Wie totalitär ist Konstruktivismus?

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Marsianer
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Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Marsianer » Fr 25. Apr 2025, 14:05

Prof. Glenn Dieser hat geschrieben:Die politische Klasse, die nach dem Kalten Krieg in Europa entstand, hat sich zunehmend einer übermäßigen Ideologisierung verschrieben und nutzt Narrative, um neue soziale Realitäten zu konstruieren. Die europäische Hinwendung zur Postmoderne bringt eine grundlegende Infragestellung der Existenz objektiver Realität mit sich, denn unser Verständnis von Wirklichkeit wird durch Sprache, Kultur und spezifische historische Perspektiven geprägt. Postmodernisten versuchen daher häufig, Narrative und Sprache als Quelle politischer Macht zu verändern. Wenn Realität als soziales Konstrukt gilt, können große Narrative wichtiger werden als Fakten. Tatsächlich müssen ideologische Narrative vor unbequemen Fakten geschützt werden.

Das europäische Projekt verfolgte ursprünglich die wohlwollende Absicht, eine gemeinsame liberal-demokratische europäische Identität zu schaffen, um die spaltenden nationalen Rivalitäten und Machtkämpfe der Vergangenheit zu überwinden. Dabei wurde jedoch zunehmend die Relevanz objektiver Realität infrage gestellt. Narrative über die Realität gelten nun als Spiegel von Machtstrukturen, die dekonstruiert und neu organisiert werden können.

Die Verbreitung des Konstruktivismus und die Betonung des „Sprechakts“ innerhalb der EU führten zur Überzeugung, dass selbst realistische Analysen oder Debatten über konkurrierende nationale Interessen als Legitimierung der Realpolitik verstanden werden – und somit als Konstruktion einer gefährlicheren Realität. Der „Sprechakt“ bezieht sich auf den Einsatz von Sprache als Machtmittel, mit dem politische Realitäten geschaffen und Ergebnisse beeinflusst werden können. Durch eine geringere Fokussierung auf sicherheitspolitische Debatten wird angenommen, dass Machtpolitik abgeschwächt werden könne.

[...]

Die Diplomatie steht im Widerspruch zum konstruktivistischen Bestreben, eine neue Realität sozial zu konstruieren. Ausgangspunkt internationaler Sicherheit ist das Streben nach Sicherheit, bei dem die Bemühungen eines Staates zur Erhöhung seiner eigenen Sicherheit die Sicherheit eines anderen Staates gefährden können. Diplomatie bedeutet, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und Kompromisse zu finden, um dieses Streben zu entschärfen.

Sozialkonstruktivisten halten Diplomatie häufig für problematisch, da sie ein Streben nach Sicherheit „legitimiere“, indem sie anerkenne, dass die NATO legitime russische Sicherheitsinteressen untergraben könne. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass Diplomatie den Gegner legitimiere und eine moralische Gleichsetzung westlicher Staaten mit Russland herstelle. Die europäischen Eliten befürchten, dass durch gegenseitiges Verständnis veraltete und gefährliche Konzepte der Machtpolitik salonfähig gemacht werden könnten. Die absurde Überzeugung, Verhandlungen seien gleichzusetzen mit „Appeasement“, hat sich in Europa zur Norm entwickelt.

Diplomatie wurde daher zu einer Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Lehrer und Schüler, umgedeutet. In dieser Konstellation sehen NATO und EU ihre Rolle in der „Sozialisierung“ anderer Staaten. Als zivilisierender Lehrer nutzt der aufgeklärte Westen Diplomatie als pädagogisches Instrument, bei dem Staaten für ihre Bereitschaft, einseitige Zugeständnisse zu akzeptieren, „belohnt“ oder andernfalls „bestraft“ werden. Während Diplomatie in Krisenzeiten historisch als unerlässlich galt, glauben europäische Eliten heute, man müsse stattdessen „schlechtes Verhalten“ sanktionieren – und die Diplomatie nach Ausbruch einer Krise aussetzen, da ein Zusammentreffen mit dem Gegner in solchen Momenten das Risiko berge, diesen zu legitimieren.

Neutralität galt bis vor Kurzem als moralische Haltung, mit der das Streben nach Sicherheit gemildert wurde, und die es einem Staat ermöglichte, als Vermittler zu agieren, anstatt sich in Konflikte verwickeln zu lassen und diese zu eskalieren. In einem Kampf zwischen Gut und Böse gilt Neutralität inzwischen jedoch als unmoralisch.

https://anti-spiegel.ru/2025/wie-realitaetsverweigerung-fuer-europaeische-eliten-zur-norm-wurde-und-was-die-folgen-sind
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Marsianer
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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Marsianer » Fr 25. Apr 2025, 22:06

Wenn festgestellt wird, daß Menschen Prägungen unterliegen, durch solche in ihrem Blick auf die Welt oft mehr oder weniger stark bestimmt sind, dann würde ich das ersteinmal auch als eine objektive Realität betrachten. Menschen halten manches für real oder Beschreibungen für korrekt, weil dies ihrem aktuellen Blickwinkel entspricht. Wenn Thomas Röper Auswirkungen von Propaganda schildert, dann weiß er das im Grunde auch. Kämpfe um derartige Deutungshoheit, "um die Herzen der Menschen" gibt es wohl seit Jahrtausenden, wenn auch die möglichen recht zentral kontrollierten Breitenwirkungen in den letzten Generationen erheblich zugenommen haben dürften.

Aus dieser Erkenntnis stellt sich die Frage, was denn "wirklich so ist" oder was nur so ist, weil Menschen an bestimmten Konzepten orientiert sind und diese dann durch eine normative Kraft auch gewaltsamen Druck entfalten, was vielleicht von keinem Beteiligten bewußt gewollt wird.

Im Rahmen solcher "konstruktivistischen" Reflektionen kommen dann einige dahin bestimmte Prägungen oder Normen mit leidhaften Auswirkungen zu verbinden. Auch das würde ich öfters für durchaus real existent halten.

Wo wäre vielleicht eine Linie, an der solche Herangehensweisen problematisch werden, selbst totalitäre Dynamiken und somit Gewalt und leidhafte Wirkungen entfalten? Ich würde schon sagen, daß es Prägung gibt, die in Menschen wirksam ist, aber auch sozusagen Natur, die aus seelischen Zustand folgt. Zu versuchen "gute Normen" mit Gewalt gesellschaftlich durchzusetzen birgt eine beträchtliche Fallhöhe. Bei heutigen Akteuren erkenne ich kaum eine dafür nötige Umsicht oder Weisheit, die dieser Verantwortung, resultierend aus ausgeübter Herrschmacht, gerecht würde.

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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Agape » Sa 26. Apr 2025, 13:08

Marsianer hat geschrieben:Ich würde schon sagen, daß es Prägung gibt, die in Menschen wirksam ist, aber auch sozusagen Natur, die aus seelischen Zustand folgt.

Kämpfe um derartige Deutungshoheit, "um die Herzen der Menschen"

Das wäre wohl etwas, das es immer schon gab - unabhängig davon, was sich während der letzten Generationen - vor allem auch im Hinblick auf die immensen technischen Möglichkeiten - "fortschrittlich" entwickelt hat.
Aber es könnte sein, dass die Schwelle, seine „böse Natur“ auszuleben, heute niedriger ist als früher, weil unter anderem die Möglichkeit, sich mit „Gleichgesinnten“ anonym und unter Umständen lange Zeit unerkannt (im Verborgenen stattfindend) im Vergleich zur Vergangenheit stark zugenommen hat. Die "unerwünschte Wirkung" dieser Entwicklung ist vielleicht mit einem „Rauschzustand“ zu vergleichen, der die Grenzen zwischen Gut und Böse nahezu auflöst und sich die Natur eines Menschen (hier vor allem die „böse“) hemmungslos durchsetzt - ausser das „Gute“ wäre bereits stabil in der Seele verankert und somit weitgehend unbeeinflussbar von einem äusseren Einwirken aus dem Herrschaftsbereich der Finsternis.

Bei heutigen Akteuren erkenne ich kaum eine dafür nötige Umsicht oder Weisheit, die dieser Verantwortung, resultierend aus ausgeübter Herrschmacht, gerecht würde.

Umsicht und Weisheit werden Werten zugeschrieben, die den heutigen Menschen oft zunehmend fremd sind. Im Reich der Finsternis gelten sie vorwiegend als Schwäche, welche sich aus irdischer Sicht kaum mit Macht und Erfolg vereinbaren lässt. Dies führt vermutlich in der Regel dazu, dass Menschen, welche sich umsichtig und weise verhalten, gar nicht erst zum Zuge kommen, wenn es um ein Regierungsamt ginge. Die Regierung ist ja sozusagen nur ein Spiegel derer, die regiert werden.
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Marsianer
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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Marsianer » Sa 26. Apr 2025, 14:55

Agape hat geschrieben:Das wäre wohl etwas, das es immer schon gab - unabhängig davon, was sich während der letzten Generationen

Vermutlich meist dort, wo Menschen miteinander zu tun bekommen. Auch schon in den Familien, aus denen Kinder bisher entspringen.

Es gibt wohl oft Mehrheitsnormen oder vielmehr dominant wirkende Normen, in denen sich manche wiederum nicht wiederfinden. Die empfinden dann häufig wohl eine Belastung in diesen und damit verbundenen Erwartungen und Anfeindungen. Das ganze umzukehren verändert wohl eher nicht die Gesamtsituation, in der irgendwelche Leute sich in ihnen Empfindungen nicht als gesehen erfahren, sie in einer Situation stehen äußerlich manches leichter haben zu können, wenn man verleugne, was man in sich finde. Was wiederum auch wieder entschieden gesellschaftlich geächtete Sehnsüchte umfassen kann, dievielleicht auch mit gesellschaftlichen Vorstellungen von "Kriminalität" zu tun haben würden. Z.B. das Bedürfnis alles selbst zu besitzen, was einem gefällt, es sich zu nehmen oder irgendwie beherrschen zu wollen.

Irgendwelche Normgepflogenheiten werden wohl immer irgendwelchen Leuten nicht behagen? Ich denke, zumindest solange gleichzeitig diese Vorstellung stark vorhanden ist, jedem solle erlaubt sein sich überall ausleben können, wie er wolle, auch wenn etwas nicht so zu den Vorstellungen einer örtlichen Gesellschaft passen würde, statt örtlich zu der Gesellschaft zu ziehen, die zum eigenen Inneren im Wesentlichen passt.
Die "unerwünschte Wirkung" dieser Entwicklung ist vielleicht mit einem „Rauschzustand“ zu vergleichen, der die Grenzen zwischen Gut und Böse nahezu auflöst und sich die Natur eines Menschen (hier vor allem die „böse“) hemmungslos durchsetzt

Ich weiß nicht. Wenn Twitter z.B. schon unter alter Führung als "Empörungsmaschine" bezeichnet worden war, dann hat das nach meinem Verständnis wohl etwas mit Aufmerksamkeitsökonomie zu tun. Was fördert eine Plattform durch ihre Ausgestaltung? Z.B. werden schnelle Reaktionen wohl oft begünstigt verbeitet. Wer schnell antwortet, der hat vielleicht öfter nicht so lange überlegt. Wer langsam antwortet, dessen Kommentar wird viel weniger gelesen und geht viel eher unter (es sei denn jemand hat viele "Follower" - nur wie wäre es wieder dazu gekommen?) So wird manches von derartigen Plattformen anders betont wie in einem "normalen Forum" wie diesem in seiner strukturellen Gestaltung hinsichtlich Aufmerksamkeit.
Im Reich der Finsternis gelten sie vorwiegend als Schwäche, welche sich aus irdischer Sicht kaum mit Macht und Erfolg vereinbaren lässt.

Viele sehen sich heute wohl in einem Kampf. Und das in einer Weise, in der "Feinde" kaum mehr als achtenswerte Mitmenschen betrachtet werden. Der Zweck heiligt die Mittel. Förderung der Völkerverständigung als eigentlich festgeschriebenes Staatsziel des aktuellen deutschen Staates wird z.B. plötzlich einfach umfassnd ignoriert und man kann sich ungläubig fragen: Wie kann das sein? Steht das in Verbindung damit, daß es fast keine lebenden Menschen mehr gibt, die Krieg kennen, die Folgen von Spaltung und plumpem Machtringen?

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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Agape » Sa 26. Apr 2025, 20:00

Marsianer hat geschrieben:Ich denke, zumindest solange gleichzeitig diese Vorstellung stark vorhanden ist, jedem solle erlaubt sein sich überall ausleben können, wie er wolle, auch wenn etwas nicht so zu den Vorstellungen einer örtlichen Gesellschaft passen würde, statt örtlich zu der Gesellschaft zu ziehen, die zum eigenen Inneren im Wesentlichen passt.

Vielleicht reflektiert ein grösserer Anteil der unserer Gesellschaft angehörenden Menschen gar nicht, was zu ihrem eigenen Inneren passen könnte? Es ist für sie wohl bequemer, nötigenfalls mit Gewalt einzufordern und durchzusetzen, worauf sie Anspruch erheben - als sich mit ihrem eigenen Inneren beschäftigen und auseinandersetzen zu müssen.

So wird manches von derartigen Plattformen anders betont wie in einem "normalen Forum" wie diesem in seiner strukturellen Gestaltung hinsichtlich Aufmerksamkeit.

Mir scheint, die Betonung vieler liegt hauptsächlich auf Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit. Ein gewisser „Tiefgang“ ist dort wohl eher selten zu finden.

Viele sehen sich heute wohl in einem Kampf. Und das in einer Weise, in der "Feinde" kaum mehr als achtenswerte Mitmenschen betrachtet werden.

Ist es womöglich das „Tier im Menschen“, welches in solchen Fällen die Oberhand hat?

Steht das in Verbindung damit, daß es fast keine lebenden Menschen mehr gibt, die Krieg kennen, die Folgen von Spaltung und plumpem Machtringen?

Oder die heutigen Menschen sind teilweise gegenüber „Krieg“ bereits abgestumpft, weil sie diesen ständig aus verschiedenen Medien „konsumieren“, ohne selbst davon wirklich betroffen/berührt zu sein?
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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Marsianer » Sa 26. Apr 2025, 21:13

Agape hat geschrieben:Vielleicht reflektiert ein grösserer Anteil der unserer Gesellschaft angehörenden Menschen gar nicht, was zu ihrem eigenen Inneren passen könnte?

Es gibt wohl eine gewisse Kleintel, der zuerst weltliches Wohlleben bedeutsam erscheint und die sich dafür letztlich allem anpassen, es auch in mancher Hinsicht verinnerlichen, was gerade faktisch Macht ausübt.

Und in gewisser Weise sehen viele Gesellschaftsreformer ja eine Notendigkeit Prägungen zu verändern. Schon vor 100 Jahren befassten sich alternative Lebensgemeinschaftsversuche mit dem Einfluß ihrer Prägungen, wie als neue Gemeinschaft diee alten Prägungen überwunden werden könnten. Um dann nicht selten nach einigen Jahren festzustellen, daß es ihnen nicht einmal wirklich gelungen sei viele derartige Prägungen nicht ungewollt an ihre Kinder weiterzugeben. Auch Kommunisten beschäftigt soetwas sinngemäß oft.

Was könnte ein "nicht ungünstig geprägter" Mensch sein? Wie würde er verfasst sein? Die Antwort darauf hinge oft wohl wieder vom Weltbild desjenigen ab. Heute achten z.B. viele materieller orientierte Leute Empfindungen im spirituellen Bereich gar nicht mehr. Aufgrund ihrer Überzeugungen dies alles sei willkürlich und bedeutungslos, meinen sie in diesem Bereich seien nur solche gesellschaftlichen Prägungen vorliegend. Deswegen sei es wohl gut zu verhindern, daß solche Prägungen an kommende Generationen noch vermittelt werden. Ich würde dementegen dann eher meinen, daß die gesellschaftliche Prägung sich von Spiritualität so weit zu entfernen hat massive Auswirkungen auf die innere Gesundheit vieler Menschen, weil sie ihr Inneres deswegen oft weniger verstehen, ihnen kulturell tradierte Erfahrungen nicht mehr so zugänglich gemacht wurden, als läge darin eine Gefahr.
Ist es womöglich das „Tier im Menschen“, welches in solchen Fällen die Oberhand hat?

Es berührt wohl die Frage, ob Menschen (zumindest in verbreitet vorzufindenden inneren Zuständen befindlich) dazu fähig wären friedvoll mit anderen zu leben. Wenn sich an "mehr" orientiert wird (Übertrumpfenwollen - Rangordnungskampf- und Balzverhalten), statt an "genug" (materiell, aber in diesem Sinne besonders auch in gewisser Weise ideell), wird es immer zu Konflikten kommen?

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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Agape » So 27. Apr 2025, 20:11

Marsianer hat geschrieben:Was könnte ein "nicht ungünstig geprägter" Mensch sein?

Das wäre vielleicht ein Mensch mit möglichst wenig Prägung. Zumindest jedoch einer, welche sich kaum als Entfremdung gegenüber seiner Seele auswirken würde.
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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Marsianer » Mo 28. Apr 2025, 10:34

Es würde also vielleicht wenig Druck gegeben haben. Aber selbst wenn ein Mensch ohne Kontakt zu anderen aufgewachsen wäre, vielleicht ünter Affen oder Wölfen (die in einem solchen Zusammenleben wohl auch eine Art Prägungen vermitteln dürften), würde er für sich vielleicht Überzeugungen entwickelt haben, an denen er dann festhalten würde, würde er zu anderen Menschen Kontakt bekommen. Und wären die nicht völlig überheblich gegenüber "dem Wilden", könnten sich andere Menschen davon auch unter gewissen Druck gesetzt sehen? Weil sie sich vielleicht erhoffen würden, Anerkennung, Bestätigung von ihm her zu erfahren, statt "Zurückweisung", indem ein eigener Impuls vom anderen nicht widerstandslos aufgegriffen würde?

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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Agape » Mo 28. Apr 2025, 20:41

Marsianer hat geschrieben:Und wären die nicht völlig überheblich gegenüber "dem Wilden", könnten sich andere Menschen davon auch unter gewissen Druck gesetzt sehen? Weil sie sich vielleicht erhoffen würden, Anerkennung, Bestätigung von ihm her zu erfahren, statt "Zurückweisung", indem ein eigener Impuls vom anderen nicht widerstandslos aufgegriffen würde?

Wären diese Reaktionen anderer nicht auch Wirkungen solcher Prägung? Der „Wilde“ selbst hätte vielleicht gar nicht unbedingt viel damit zu tun?
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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Marsianer » Mo 28. Apr 2025, 23:01

Wäre das Auftreten des "Wilden" aus Prägung? Oder aus dem, was sich eben wirklich aus seinem seelischen Zustand ergab? Wobei es da ja auch unterschiedliche Weltbilder gibt, etwa die Ansicht, ein Neugeborenes sei wie ein leerer Eimer, was vielleicht dann bedeuten sollte, es habe soweit keine inneren Neigungen, die es von anderen Neugeborenen unterscheiden würde? Manche halten den Menschen ja vielleicht rein für eine biologische Maschine, bestimmt durch die dem zugrundeliegende DNS. Andere nähmen dann an, er sei eigentlich mehr etwas wie eine Seele mit irgendeiner entsprechenden seelischen Entstehungsgeschichte, nicht so sehr der Körper.

Es ging um die Ansicht, Menschen wären zwecks Leidverhinderung von manchen Prägungen fernzuhalten und welche Wirkungen soein Ansatz weiter nach sich ziehen würde? Es geht im Grunde auch wieder um die Frage, ob Akteure den Menschen für ein Wesen halten möchten, das gewisse Mündigkeit besitzt? Steht der, der vermeintlich "den Durchblick hat" nicht aus eigener Perspektive ein Stück höher, wäre berufen zum vermeintlichen Wohl aller zu führen?

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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Agape » Di 29. Apr 2025, 11:39

Marsianer hat geschrieben:Wäre das Auftreten des "Wilden" aus Prägung? Oder aus dem, was sich eben wirklich aus seinem seelischen Zustand ergab?

Ich neige eher zur Annahme des Letzteren. Weshalb hätte Gott eine Seele als „Wilden“ aufwachsen lassen? Vielleicht als Prüfung/Bewährungsprobe, um seinem inneren/seelischen Zustand „treu zu bleiben“?

ein Neugeborenes sei wie ein leerer Eimer, was vielleicht dann bedeuten sollte, es habe soweit keine inneren Neigungen, die es von anderen Neugeborenen unterscheiden würde?

Ich vermute, dass diese Annahme eher von Menschen stammt, die im „praktischen“ Leben bisher nie oder nur sehr wenig mit Neugeborenen zu tun hatten.

Andere nähmen dann an, er sei eigentlich mehr etwas wie eine Seele mit irgendeiner entsprechenden seelischen Entstehungsgeschichte, nicht so sehr der Körper.

Diese Annahme entspricht vielleicht eher Menschen, welche die irdische Existenz als eine Zeitspanne begreifen, welche nur einem bestimmten „höheren“ Zweck dient, also nicht auf den Zweck selbst (welcher ja vergänglich ist) zu begrenzen wäre.

Menschen wären zwecks Leidverhinderung von manchen Prägungen fernzuhalten

Lägen dieser Haltung möglicherweise auch entsprechende Prägungen zugrunde? Und würde deren Umsetzung im menschlichen Miteinander nicht auch prägende Wirkung entfalten?

Steht der, der vermeintlich "den Durchblick hat" nicht aus eigener Perspektive ein Stück höher, wäre berufen zum vermeintlichen Wohl aller zu führen?

Davon würde ich erfahrungsgemäss ausgehen. Wobei es vermutlich darunter auch Menschen gäbe, die nur „meinen“, den Durchblick zu haben, ohne dass sich dies mit der göttlichen Wahrheit vereinbaren liesse.
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Re: Wie totalitär ist Konstruktivismus?

Beitragvon Marsianer » Di 29. Apr 2025, 15:12

Agape hat geschrieben:Ich neige eher zur Annahme des Letzteren.

Wobei es bei diesem Thema eher allgemein um menschliche Verhaltensweisen, gesellschaftliche Auswirkungen ginge.
Lägen dieser Haltung möglicherweise auch entsprechende Prägungen zugrunde? Und würde deren Umsetzung im menschlichen Miteinander nicht auch prägende Wirkung entfalten?

Es würde alles auf Überlegungen beruhen, die auch verzerrt sein könnten.

Vielleicht wäre die Schwierigkeit etwas in der Art: Menschen sind zumeist keine wirklich mündigen Wesen. Aber gesellschaftlich nicht doch so zu tun, öffnet in der Regel Abgründe, die die Situation noch verschlimmern.


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