Matthias Glaubrecht kann Rezensentin Annette Jensen eindrucksvoll darlegen, dass der zu erwartende Verlust der Biodiversität "die wahre Krise des 21. Jahrhunderts" ist. Anhand stichhaltiger Belege zeige der Autor, dass das Artensterben die Menschheit in verheerende Hungernöte treiben wird. Jensen hat gelernt, dass es eine Kontrolle des Bevölkerungswachstums und eine radikale Wirtschafts- und Agrarwende braucht, damit die Menschheit sich selbst vor einer Katastrophe bewahrt.
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In seiner umfangreichen Argumentation plädiert der Biodiversitätsprofessor Matthias Glaubrecht dafür, sich auf das Artensterben anstatt des Klimawandels zu fokussieren, erklärt der Kritiker. Ein solcher Fokus würde es dem Menschen ermöglichen, über internationale politische Verhandlungen Gesellschaftsstrukturen zu etablieren, die das Überleben der Arten auf der Erde sichern - einschließlich der Menschen, fasst der Kritiker Glaubrechts Hoffnungen zusammen. Ohne Perspektivwechsel erwartet Glaubrecht im Jahr 2062 hingegen den Untergang der Menschheit und der Arten, hält Pilz fest.
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So sind wir, wie Glaubrecht zeigt, bereits vorgegangen, als wir vor 65.000 Jahren erstmals in Australien auftauchten: "Hier stieß der Mensch auf eine für ihn bizarre neue Tierwelt aus Großsäugern wie Riesenbeuteltieren. Innerhalb kurzer Zeit danach verschwand diese Tierwelt, vernichtet von einem Steinzeitmenschen mit vergleichsweise simpler Technologie, die ihm dennoch den 'Overkill' eines ganzen Ökosystems ermöglichte."
Zugleich wurden die Menschen immer mehr, und das immer schneller. Fast acht Milliarden Menschen leben heute auf der Erde. Dass eine mögliche Überbevölkerung ein so großes Problem wird, wie Glaubrecht es in seinem Buch zumindest in den Raum stellt - diese Einschätzung muss man nicht teilen. Denn es gelingt dem Evolutionsbiologen auch so, eindringlich darauf hinzuweisen, wie dramatisch die Lage ist - vor allem weil wir Menschen mit unserer Flächennutzung, der intensiven Landwirtschaft etwa, vielen Tierarten den Lebensraum nehmen: "Ich mache mir nicht um die Evolution Sorgen oder dass es Tierarten gibt, die das alles überleben", erklärt Glaubrecht. "Sondern ich mache mir eigentlich Sorgen um den Menschen. Denn wir hängen ganz eng vernetzt mit all diesen ganzen Arten zusammen." So haben es in der Hand, das Artensterben, also das zumindest vorübergehende "Ende der Evolution", aufzuhalten.
Ein Vorschlag, den Glaubrecht aufgreift, wäre, die Hälfte der Flächen auf der Erde unter Naturschutz zu stellen. Das mag utopisch klingen, aber wir sollten unsere Fähigkeiten auch nicht unterschätzen, so sein Plädoyer. Gerade als Evolutionsbiologe muss er das wissen: "Wir haben gelernt zu überleben, nicht nur in einer Umwelt; stattdessen schaffen wir uns unsere eigene Umwelt, seit vielen Tausenden von Jahren. Wenn wir auch dies als unser Erbe akzeptieren, wird klar, dass wir tatsächlich die Wahl haben, dass es an uns liegt. Zusammen mit Wissen und Willen ist es diese Hoffnung, die zählt."
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