Ich zitiere nochmal was aus einer anderen buddhistischen Ecke.
Aturugirye Sri Gnanawimala Maha Thero hat geschrieben:Der Ausdruck "geistige Freiheit", der eine tiefe Bedeutung hat, steht in einem gewissen Zusammenhang mit den Begriffen "Muße" oder "Abgeschiedenheit". Stellen wir uns vor, jemand trennt sich für kurze Zeit von den Menschen, mit welchen er normalerweise zusammenlebt, und verweilt irgendwo ohne die geringste Beschäftigung. Manche gehen auf der Suche nach "Muße" an besondere Plätze. Sie essen, trinken und amüsieren sich; aber das ist keine "Muße", denn solche Menschen folgen nur einem anderen Programm von Aktivitäten, nachdem sie die früher praktizierte Routine abgelegt haben. Diese Art von Veränderung der eigenen Lebensweise ist dem Verhalten jenes Mannes ähnlich, der Alkohol oder Salzwasser trinkt, um seinen Durst zu löschen. Wirkliche "Muße" jedoch besteht in einem bestimmten Zustand des Geistes.
Was ist nun der "Geist"? Wir sollten hier eine genaue und klare Vorstellung von dem gewinnen, was wir als "Geist" bezeichnen. Gemäß der Lehre des Buddha wird ein Lebewesen durch das Zusammenwirken psychischer und physischer Erscheinungen gebildet, die den fünf Bereichen (khanda) Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, geistige Gestaltung und Bewußtsein angehören. Die letzten vier, also Gefühl, Wahrnehmung, geistige Gestaltung und Bewusstsein, können als Einheit unter der Bezeichnung "Geist" zusammengefasst werden. Hierunter dürfen wir jedoch nichts Substantielles, Bleibendes verstehen, da es sich um einen Prozess handelt, der unaufhörlichen Veränderungen unterliegt.
Zum Zwecke unserer Untersuchung kann zwischen aktivem und passivem "Geist" unterschieden werden. Der aktive "Geist" ist gekennzeichnet durch das Zusammenspiel von Empfindungen, Wahrnehmungen und geistigen Gestaltungen. Die Aktivität setzt in dem Moment ein, wenn Sinnesorgan, Sinnesobjekt und Bewusstsein zusammenwirken, so dass ein Wahrnehmungsvorgang entsteht. Nehmen wir zum Beispiel das Hören, das in dem Moment einsetzt, wenn ein Ton an unser Trommelfell gelangt und dabei auch das Bewusstsein zugegen ist. Gleich von Anfang an ist dieser Hörvorgang gefühlsmäßig beeinflusst. Der gehörte Ton wird als ein bestimmtes Objekt mit diesen oder jenen Eigenschaften ausgemacht, was wir Wahrnehmung nennen. Schließlich ordnen wir das Gehörte in unser Weltbild ein und reagieren darauf - in der Regel mit Zu- oder Abneigung. Das ist geistiges Gestalten. Ausgehend von jenem Augenblick, in dem sich bedingt durch das Zusammenwirken von Sinnesorgan, Sinnesobjekt und Bewusstsein ein wenn auch noch so schwaches Gefühl in uns erhebt, haben wir eine stetige Zunahme von geistiger Aktivität innerhalb des Wahrnehmungsvorganges zu verzeichnen. Als passiver "Geist" wird demgegenüber jener Zustand bezeichnet, der bei Bewusstlosigkeit oder im Tiefschlaf vorherrscht.
Die wahre Muße, nun, ist mit dem aktiven Geist verknüpft, in welchem Gefühle, Wahrnehmungen und geistige Gestaltungen zugegen sind. Muße, wie wir sie verstehen, darf nicht einfach eine andere Form gewöhnlicher Aktivitäten oder ein Ersatz für diese sein, sie darf nicht etwa nur ein neuer Weg sein, auf dem man den gewohnten Methoden sinnlicher Befriedigung Genüge tut. Jene Beschaffenheit des Geistes, die wirkliche Muße beinhaltet, nennt man "geistige Ruhe". Der Ausdruck "geistige Freiheit" umfasst jedoch eine noch tiefere Bedeutung als "geistige Ruhe".
Viele Menschen kämpfen um politische Freiheit und sind sogar bereit, ihr Leben für dieses Ziel zu opfern. Und es ist wahr, dass politische Freiheit überaus notwendig ist. Aber wenn wir geistig versklavt sind, dann wird auch die politische Freiheit wertlos. Um geistige Freiheit zu erreichen, braucht man nicht gegen irgend jemanden zu kämpfen. Der Kampf soll vielmehr dort ausgetragen werden, wo es um das eigene Anhaften an falsche Vorstellungen geht. Der Ort, an welchem der Kampf geführt wird, liegt also in einem selbst. Und wir können dann geistige Freiheit erringen, wenn wir in der Lage sind, den aktiven Geist zu einem willigen Diener unter unserem Kommando zu machen. Hierzu müssen wir keinen Krieg außerhalb von uns selbst führen. Es ist nur notwendig, entschlossen gegen die eigenen unklaren Vorstellungen und Antriebe anzugehen. Dies ist in erster Linie eine innere Angelegenheit, keine äußere. Der Geist eines Menschen, der sich von falschen Vorstellungen befreit hat, ist durch dringend und voller Erkenntnisfähigkeit Diese Weisheit, die die Dinge so sieht wie sie wirklich sind, heißt "Klarblick" (vipassan*). Sie ist ruhig, still und frei von Hindernissen, frei von Verwirrung Befreiung bedeutet, diese Einsicht zu besitzen.
Solange wir unseren Geist von jenen Kräften, die uns ein verzerrtes Bild von der Welt vermitteln, noch nicht befreit haben, sind wir nicht in der Lage, den Lebensprozess so zu sehen, wie er ist. Wir brauchen eine tiefe, wirklichkeitsgemäße Einsicht in die Vorgänge des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Tastens und natürlich auch in den Ablauf des geistigen Wahrnehmens, durch den solche Objekte wie Gedanken oder Vorstellungen erfasst werden. Denn aus diesen sechs Bewusstwerdevorgängen besteht unser Leben, darin spielt es sich ab. Verschiedene Formen des Anhaftens und eine ganze Reihe von Vorurteilen halten uns jedoch von einer realistischen Sicht der Dinge ab, wie zum Beispiel unser Hängen an Traditionen. Obwohl einige der traditionellen Sitten und Verhaltensweisen nicht mehr zeitgemäß sind, denken viele Menschen, dass diese alten Normen bewahrt werden müssten, weil sie ein Teil der eigenen Überlieferung sind. Hier können wir erkennen, wie weit unsere Einstellungen und Verhaltensweisen durch das Haften an Traditionen und Gewohnheiten gefesselt sind. Ein versklavter Geist ist so trübe und dunkel, dass die Strahlen des Lichtes, welche die Dinge so erscheinen lässt, wie sie tatsächlich sind, ihn nicht erreichen. Wir müssen uns deshalb von allen Dogmen und falschen Vorstellungen frei machen.
Es gibt eine große Anzahl von Fehlhaltungen, die die Freiheit des menschlichen Geistes erschüttern und ihn gefangen halten. Eine von ihnen ist die Angst, die aus den Tiefen des menschlichen Bewusstseins kommt. Die Angst beeinflusst unser Denken und Fühlen, und die von ihr geprägten geistigen Haltungen (wie zum Beispiel das Sicherheitsdenken) binden uns an Traditionen, Sitten, Gewohnheiten und Rituale, manchmal sogar gegen unsere eigene bessere Einsicht in die wirkliche Natur des Daseins.
Um unser Denken, das durch die verschiedenen Formen von Dogma und Spekulation gefangen gehalten wird, zu befreien, müssen wir den Weg geistiger Übungen beschreiten, welcher ein genaues Kennenlernen unserer eigen psychischen Phänomene beinhaltet. Dabei sollen wir durch wiederholtes Üben lernen, mit unseren Geisteszuständen und Emotionen bekannter zu werden und mit ihnen in der rechten Weise umzugehen. Diese Arbeit an uns selbst wird als Geistesentfaltung oder Meditation (bh*vana) bezeichnet. Man könnte meinen, dass Meditation "denken" bedeutet, "spekulieren" oder "Konzentration des Geistes", individuell oder kollektiv. So verhält es sich je doch nicht. Denn das Denken ist eine Sache und die Meditation eine andere. Die wirkliche Geistesentfaltung besteht im Üben von Achtsamkeit und Bewusstseinsklarheit in Bezug auf das, was sich gegenwärtig ereignet. Wir lernen dabei mit den eigenen körperlichen und geistigen Aktionen und Reaktionen so umzugehen, dass sie nicht ohne unsere bewusste Hinwendung in Erscheinung treten können. Das Ergebnis einer so betriebenen Geistesentfaltung ist geistige Freiheit.
Die ‘Lehrrede von den Grundlagen der Achtsamkeit’ (Satipatth*na Sutta), die den buddhistischen Meditationsweg zum Inhalt hat, gibt vier Meditationsbereiche an. Sie werden als die ‘Vier Grundlagen der Achtsamkeit’ bezeichnet.
Es sind dies Körper, Gefühle, Geisteszustände und Geistesobjekte. Derjenige, der Meditation zu üben gedenkt, soll einen Ort wählen, der nach Möglichkeit frei von Störungen ist und sich dort mit gekreuzten Beinen (oder in einer anderen Haltung) und aufrechtem Körper niederlassen. Sodann möge er sich um Abstand voll der Vorstellung eines ‘Ich’ oder ‘Mein’ oder einer ‘Persönlichkeit’ bemühen, indem er seinen Körper als eine Anhäufung von Materie betrachtet und seinen Geist als das Zusammenwirken von Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedankentätigkeit und Bewusstsein.