchsten näher zu kommen oder es zu verwirklichen.

Ich sehe dies eher umgekehrt: Je mehr ich meine Seele zum Aufnahmegefäss des Göttlichen gestalte, desto mehr werden sich auch irdische Bereiche in einer Weise entwickeln, die der inneren Orientierung entsprechen.

Marsianer hat geschrieben:
Wir spüren eine wunderbare Wirkung auf Körper, Seele und Geist, z.B. wenn wir uns von Vollkornprodukten ernähren, von Obst und Gemüse, wenn wir auf unsere Kleidung achten, wenn wir Asanas und Pranayama sowie Meditation üben, wenn wir positive Beziehungen pflegen

Könnte vielleicht gesagt werden, dies nicht zu tun sei böse/negativ?

Möglicherweise könnte dies als verallgemeinernde Empfehlung eher einer solchen Haltung entsprechen: „Einem tamasigen Geist fehlt es an Subtilität. Er sieht das Leben in Schwarz und Weiß“.
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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Sa 10. Aug 2024, 17:11

Ich schaue hier u.a. nochmal an, was andere so als "Dualität" vorstellen. Sukadev bewegte in jungen Jahren offenbar soetwas wie die Vorstellung, es gebe Menschen die einfach aus irgendwelcher Veranlagung schlecht sein könnten oder eben gut. Eine solche Vorstellung behagte ihm offenbar nicht. Wenn ich es so betrachte, dann würde ich die Ansicht solcher Veranlagungsdeterminiertheit auch nicht teilen. Ich meine jeder Erdenmensch hat die Möglichkeit wesentlich zu wählen. In hinduistischen Weltbildern spielen ja in der Regel karmische Voraussetzungen eine Rolle, der eine Mensch habe viel schlechtes Karma, ein anderer sei vielleicht schon durch viele Verkörperungen in einen recht guten karmischen Zustand geraten, nach buddhistischen (?) Vorstellungen vielleicht bereits "in den Strom eingetreten". Wenn ich das so betrachte wirkt soetwas dann schon wie eine Art von solcher Veranlagung. Es gibt im hinduistischen Weltbild also nach meinem Eindruck so einige universell angenommene Gesetzmäßigkeiten. Wer Fleisch esse, der müsse dann weniger sattvig sein. Christen halten es mit dem Fleisch bewußt anders, im NT der Bibel gibt es bewußte Distanzierungen von den meisten unter Juden üblichen Ernährungsvorschriften derlei Art. Es wird von einem "Neuen Bund" ausgegangen, in dem soetwas Bedeutung verloren habe, gar im christlichen Rahmen (vielleicht in "christlicher Energie" mit deren neuem Zugang zu Gottgeistigem) dann als problematische Lehre eingeordnet wird, weil soetwas in Gesetzlichkeit zurückfalle. Da wäre dann ein Christ vielleicht gewillt Hindus zu sagen, Christen würden aufgrund ihrer Voraussetzungen derartige "Dualität" überwunden haben.

Es bleibt für mich schon rätselhaft, was manche sich unter dem Begriff so vorstellen und mit welchen Unterstellungen da immer wieder gegen "die anderen" gearbeitet wird. Wäre das manchmal im Fall "Nondualität" nicht doch ein Widerspruch in sich?
Agape hat geschrieben:Letztendlich wieder so zu sein/werden, wie es in der Absicht des Schöpfers lag, als er den Menschen „als sein Ebenbild“ erschuf.

Achso.
Wobei ich keine speziellen Begriffe dafür verwende, sondern womöglich erkenne, „dass heute nicht mein Tag ist, dass dieser Zustand jedoch gerade in mir wirkt, mich jedoch in meinem innersten Kern weder trifft noch verändert, dass er eher - einer Welle ähnlich - über mich schwappt, um mich danach wieder in einen Zustand zurückkehren zu lassen, in dem ich über eine ‚hellere‘ Sicht auf die Situation verfüge“.

Aha.
Ich sehe dies eher umgekehrt: Je mehr ich meine Seele zum Aufnahmegefäss des Göttlichen gestalte, desto mehr werden sich auch irdische Bereiche in einer Weise entwickeln, die der inneren Orientierung entsprechen.

Ich würde ja auch eher sagen, daß das wohl Verschiedenes sein würde. Ungefähr bezüglich der jeweils dahinterstehenden Ansätze "Alter Bund" (hier vor allem entsprechend insbes. Röm 2,14+15) vs. "Neuer Bund".

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Re: Dualität

Beitragvon Agape » Sa 10. Aug 2024, 17:58

Marsianer hat geschrieben:In hinduistischen Weltbildern spielen ja in der Regel karmische Voraussetzungen eine Rolle

Gedankenübertragung? ;)

Deine neue Antwort kam offenbar zustande, während ich folgendes überlegt hatte und eben dabei war, zuzufügen:
Aber meine Behauptung ist, obgleich die Menschen Schlimmes tun, sie meinen es nicht böse.

Wozu gibt es denn angeblich „schlechtes Karma“? Wenn ein Mensch nichts Böses meinen und wollen könnte, wäre es doch ungerecht, ihm dafür schlechtes Karma aufzubürden? Nicht nur der Wirkung, sondern auch dem Ursprung dieser, welcher meiner Vermutung nach im seelischen Herzen eines Menschen zu finden ist, sollte Bedeutsamkeit zugemessen werden.

Es gibt im hinduistischen Weltbild also nach meinem Eindruck so einige universell angenommene Gesetzmäßigkeiten. Wer Fleisch esse, der müsse dann weniger sattvig sein. Christen halten es mit dem Fleisch bewußt anders, im NT der Bibel gibt es bewußte Distanzierungen von den meisten unter Juden üblichen Ernährungsvorschriften derlei Art.

"17 Begreift ihr nicht, daß alles, was in den Mund hineingeht, in den Leib[6] gelangt und auf dem natürlichen Wege wieder ausgeschieden wird? 18 Was dagegen aus dem Munde herauskommt, geht aus dem Herzen hervor, und das ist es, was den Menschen verunreinigt. 19 Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken hervor: Mordtaten, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Verleumdungen und Lästerungen." 
(Matthäus 15, 17-19)
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Re: Dualität

Beitragvon Marsianer » Sa 10. Aug 2024, 18:21

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