Die dunkle Nacht der Seele
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Die dunkle Nacht der Seele
Der Begriff geht auf ein recht oft aufgegriffenes und daher bekanntes Gedicht des Johannes vom Kreuz. Er schrieb es im Knast, als er wegen Richtungskämpfen in dem Orden, dem er angehörte von der Gegenseite auf diese Weise kaltgestellt wurde, bis er wohl nach knapp einem Jahr in einem lichtlosen Kerker erfolgreich ausbrechen konnte.
Das was seitdem in den Begriff hineinhgedeutet wurde weist wohl eine beachtliche Bandbreite auf z.B. bis hin zu einer Umschreibung von Depressionen was ziemlich an dem vorbeigehen dürfte, was der Autor mal ausdrücken wollte und später auch noch selbst in Kommentaren genauer erläuterte.
Worum ging es da also wirklich? Was hat uns das zu sagen?
Ein Ansatzpunkt zum Einstieg könnte diese Seite sein:
https://www.spirit-portal.com/mediale-s ... -der-seele
Das was seitdem in den Begriff hineinhgedeutet wurde weist wohl eine beachtliche Bandbreite auf z.B. bis hin zu einer Umschreibung von Depressionen was ziemlich an dem vorbeigehen dürfte, was der Autor mal ausdrücken wollte und später auch noch selbst in Kommentaren genauer erläuterte.
Worum ging es da also wirklich? Was hat uns das zu sagen?
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
3. dunkle Nacht
- ein Leitwort aus der Spiritualität des Karmel, das eng mit dem Namen Johannes vom Kreuz
verbunden ist. Es benennt ein Phänomen im Leben mit Gott, das wiederum in der gesamten
biblischen und jüdisch-christlichen Glaubenstradition bekannt ist. Juan hat es jedoch so gründ-
lich wie niemand vor ihm beschrieben und theologisch reflektiert.
„Dunkelheit“ und „Nacht“ sind Urbilder der Menschheit für die verschiedenartigsten Erfah-
rungen und Zustände, äußerer wie innerlicher Art. Sie bieten sich uns an, wo immer wir
Schmerzliches, Lähmendes und Niederdrückendes – „Dunkles“ eben – erfahren und erleiden
müssen. Doch nicht jede „Dunkelheit“ ist eine „dunkle Nacht“ im Sinne Juans. Er benennt da-
mit eine innere, seelisch-geistige Erfahrung des Einzelnen, also nicht ein eher allgemeines,
mehr äußerlich greifbares „Glaubensdunkel“ einer Zeitepoche (wie nach dem Urteil mancher
Theologen der unseren etwa). Und auch nicht jedes innere Glaubensdunkel ist eine Dunkle-
Nacht-Erfahrung. Juan grenzt sie ausdrücklich ab von allen Formen „irgendeines Unwohlseins
oder einer schwermütigen Gemütsverfassung“.8 Depressive Verstimmungen, Schwermut („me-
lancolía“) oder Depression sind nicht die dunkle Nacht im religiös-spirituellen Sinne.
Eine weitere Abgrenzung bezieht sich auf die Frage, wodurch die dunkle Nacht verursacht
ist. Juan unterscheidet hier zwischen Finsternis und Dunkelheit. Wie schon die griechischen
Vätertheologen sieht er in der Finsternis (skótos) eine Folge der persönlichen Abkehr von Gott.
Die Dunkelheit (gnóphos) dagegen betrachtet er als eine Gnadenwirkung Gottes, als ein we-
sensnotwendiges Geschehen im Beziehungsleben zwischen Mensch und Gott.
Von allen inneren Dunkelheitserfahrungen unterscheidet sich die dunkle Nacht dadurch, dass
ihr biografisch eine positive religiöse Erfahrung vorausgeht: ein Berührt-Sein von der Gegen-
wart Gottes, ein (wenigstens ahnungshaftes) Erkennen seiner Herrlichkeit und Größe, ein Inne-
werden göttlicher Liebe – eine „Berührung“ (toque) mit der Wirklichkeit, die sich hinter dem
Namen Gott verbirgt. Diese Erfahrung göttlichen Lichtes bewirkt über kurz oder lang die Er-
fahrung dunkler Nacht. Jedoch nicht aufgrund menschlichen Verschuldens. Gott selbst, oder
genauer: das „Erwachen der Seele“9 für die Wirklichkeit Gottes, ist die Ursache dieser Dunkel-
heit. – Näher hin diagnostiziert Juan drei Arten der Nachterfahrung: die „Nacht des Sinnenbe-
reiches“, die „Nacht des Geistes“ und die „Nacht des Glaubens(weges)“.
Die „Nacht des Sinnenbereiches“ meint die Erfahrung, dass angesichts des Angerührt-Seins
von der Nähe des liebenden Gottes alles, was zuvor den Sinnen funkelte, seinen Absolutheits-
wert verliert. Der Mensch weiß nun – „ohne zu wissen, wie“10 –, dass alles Geschöpfliche, alles,
was dem Bereich der menschlichen Sinne zugänglich oder vorstellbar ist, nicht das Letzte sein
kann. Von nun an lässt sich die „geheime Erkenntnis“11 nie mehr schadlos verdrängen oder aus
der Seele verscheuchen, dass alles ein „Nichts (nada)“ wäre, würde es nicht auf die göttliche
Wirklichkeit hin ausgerichtet, die sich in stillem Innewerden kundgetan hat. – Eine gewisse
„Wehmut“ zieht in die Seele ein, ja eine nicht mehr aufzuhaltende Einsamkeit, durchaus einer
Schwermut ähnlich, und doch nicht mit ihr identisch. – Die dunkle Nacht des Sinnenbereiches
kann Augenblicke dauern, sie kann aber auch für Monate und Jahre Seele, Geist und Leib
durchziehen. Und die Wirkung bleibt nicht aus: Sie befreit den Menschen mehr und mehr von
den noch ungeordneten Bindungen an alles Vorletzte. Sie hilft ihm, die bisherige (auch unbe-
wusste) Werteskala auf das Wesentliche hinzuordnen und die Glaubens- und Lebenseinstellung
noch einmal neu durchzubuchstabieren. Es ist die Zeit, oder richtiger: es sind die auch mehrfach
wiederkehrenden Zeiten im Leben, die aus dem Kind den Erwachsenen, den Lebensgefährten
Gottes machen.
Die „Nacht des Geistes“ ist eine weitere Erfahrung, die im Glaubensleben nicht ausbleiben
wird. Sie kann Sekunden dauern oder auch Jahre, selten sein oder auch häufig. Auf jeden Fall
aber geht ihr, wie der Nacht des Sinnenbereiches, die beglückende Erfahrung der Nähe Gottes
voraus. Bezog sich die Nacht des Sinnenbereichs „auf das Natürliche“, so geht es jetzt um „das
Übernatürliche“12. In der Nacht des Sinnenbereiches entgleiten bzw. relativieren sich die Dinge,
die Werte und die Menschen; in der Nacht des Geistes entgleitet Gott. Die Kräfte des Gemüts
und des Verstandes sind einfach überfordert mit dem „Erwachen Gottes in der Seele“.13 Das
Neue, so Kostbare, das von innen her in das Leben getreten war, entschwindet nun ins Dunkel.
Gottes verborgene Gegenwart, die Ahnung des Absoluten im Erkenntnisvermögen und das An-
gerührt-Werden von göttlicher Liebe im Gemüt, diese „Berührung durch die Gnade Gottes“14,
kann plötzlich nicht mehr erfahren werden. Es ist, als wären Seele und Geist nicht mehr in der
Lage, es wie vor dem zu erspüren. Von hilfloser Lethargie bis zu abgrundtiefer Verlassenheit
reicht die Skala der Intensität solcher Nachterfahrung. Der Mensch hängt nun gleichsam „in der
Luft“15, unter ihm ist die Erde entschwunden und über ihm der Himmel: Was den Sinnen fun-
kelte, trägt nicht mehr, und was den Geist so lichtvoll erfüllte, ist nicht mehr zu greifen. Es ist
Nacht, dunkle Mitternacht. Nur eines bleibt: das gottverwundete Herz – und das sichere Wissen,
dass Geringeres als das von Gott her Erfahrene nicht mehr genügt. – Solche „Nichterfahrung
Gottes“ ist also nicht Zeichen der Abwesenheit, sondern des wachsenden Bewusstwerdens für
die Gegenwart Gottes. Was dann in solcher Dunkelheit als Verlassenheit interpretiert wird, ist
in Wirklichkeit ein Reinigungs- und Reifungsprozess, der frei macht von einer noch recht
selbstsüchtigen Frömmigkeit, die, wie Juan sagt, Gott „haben“, „genießen“ und „festhalten“
will. Wie eine zwischenmenschliche Beziehung in einer solchen Haltung nicht gelingen kann,
so auch die Gottesbeziehung nicht. „Freundschaft mit Gott“ kann nur entstehen, wenn ich sagen
lerne: Gott, du darfst Gott sein; du darfst mir nahe sein, wenn du mein Herz anrühren willst, du
darfst aber auch der scheinbar ferne Gott sein, wenn du „fern“ sein willst. Du bist es wert, der
zu sein, der du bist: der immer „ganz Andere“, Überraschende, auch der für meine Erfahrung
manchmal „Enttäuschende“, du darfst Gott sein – so wie ich vor dir Mensch sein darf ... – Juan
rät nicht, eine solche Dunkelheit zu vermeiden bzw. zu beseitigen; die dunkle Nacht ist anzu-
nehmen und zu bestehen. Auch die dunkle Nacht ist Gottesbeziehung und Leben in der Gegen-
wart Gottes.
Die dritte Art der dunklen Nacht kann man mit Juan die „Nacht des Glaubens“ – im Sinne des
gesamten „Glaubensweges“ eines Menschen – nennen. Sie ist die Frucht der dunklen Nächte in
Sinnenbereich und Geist. Glaubensvorstellungen und Gottesbild sind nun aus ihrer früheren
Enge herausgetreten, und mit ihnen das Menschen- und das Selbstbild, das Welt- und das Kir-
chenbild; es ist, als haben Geist und Seele jetzt eine ganz neue, vorher nicht geahnte Weite für
Gott, für seine Wahrheiten, für seine Schöpfung ... Doch Juan ist und bleibt der große Realist.
Er nennt selbst ein Leben mit Gott in der so gewonnenen Freiheit und Weite eine Nachterfah-
rung: Es ist „die Nacht, die Gott ist“.16 Gott ist die Sonne des neuen Tages, in deren volles Licht
die Augen erst schauen können, wenn sie von ihm vollendet und wie die seinen geworden sind.
Das alles mag recht theoretisch klingen, aber es ist Realität – eine Realität, die ich selbst kenne
und die mir als Seelsorger in den Seelen sehr, sehr vieler Menschen begegnet; auch in den
Seelen ungetaufter und nicht an eine Religion gebundener Menschen ...
https://www.karmel-birkenwerder.de/images/PDFs/Karmelitanische_Spiritualität_-_In_der_Gegenwart_Gottes_leben.pdf
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
Zitierter Vortrag hat geschrieben:Wie schon die griechischen
Vätertheologen sieht er in der Finsternis (skótos) eine Folge der persönlichen Abkehr von Gott.
Die Dunkelheit (gnóphos) dagegen betrachtet er als eine Gnadenwirkung Gottes, als ein we-
sensnotwendiges Geschehen im Beziehungsleben zwischen Mensch und Gott.
Aha, hm.
Von allen inneren Dunkelheitserfahrungen unterscheidet sich die dunkle Nacht dadurch, dass
ihr biografisch eine positive religiöse Erfahrung vorausgeht: ein Berührt-Sein von der Gegen-
wart Gottes, ein (wenigstens ahnungshaftes) Erkennen seiner Herrlichkeit und Größe, ein Inne-
werden göttlicher Liebe – eine „Berührung“ (toque) mit der Wirklichkeit, die sich hinter dem
Namen Gott verbirgt. Diese Erfahrung göttlichen Lichtes bewirkt über kurz oder lang die Er-
fahrung dunkler Nacht. Jedoch nicht aufgrund menschlichen Verschuldens. Gott selbst, oder
genauer: das „Erwachen der Seele“9 für die Wirklichkeit Gottes, ist die Ursache dieser Dunkel-
heit.
Diese "dunkle Nacht" wäre also etwas, das nach einer z.B. spirituellen Erfahrung empfunden würde, die vergangen ist, endete, so nicht mehr lebendig erfahren wird? Dann wäre da wohl noch einiges vom Menschen zu entscheiden in Richtung Gott?
Die „Nacht des Sinnenbereiches“ meint die Erfahrung, dass angesichts des Angerührt-Seins
von der Nähe des liebenden Gottes alles, was zuvor den Sinnen funkelte, seinen Absolutheits-
wert verliert. Der Mensch weiß nun – „ohne zu wissen, wie“10 –, dass alles Geschöpfliche, alles,
was dem Bereich der menschlichen Sinne zugänglich oder vorstellbar ist, nicht das Letzte sein
kann.
Empfindet jemand so? Naja, wenn man sich anschaut was da draußen auf der Erde los ist ... Ich zumindest wohl eher nie, würde ich sagen.
Von nun an lässt sich die „geheime Erkenntnis“11 nie mehr schadlos verdrängen oder aus
der Seele verscheuchen, dass alles ein „Nichts (nada)“ wäre, würde es nicht auf die göttliche
Wirklichkeit hin ausgerichtet, die sich in stillem Innewerden kundgetan hat.
Aha.
Eine gewisse
„Wehmut“ zieht in die Seele ein, ja eine nicht mehr aufzuhaltende Einsamkeit, durchaus einer
Schwermut ähnlich, und doch nicht mit ihr identisch.
Wäre ja schonmal gut.
Sie befreit den Menschen mehr und mehr von
den noch ungeordneten Bindungen an alles Vorletzte. Sie hilft ihm, die bisherige (auch unbe-
wusste) Werteskala auf das Wesentliche hinzuordnen und die Glaubens- und Lebenseinstellung
noch einmal neu durchzubuchstabieren.
Aha, vermutlich Vorausetzung wenn jemand z.B. im Jakobgut mitwohnen wollte?
In der Nacht des Sinnenbereiches entgleiten bzw. relativieren sich die Dinge,
die Werte und die Menschen; in der Nacht des Geistes entgleitet Gott. Die Kräfte des Gemüts
und des Verstandes sind einfach überfordert mit dem „Erwachen Gottes in der Seele“.
Und manche "Glaubenshelden" meinen vermutlich das müsse unbedingt immer so sein und wenn nicht dann sei ein Erleben fragwürdig. Ist es aber nicht nur deswegen, würde ich sagen.
Es ist, als wären Seele und Geist nicht mehr in der
Lage, es wie vor dem zu erspüren. Von hilfloser Lethargie bis zu abgrundtiefer Verlassenheit
reicht die Skala der Intensität solcher Nachterfahrung.
Und ich meine, das hätte dann immer einen Grund, es gäbe da immer manche Zurückweisung von Gott, die dann überwunden werden muß. Nicht jedes spirituelle Erfahren ist aus eigenem Zustand, aus "den eigenen Vater". "Lichtblicke" können eine von außen vermittelte Schau sein oder auch Folge einer momentanen Hinwendung des Menschen, die aber nur auf einen momentanen Zustand zurückginge, keinen so fundamentalen der eigenen Seele, der eigenen geistigen Ausrichtung aus "geistigen Ergreifen".
Was den Sinnen fun-
kelte, trägt nicht mehr, und was den Geist so lichtvoll erfüllte, ist nicht mehr zu greifen. Es ist
Nacht, dunkle Mitternacht.
Und so soll das dann auch sein, dem Menschen zeigen, daß da noch dies und das zu tun, abzulegen wäre.
Nur eines bleibt: das gottverwundete Herz – und das sichere Wissen,
dass Geringeres als das von Gott her Erfahrene nicht mehr genügt.
:)
Solche „Nichterfahrung
Gottes“ ist also nicht Zeichen der Abwesenheit, sondern des wachsenden Bewusstwerdens für
die Gegenwart Gottes.
In gewisser Hinsicht mag das wohl oft so sein.
Was dann in solcher Dunkelheit als Verlassenheit interpretiert wird, ist
in Wirklichkeit ein Reinigungs- und Reifungsprozess, der frei macht von einer noch recht
selbstsüchtigen Frömmigkeit, die, wie Juan sagt, Gott „haben“, „genießen“ und „festhalten“
will.
Das sehe ich nicht so. Wobei soetwas was da genannt wird wohl schon dabei eine Rolle spielen kann, wenn jemand "herausfällt".
Wie eine zwischenmenschliche Beziehung in einer solchen Haltung nicht gelingen kann,
so auch die Gottesbeziehung nicht. „Freundschaft mit Gott“ kann nur entstehen, wenn ich sagen
lerne: Gott, du darfst Gott sein; du darfst mir nahe sein, wenn du mein Herz anrühren willst, du
darfst aber auch der scheinbar ferne Gott sein, wenn du „fern“ sein willst.
Hm.
Juan rät nicht, eine solche Dunkelheit zu vermeiden bzw. zu beseitigen; die dunkle Nacht ist anzu-
nehmen und zu bestehen. Auch die dunkle Nacht ist Gottesbeziehung und Leben in der Gegen-
wart Gottes.
Hm, das wird in christlichen Zusammenhängen ja immer wieder behauptet, das Erleben Gott sei gerade fern sei auch eine Art der Gegenwart Gottes. Ich sehe das skeptisch. Es dient letztlich dem Guten, ja, so kann der Mensch dies und das in dem er Gott ablehnt oder manches bevorzugt das Gottes Geist entgegengerichtet ist noch ändern.
Sie ist die Frucht der dunklen Nächte in
Sinnenbereich und Geist. Glaubensvorstellungen und Gottesbild sind nun aus ihrer früheren
Enge herausgetreten, und mit ihnen das Menschen- und das Selbstbild, das Welt- und das Kir-
chenbild; es ist, als haben Geist und Seele jetzt eine ganz neue, vorher nicht geahnte Weite für
Gott, für seine Wahrheiten, für seine Schöpfung
Aha? Naja, wenn jemand mal solche enge Bilder übernommen hatte, wohl oft wenn jemand in einer christlichen Familie aufwuchs oder so? Gut, zur damaligen Zeit war das wohl in anderer Weise Norm als heute.
Doch Juan ist und bleibt der große Realist.
Er nennt selbst ein Leben mit Gott in der so gewonnenen Freiheit und Weite eine Nachterfah-
rung: Es ist „die Nacht, die Gott ist“.16 Gott ist die Sonne des neuen Tages, in deren volles Licht
die Augen erst schauen können, wenn sie von ihm vollendet und wie die seinen geworden sind.
Hm.
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- Registriert: Sa 3. Okt 2015, 11:42
Re: Die dunkle Nacht der Seele
Johannes vom Kreuz; Empor den Karamellberg; Vorrede hat geschrieben:1 Um zu erklären und verständlich zu machen, durch welche dunkle Nacht die Seele geht, um zum göttlichen Licht vollkommener Liebesvereinigung mit Gott zu gelangen, so weit es in diesem Leben möglich ist, bedürfte es eines helleren Lichtes der Wissenschaft und Erfahrung als das meine es ist;
Dem will ich nicht widersprechen. ;)
denn für gewöhnlich müssen die glücklichen Seelen so viele und so tiefe Finsternisse und Mühen durchschreiten, um diesen hohen Stand der Vollkommenheit zu erreichen, daß weder menschliche Wissenschaft zureicht, sie zu verstehen, noch Erfahrung, sie zu beschreiben. Nur wer solches durchlitten hat, kann es nachfühlen, nicht aber ausdrücken.
Ich weiß ja nicht, ist es gewöhnlich so? Mag schon sein, zwangsläufig aber nicht, würde ich sagen.
3 Antrieb zu einem so schwierigen Unternehmen ist mir nicht die Meinung, ich sei dazu fähig, sondern das Vertrauen auf den Herrn, der mir helfen wird, etwas von dem zu sagen, was vielen Seelen überaus nötig ist. Beginnen sie nämlich den Weg der Tugend, so will unser Herr sie durch diese dunkle Nacht zur göttlichen Vereinigung führen; sie aber schreiten nicht voran.
Wer in diesem Forum schon etwas mehr mitlas, der kann sich auch vorstellen wieso es bei "Tugendhaften" eventuell so sein könnte.
Manchmal wollen sie nicht ins Dunkel eintreten, noch sich hineinziehen lassen. Manchmal verstehen sie es nicht, und es mangelt ihnen an geeigneten und erfahrenen Führern, sie auf den Gipfel zu geleiten.
Was soll das jetzt bedeuten? Gerade der erste Satz? Gut, bezogen auf die "Nacht des Sinnenbereiches" könnte ich noch folgern, daß gemeint sein könnte, jemand wolle nicht von einem Empfinden der "funelnden Sinne" loslassen mag? Na mal sehen, wie es an der Stelle weitergeht.
Es ist beklagenswert, so viele Seelen zu sehen, denen Gott Gaben und Gnaden verleiht, damit sie vorankommen, und faßten sie Mut, so erreichten sie diesen hohen Stand; sie aber bleiben bei ihrer niedrigen Weise, mit Gott zu verkehren, weil sie es nicht anders wollen oder wissen oder niemand da ist, sie auf den Weg des Lassens jener Anfänge zu führen.
Hm. und was hätte das mit "der Nacht" zu tun?
Begnadet unser Herr sie endlich so sehr, daß sie ohne dieses und jeneshindurchkommen, so gelangen sie doch viel später und mühseliger und weniger verdienstvoll ans Ziel, weil sie sich Gott nicht fügten, sich nicht freiwillig auf den lauteren und sicheren Weg der Vereinigung bringen ließen.
Nicht freiwillig also. Aber wie soll das mit "der Nacht" zusammenhängen?
Wohl ist es in Wahrheit Gott, der sie trägt - und er kann sie tragen ohne ihr Zutun -,sie aber lassen sich nicht tragen. Da sie nun seinem Griff widerstehen, kommen sie wenig voran und verdienen nicht so viel, da sie den Willen nicht einsetzen; dadurch aber leiden sie noch mehr. Es gibt Seelen, die, statt sich Gott zu überlassen und mitzuwirken, ihn vielmehr behindern durch ihr unkluges Handeln und ihren Widerstand. Sie gleichen kleinen Kindern: wenn ihre Mütter sie auf den Arm nehmen wollen, strampeln und weinen sie, weil sie durchaus selber gehen wollen, obwohl sie es nicht können oder doch nur mit Kinderschritten.
Den Willen nicht einsetzen, hm. Wie sollten sie denn seiner Meinung nach? Indem sie sich Gott nicht überlassen wohl, ja dann kann der Mensch sich selbst von eingehenderem spirituellem Erfahren abhalten. Und wenn soeine Konstellation vorliegt würde soeine Erfahrung wohl auch begrenzter sein, wieder enden, dann nicht mehr zugänglich daliegen, ja.
4 Damit sie es also lernen, sich von Gott tragen zu lassen, wenn Seine Majestät sie voranbringen will, seien sie nun Anfänger oder Fortgeschrittene, geben wir hier dazu Lehre und Weisung, so daß sie verstehen, um was es geht, oder zumindest sich Gott überlassen. Es gibt Seelenführer und Beichtväter, denen Licht und Erfahrung auf diesen Wegen mangelt. Sie pflegen daher solche Seelen mehr zu behindern und zu schädigen, als ihnen voranzuhelfen.
Sag was Neues. ;)
Es ist hart und mühsam, wenn eine Seele in solcher Verfassung sich selbst nicht begreift und niemanden findet, der sie verstünde. So kann es geschehen, daß Gott eine Seele den Höhenpfad dunkler Beschauung und Trokkenheit führt, sie aber wähnt sich verloren. Und da sie so voll Dunkelheit und Schwierigkeiten, Widerwillen und Versuchungen ist, kommt noch jemand gleich den Tröstern des Job und sagt, dies sei Melancholie, Schwermut oder Anlage; es könnte sogar irgendeine ihr eigene versteckte Bosheit daran schuld tragen, daß Gott sie verlassen habe. Daraus schließen sie dann, diese Seele müsse arg böse gewesen sein, da ihr solches zustoße.
Aha, er vergleicht also "die Nacht" mit dem was Hiob widerfahren war und es verkehrt sei "eigene versteckte Bosheit" zu vermuten. Nun, das würde ich in der Regel aber durchaus tun. Aber es ist wohl schwierig jemandem zu vermitteln, wie er das dann fruchtbringend und handfest angehen könnte.
5 Vielleicht sagt ihr auch jemand, sie wende sich zurück, da sie an den Dingen Gottes keinen Geschmack und Trost finde wie ehedem. So verdoppeln sie der armen Seele die Pein; denn sie leidet ja ohnedies zutiefst an der Erkenntnis ihres eigenen Elends. Klarer als im Tageslicht erkennt sie sich voll Bosheit und Sünde; denn Gott verleiht ihr in dieser Nacht der Beschauung besonderes Licht der Erkenntnis, wie wir noch sagen werden.
Wieso bloß, wenn?
Findet sich nun jemand, der ihr darin zustimmt und gleich ihr meint, sie habe diesen Zustand wohl verschuldet, so wachsen Qual und Bitterkeit in der Seele grenzenlos und sie leidet mehr als Todespein.
Das wird ja immer doller. Und sagen kann man hier dan wohl auch schon: Mit der Situation bei Hiob hätte das dann wohl auch nicht viel zu tun. Aber klar: Darin irgendwie darin herumzustochern löst das alles nicht.
Damit geben sich solche Beichtväter nicht zufrieden. Da sie Sünden als Ursache wähnen, lassen sie die Seelen sich um und um drehen und immer wieder Generalbeichte ablegen, was sie stets neu kreuzigt.
Hmhm.
Sie begreifen nicht, daß vielleicht zur Zeit nichts anderes angemessen ist, als sich einzig der Läuterung zu überlassen, die Gott vornimmt.
Das muß nicht falsch sein, aber er schreibt ja nun selbst, daß manchmal Leute jahrelang in soetwas feststecken würden.
Trösten und ermutigen sollte man sie, damit sie solange einwilligen, wie Gott es will. Solange nämlich gibt es kein Heilmittel dagegen, mag man noch so viel tun und reden.
Wäre schon gut, aber daß reden nichts bringen soll halte ich für falsch. Aber nicht irgendwie reden, sondern mit wem,der auch "Ahnung" hat. Und das mag bei den Leuten, die ihn dazu wohl "inspirierten" kaum der Fall gewesen sein, sehr verwunderlich wäre das wohl nicht aus Erfahrung gesprochen.
6 Davon also wollen wir mit Gottes Gnade im Folgenden handeln und sagen, wie Seele und
Beichtvater sich gegeneinander zu verhalten haben, und welche Anzeichen erkennen lassen, ob die
Seele sich in Läuterung befinde. Ferner, ob diesenfalls die Sinne oder der Geist geläutert werden (dies
nennen wir dunkle Nacht), und wie man erkennen kann, ob es sich um Melancholie oder einen an-
deren Schaden an Sinn oder Geist handelt. Es könnte nämlich auch sein, daß manche Seelen oder
deren Beichtväter meinen, Gott führe sie auf diesem Wege dunkler Nacht geistlicher Läuterung, und
es ist vielleicht nicht dies, sondern die Folge einer der genannten Mängel. Andere Seelen wiederum
wähnen, sie könnten nicht innerlich beten und beten doch gar gut; andere hingegen halten viel auf ihr
Gebet, und es ist kaum mehr als nichts.
7 Bei manchen ist es ein Jammer, wie sehr sie sich plagen und abmühen, und doch geht es mit
ihnen abwärts. Sie suchen die Frucht in dem, was nicht fruchtet, sondern vielmehr behindert. Andere
wieder kommen in gelassener Ruhe weit voran. Es gibt solche, die sich von eben den Gaben und Gna
den, die Gott ihnen zum Fortschritt verleiht, hemmen und hindern lassen, so daß sie nicht vorankom-
men. Gar vieles an Freuden und Leiden, an Hoffnung und Schmerz, begegnet den Wanderern auf
diesem Wege Gottes. Manches davon entspringt dem Geiste der Vollkommenheit, manches dem der
Unvollkommenheit. Von alledem wollen wir, mit Gottes Gunst, etwas sagen, damit jede Seele beim
Lesen irgendwie dahin komme, den Weg zu sehen, den sie wandelt oder wandeln sollte, wenn sie den
Gipfel dieses Berges zu erreichen strebt.
Aha. * das mit dem Karamellberg konnte ich nicht sein lassen ;)
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
Johannes vom Kreuz hat geschrieben:welche Anzeichen erkennen lassen, ob die Seele sich in Läuterung befinde. Ferner, ob diesenfalls die Sinne oder der Geist geläutert werden (dies nennen wir dunkle Nacht)
Es geht nach seinem Verständnis also zumindest schon um "Läuterung". Was wäre aber die Ausgangslage solcher Läuterungen, wenn nicht Zustände, die noch nicht so ganz "licht" wären?
Bei den von ihm kritisch gesehen Überlegungen könnte es sich eventuell auch um solche handeln, die in ihrem Ansatz "Sünde" eher als Taten des Menschen betrachten, weniger das was Menschen in ihrer Seele so oder so wollen macht? Dann könnten solche Überlegungen in der Tat ins Leere laufen, auch weil mit ihnen verbunden wohl eine eher gesetzliche Herangehensweise verbunden sein könnte, in der der Mensch doch eher durch eigenes "Sichverbiegen" solche Taten-Symptome wegzuschieben versucht. (Alles an sich nicht neu, soetwas könnte aber auch hier eine Rolle spielen dabei wieso er zu seinen dann so vorgenommenen Einordnungen kam.) Dann würde er vielleicht richtig erkannt haben, daß es gut wäre den Menschen zu vermitteln mehr von dem in sich wirken zu lassen, was in ihnen wirklich seelisch wäre.
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
1.5.2 hat geschrieben:Sehr unwissend ist also die Seele, wenn sie meint, in den erhabenen Stand der Vereinigung mit
Gott eingehen zu können, ohne sich zuvor ihres gesamten hinderlichen Begehrens nach Natürlichem
und Übernatürlichem entledigt zu haben, wie wir noch erklären werden; denn es besteht eine äußers-
te Entfernung zwischen diesen Dingen und dem, was dieser Stand gewährt, nämlich der lauteren Um-
gestaltung in Gott. Darum sagt unser Herr, da er uns diesen Weg lehrt, durch den hl. Lukas: Qui non
renuntiat omnibus quae possidet, non potest meus esse discipulus. - Wer nicht allem entsagt, was er besitzt,
kann mein Jünger nicht sein (14, 33). Dies ist klar. Der Sohn Gottes kam, um die Geringschätzung aller
wertlosen Dinge zu lehren, damit man den Wert des Gottesgeistes in sich aufnehmen könne. Solange
die Seele sich nicht von allem losmacht, mangelt ihr die Fähigkeit, den Geist Gottes in reiner Umge-
staltung aufzunehmen.
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- Registriert: Sa 3. Okt 2015, 11:42
Re: Die dunkle Nacht der Seele
2.1 hat geschrieben:1 In dieser zweiten Strophe besingt die Seele das glückliche Geschehen, das sie in der Entblößung
des Geistes von allen geistigen Unvollkommenheiten und allem Besitzstreben im Geistigen erlebte.
Dies ist für sie ein viel größeres Glück ob der größeren Schwierigkeit, dieses Haus des geistigen Teiles
zu beruhigen, um ins innere Dunkel der geistigen Entblößung von allen Dingen, den sinnlichen wie
geistigen, einzugehen, nur gestützt auf den reinen Glauben und durch ihn aufsteigend zu Gott.
Darum spricht sie von Treppe und Heimlichkeit; denn alle ihre Stufen und Stützen sind geheim
und sowohl den Sinnen wie dem Verstande verborgen. Und so verbleibt sie im Dunkeln, ohne Licht
vom Fühlen und Verstehen her, überschreitet alle Schranken der Natur und Vernunft, um aufzustei-
gen, die göttliche Treppe des Glaubens hinan, die empordringt bis in die Tiefen Gottes. Darum sagt
sie auch, sie gehe vermummt; denn im Glauben aufsteigend wandelt sie ihre natürliche Tracht und
Gewandung und ihr natürliches Gebaren ins Göttliche. Und so war diese Vermummung der Grund,
daß sie weder vom Zeitlichen, noch vom Vernunftgemäßen, noch vom Teufel erkannt und aufgehalten
wurde; denn nichts von alledem kann dem schaden, der den Weg des Glaubens wandelt. [...]
2 Darum sagt sie, sie konnte im Dunkeln sicher gehen. Wer nämlich das Glück hat, im Dunkel
des Glaubens zu wandeln, und ihn zum Blindenführer wählt, der entrinnt allen natürlichen Einbil-
dungen und geistigen Spekulationen und geht, wie gesagt, ganz sicher dahin. Sie sagt ferner, beim
Entweichen in diese geistige Nacht ließ sie ihr Haus schon tief in Ruhe stehen, nämlich den geistigen
und vernünftigen Bereich; denn so wie die Seele zur Vereinigung mit Gott gelangt, ruhen im geistigen
Bereich ihre natürlichen Vermögen, Antriebe und Wünsche. Darum spricht sie hier nicht mehr vom
Sehnsuchtsbrand, der sie austrieb in die erste Nacht der Sinne. Um nämlich in die Nacht der Sinne
einzugehen und sich alles Sinnenhaften zu entblößen, bedurfte es der fühlbaren Liebessehnsucht zum
Vollbringen der Flucht. Um aber das Haus des Geistes völlig zu beruhigen, ist nur die Verneinung aller
geistigen Vermögen und Begehren im reinen Glauben erfordert. Ist dies geschehen, so vereinigt sich
die Seele dem Geliebten in Einfalt und Lauterkeit und Liebe und Ähnlichkeit. [...]
3 Es ist auch zu beachten, daß die Seele in der ersten Strophe, als vom sinnlichen Bereich die
Rede war, sagt, sie sei in dunkler Nacht entflohen; nun aber, da sie vom geistigen Bereich spricht, setzt
sie dafür Dunkelheit: denn die Finsternis ist im geistigen Bereich viel dichter. Die Dunkelheit an sich
ist finsterer als eine dunkle Nacht. So dunkel eine Nacht auch sei, man sieht doch ein wenig; in der
Dunkelheit aber sieht man nichts. So blieb der Nacht der Sinne immerhin noch etwas Licht, denn
Erkennen und Überlegen blieben ihr ungeblendet. Doch die Nacht des Geistes, das ist der Glaube,
entzieht ihr alles, das Verstehen wie das Fühlen. Darum sagt die Seele nun, sie gehe sicher, gedeckt von
Dunkelheit, was sie zuvor nicht sagte. Je weniger nämlich eine Seele aus eigener Fähigkeit wirkt, um
so sicherer geht sie, denn um so mehr wandelt sie im Glauben.
"Besitzstreben im Geiste", Antriebe und Wünsche, aha.
Das Erste wäre dann vielleicht ein gewisser Stand, den ein Wesen für sich als "gerechten Besitz" erachten würde und wenn der nicht mehr vorgefunden würde, dann würde begonnen mit Gott zu hadern? Weil auch gar nicht solche echte Nähe zu ihm bestünde, sondern eine gewisse Gefälligkeit aufgrund eines seelischen Standes? Da wären wir vielleicht dann berechtigtermaßen beim Fall Hiob.
Was Antriebe und Wünsche angeht, von deren Bedeutung rede ich ja eh viel. Aber ob er es ähnlich meint? Ich gestehe, teils bin ich schon überrascht gewesen wie fragwürdig manche bisherige Passagen in diesem Werk spirtuell gesehen auf mich wirken.
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
2.24 hat geschrieben:Von zwei Weisen geistiger Schau übernatürlichen Ursprungs.
1 Spreche ich nun eingehend von der geistigen Schau ohne Vermittlung von seiten eines der kör-
perlichen Sinne, so sage ich, daß diese Schau auf zwei Weisen dem Verstande einleuchten kann: sie hat
entweder körperliche Wesen oder jenseitige, unkörperliche Wesen zum Gegenstand. Die Schau von
Körperwesen umfaßt alles Stoffliche im Himmel und auf Erden. Die Seele kann es, solang sie noch im
Leibe ist, schauen mittels eines gewissen übernatürlichen, von Gott ausfließenden Lichtes, in dem sie
alle abwesenden Dinge des Himmels und der Erde wahrzunehmen vermag. So lesen wir im einund-
zwanzigsten Kapitel der Apokalypse von der Schau des hl. Johannes. Da beschreibt er die Herrlichkeit
des himmlischen Jerusalem, das er im Himmel schaute. Auch vom hl. Benedikt ist zu lesen, daß er in
einer geistigen Schau die gesamte Welt erblickte 16 . Von dieser Schau bezeugt der hl. Thomas in der ers-
ten seiner Quaestiones quodlibetae, sie sei in dem erwähnten von oben er fließenden Licht erfolgt.
2 Die andere Schau, von unkörperlichen Wesen, kann nicht in dem hier angeführten fließenden Lich-
te zustandekommen, sondern nur in einem erhabenen Lichte, das Licht der Glorie genannt wird. Die
Schau unkörperlicher Wesen also, wie der Engel und der Seelen, kann in diesem Leben und im sterb-
lichen Leibe nicht erfolgen. Wollte Gott sie der Seele so wesenhaft zeigen, wie sie sind, so müsste sie
alsbald aus dem Leibe fahren und das sterbliche Leben lassen. Darum sprach Gott zu Moses, als dieser
ihn bat, Er möge ihn sein Wesen schauen lassen: Non videbit me homo, et vivet. - Kein Mensch schaut mich
und bleibt am Leben (Ex 33, 20). Wenn daher die Kinder Israels meinten, sie sollten Gott schauen oder
sie hätten Ihn oder einen der Engel gesehen, so fürchteten sie zu sterben. Aus Furcht davor sagten sie,
wie das Buch Exodus berichtet: Non loquatur nobis Dominus, ne forte moriamur. - Der Herr rede nicht mit
uns, damit wir nicht etwa sterben (20, 19). Auch im Buche der Richter lesen wir von Manue, dem Vater
Samsons, er habe gemeint, den Engel, der mit ihm und seiner Frau sprach, nach seinem wahren Wesen
gesehen zu haben (er war ihm jedoch in Gestalt eines sehr schönen Mannes erschienen), und sagte
daher zu seinem Weibe: Morte moriemur, quia vidimuss Dominum. - Wir werden des Todes sterben, denn wir
haben den Herrn geschaut (13, 22.).
3 Eine solche Schau ist also nicht Sache dieses Lebens, außer irgend einmal ganz flüchtig, wo-
bei Gott die natürliche Lebensbedingung aufhebt oder bewahrt, den Geist ganz entführt und den
natürlichen Dienst der Seele am Leibe gnadenhaft ersetzt. Nimmt man daher an, der hl. Paulus habe
sie geschaut, nämlich die jenseitigen Wesen im dritten Himmel, so bedeuten die Worte des Heiligen:
Sive in corpore, sive extra corpus nescio: Deus seit (2Kor 12, 2), er sei entrückt worden und weiß nicht, ob
er das, was er sah, im Leibe oder außer dem Leibe schaute; Gott weiß es. Daraus geht klar hervor, daß er
über das natürliche Leben hinausgehoben war; das Wie steht bei Gott. Und nimmt man desgleichen
an, daß Gott dem Moses sein Wesen gezeigt habe, so lesen wir darüber, was Gott ihm sagte: Er werde
ihn in die Felskluft stellen und ihn mit der Rechten schützend bedecken und schirmen, damit er nicht
am Vorüber gang seiner Herrlichkeit sterbe. Dieser Vorübergang war ein flüchtiges Sichzeigen, wobei
Gott mit seiner Rechten das natürliche Leben des Moses bewahrte (Ex 33, 22). Doch eine solche
Wesensschau, wie sie dem heiligen Paulus und Moses zuteil wurde und auch unserem Vater Elias der
beim sanften Säuseln Gottes sein Antlitz verhüllte kommt, so flüchtig sie ist, nur äußerst selten vor,
ja fast nie oder doch sehr vereinzelt. Gott verleiht sie solchen, die sehr stark sind durch den Geist der
Kirche und des göttlichen Gesetzes, wie es die drei oben genannten waren.
4 Eine geistige Wesensschau kann also in diesem Leben nicht unverhüllt und klar mit dem Ver-
stande wahrgenommen, doch sie kann im Wesen der Seele durch lieblichste Berührungen und Be-
gegnungen gefühlt werden. Dies gehört zu den geistigen Empfindungen, von denen wir mit Gottes
Gunst später sprechen wollen. Denn dahin ist ja unsere Feder ausgerichtet und unterwegs, zu dieser
göttlichen Begegnung und Vereinigung mit der göttlichen Wesenheit. Wir werden dies zusammen mit
der noch nicht erklärten mystischen und undeutlichen oder dunklen Einsicht behandeln und darle-
gen, in welcher Weise Gott sich mittels dieses liebevollen und dunklen Erkennens der Seele in hohem
und göttlichem Grade vereinigt. Denn dieses liebevolle, dunkle Erkennen; nämlich der Glaube, dient
in diesem Leben in gewisser Weise so der göttlichen Vereinigung wie im anderen die klare Schau Got-
tes.
5 Indessen besprechen wir die Schau von Körperwesen, die in die Seele geistig eindringt, und
dies auf die Weise körperlicher Visionen. Denn so wie die Augen mittels des natürlichen Lichtes kör-
perliche Gegenstände sehen, so sieht die Seele durch den Verstand mittels des übernatürlich ausflie-
ßenden Lichtes (von dem wir sprachen) innerlich die gleichen natürlichen Dinge und andere, wie
Gott es will. Doch es besteht ein Unterschied in der Art und Weise. Die geistige Verstandesschau ist
nämlich viel heller und feiner als körperliche Visionen. Sowie Gott einer Seele diese Gnade erweist,
teilt Er ihr auch das erwähnte übernatürliche Licht mit, in dem sie leicht und sehr klar die Dinge sieht,
die Gott ihr zeigen will, bald himmlische, bald irdische, ohne irgendeine Behinderung, seien sie nun
(in diesem Falle) abwesend oder gegenwärtig. Bisweilen ist es, als öffnete sich eine strahlend helle
Pforte, durch die ihr ein Licht, gleich einem Blitz in dunkler Nacht, plötzlich die Dinge beleuchtet zu
klarer, deutlicher Sicht. Dann sinken sie wieder ins Dunkel, doch die Formen und Gestalten haften in
der Phantasie, ja sie prägen sich der Seele so vollkommen ein, daß sie die in jenem Licht geschauten
Dinge bei jeder Erinnerung so in sich schaut wie einst, etwa wie man im Spiegel die sich spiegelnden
Formen wahrnimmt, so oft man hineinblickt, und dies in einer Weise, daß die Gestalt der so geschau-
ten Dinge der Seele niemals ganz entschwindet, wenn sie auch mit der Zeit verblaßt.
6 Die Wirkung einer solchen Schau in der Seele ist Ruhe Erleuchtung, Freude nach Art der Glo-
rie, Milde, Reinheit und Liebe, Demut und Neigung oder Erhebung des Geistes zu Gott, bald mehr,
bald weniger; bald mehr das eine, bald mehr das andere, je nach dem sie empfangenden Geist und
dem Willen Gottes.
7 Auch der Teufel kann eine solche Schau in der Seele hervorbringen mittels irgendeines na-
türlichen Lichtes, durch das er suggestiv im Geiste Dinge beleuchtet, seien sie nun gegenwärtig oder
abwesend. Sagt der hl. Matthäus (4,8), vom Teufel: ostcndit omnia regna mundi el gloriam eorum, - er
zeigte Christus alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit, so dürfte er dies nach Ansicht einiger Lehrer
durch geistige Suggestion bewirkt haben; denn mit leiblichen Augen konnte er Ihn nicht alle Reiche
der Welt und ihre Herrlichkeit schauen lassen. Doch zwischen dieser durch den Teufel verursachten
Schau und der von Gott stammenden besteht ein großer Unterschied. Denn jene wirkt anders als die
gute, nämlich eher Trockenheit des Geistes im Verkehr mit Gott und Neigung zu Selbstgefühl, wie
auch den Hang, solche Visionen zuzulassen und hochzuschätzen. In keiner Weise aber bewirken sie
Sanftmut, Demut und Gottesliebe. Auch bleiben die Gestalten der Seele nicht mit so milder Klarheit
eingeprägt wie die anderen, währen auch nicht so lange, verlöschen vielmehr bald wieder, außer die
Seele hält sehr viel davon. Dann bewirkt nämlich diese Hochschätzung, daß sie sich ihrer auf natürli-
che Weise erinnert. Doch sie bleibt dabei ganz trocken und erfährt nicht die Wirkung der Liebe und
Demut, die eine gute Schau verursacht, sooft man sich ihrer erinnert.
8 Ein solches Schauen von Geschöpfen, die zu Gott in keinem wesentlichen Verhältnis stehen
und ihm in keiner Weise entsprechen, kann dem Verstande nicht als nächstes Mittel zur Vereinigung
mit Gott dienen. So geziemt es der Seele, sich rein ablehnend gegen sie zu verhalten (wie wir es hin-
sichtlich der anderen sagten), um durch das nächste Mittel, nämlich den Glauben, voranzuschreiten.
Darum darf die Seele die Bilder, die ihr von solcher Schau eingeprägt bleiben, nicht aufspeichern,
noch als Schatz hüten, noch sich darauf stützen; denn solche Formen, Bilder und Personen, die im
Innern residieren, würden sie behindern und sie ginge nicht den Weg der Verleugnung aller Dinge zu
Gott. Indessen würden solche Bilder, wenn sie ihr auch stets gegenwärtig blieben, sie nicht sonderlich
behindern, falls sie kein Wesen daraus machte. Wohl ist es wahr, daß eine solche Erinnerung die Seele
einigermaßen zur Gottesliebe und Beschauung anregt; doch viel anregender und erhebender ist der
reine Glaube und die Entblößung, in der die Seele, alledem gegenüber im Dunkel, nicht weiß, wie und
woher ihr solches geschieht. So kann es vorkommen, daß die Seele in sehr reiner Liebessehnsucht zu
Gott entflammt ist, ohne zu wissen, woher dies kommt und worauf es gründet. Genau in dem Maße
nämlich, in dem der Glaube Wurzel faßt und tiefer in die Seele eindringt durch Leere und Dunkel
und Entblößung von allen Dingen oder Armut des Geistes - was alles dasselbe bedeutet -, faßt auch
die Liebe zu Gott in der Seele Wurzel und dringt tiefer ein. Je mehr also die Seele all den äußeren und
inneren Dingen gegenüber, die ihr zuteil werden könnten, verdunkelt und vernichtet sein will, um
so tiefer wird sie von Glauben durchdrungen und folglich von Liebe und Hoffnung; denn diese drei
theologischen Tugenden gehen zusammen.
9 Zuweilen jedoch begreift und fühlt der Mensch diese Liebe nicht; sie hat ja ihren Sitz nicht in
zärtlichem Empfinden, sondern in der Seele, die nun mehr Kraft und Mut und Kühnheit besitzt als zu-
vor, was jedoch bisweilen auch zart und lind ins Gefühl überströmt. Um aber zu solcher Liebe, Freude
und Lust zu gelangen, die von dieser Schau in der Seele bewirkt werden können, muß sie Kraft und
Abtötung und Liebe haben, so daß sie alldem gegenüber in Leere und Dunkelheit bleiben und ihre
Liebe und Lust auf das gründen will, was man weder sieht, noch sehen oder fühlen kann in diesem
Leben, nämlich auf Gott, der unfaßbar und über allem ist. Darum geziemt es sich, auf dem Wege voller
Entsagung zu Ihm zu gehen; anders nicht. Gesetzt den Fall, die Seele ist scharfsichtig, demütig und
stark genug, sich vom Teufel nicht betrügen und zu irgendeiner Anmaßung verleiten zu lassen, so wird
sie unablässig voranschreiten, mag der Teufel auch der geistigen Blöße, der Armut des Geistes und
der Leere des Glaubens, deren die Seele zur Vereinigung mit Gott bedarf, noch so viele Hindernisse
entgegenstellen.
10 Da sich auf solche Visionen dieselbe Lehre anwenden läßt, die wir im neunzehnten und zwan-
zigsten Kapitel hinsichtlich der übernatürlichen Visionen und Wahrnehmungen der Sinne gebracht
haben, wollen wir hier keine Zeit durch Wiederholung verlieren.
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
Ergänzend zu dessen Position:
3.13 hat geschrieben:2 Doch du wirst vielleicht fragen, warum denn viele Geisteslehrer den Seelen raten, sie mögen
trachten, aus den Mitteilungen und Empfindungen von seiten Gottes Gewinn zu ziehen; sie mögen
auch gerne etwas von Ihm empfangen, damit sie Ihm etwas zu geben haben; denn gibt Er uns nichts,
so haben wir Ihm nichts zu geben. Sagt der Hl. Paulus nicht: Löschet den Geist nicht aus (1 Thess 5,
19)' Und der Bräutigam zur Braut: Setze mich wie ein Siegel atif dein Herz, wie ein Siegel auf deinen
Arm (Hl 8, 6). Dies ist doch etwas Wahrnehmbares. Dergleichen soll nun nach der oben gegebenen
Lehre insgesamt nicht erstrebt, es muß sogar, wenn Gott es schickt, abgewiesen und vermieden wer-
den. Und ist es nicht klar, daß wenn Gott etwas gibt, es zum Heile gibt und Gutes damit bewirken will.
Wir dürfen doch nicht Perlen zum Unrat werfen. Es ist auch eine Art von Hochmut, Göttliches nicht
zuzulassen, so als vermöchten wir auch ohne dieses, aus uns selbst, etwas zu leisten.
3 Um diesen Einwand zu lösen, müssen wir auf das in den Kapiteln 16 und 17 des Zweiten Bu-
ches Gesagte hinweisen, wo diese Frage großenteils beantwortet ist. Wir sagten nämlich: was von sei-
ten Gottes durch übernatürliche Wahrnehmungen in die Seele einströmt, bringt das Gute in ihr ohne
ihr Zutun im Augenblick des Einwirkens auf die Sinne hervor, ohne daß ihre Kräfte irgendwie mitwir-
ken. Es ist also nicht nötig, daß der Wille es ausdrücklich zulasse. Würde die Seele, wie wir auch sag-
ten, mit ihren Kräften wirken wollen, so wäre ihre natürlich niedrige Wirkweise eher ein Hindernis für
das, was Gott durch das Wahrnehmbare in ihr wirken will, als ein durch ihr Mittun erreichter Gewinn.
Der Geist jener bildhaften Wahrnehmungen teilt sich der passiven Seele mit und so muß sie passiv
verharren, ohne sich irgendwie innerlich oder äußerlich mit ihrer Tätigkeit einzumengen. So bewahrt
man sich das Gottempfinden, wenn man es nicht durch die eigene niedrige Wirkweise verscherzt. Und
so löscht man auch den Geist nicht aus; ausgelöscht würde er nämlich, wenn die Seele sich nicht auf
Gottes Art verhalten würde. Dies täte sie aber, wenn Gott ihr den Geist in Passivität verleihen wollte
- wie Er es bei solchen Mitteilungen tut - und sie sich aktiv verhalten wollte durch Anwendung des
Verstandes oder durch den Wunsch, etwas herauszuholen. Dies ist klar; denn will die Seele gewaltsam
etwas tun, so kann ihr Tun nur natürlich sein, weil sie ja aus sich nicht mehr vermag. Zum Übernatür-
lichen erhebt sie sich nicht selbst, denn das kann sie nicht, sondern Gott erhebt sie dazu und fügt sie
ein. Setzt nun die Seele ihre Kraft ein, soweit sie es vermag, so verhindert sie mit ihrem aktiven Wirken
das passive, das Gott ihr mitteilt, nämlich den Geist; sie geht ja an ihr eigenes Werk und dies ist von
anderer Art und niedriger als das Gotteswirken ; denn Gott wirkt passiv und übernatürlich, die Seele
aktiv und natürlich; dies aber wäre ein Auslöschen des Geistes.
4 Es ist auch klar, daß die Seele in Niedrigkeit wirkt. Ihre Kräfte kommen ja aus sich selbst nicht
zum Denken und Tun außer mit Hilfe irgendeiner Form, Gestalt oder Abbildung. Diese aber ist nur
die äußere Schale und das Zufällige am Wesentlichen und Geistigen, das sich unter dieser Schale des
Zufälligen verbirgt. Wesen und Geist vereinen sich den Seelenkräften nicht in wahrer Einsicht und Lie-
be, ehe die Tätigkeit dieser Kräfte aufhört. Absicht und Ziel solcher Tätigkeit ist es ja, das in die Seele
aufzunehmen, was sie als Wesen der Formen erkennt und liebt. Nun ergibt sich zwischen aktivem und
passivem Wirken folgender Unterschied und Vorteil: ist sie aktiv, so ist sie am Tun; ist sie passiv, so ist
es schon getan. Aktiv ist sie wie jemand, der etwas erreichen möchte, passiv wie jemand, der es schon
erreicht hat. Daraus läßt sich auch entnehmen: wendet die Seele ihre Kräfte aktiv an solche übernatür-
liche Wahrnehmungen - während doch Gott, wie wir sagten, ihr deren Geist in passiver Weise mitteilt
- so täte sie nichts anderes, als das schon Erreichte aufgeben, um es nochmals anzustreben. So wird sie
sich des Erreichten nicht erfreuen und mit ihrer Geschäftigkeit es nur behindern. Sie kann ja (wie wir
sagten) aus eigenen Kräften den Geist nicht erreichen, den Gott ihr gibt ohne deren Einsatz. So wäre
es geradewegs ein Auslöschen des Geistes, den Gott mittels der bildhaften Wahrnehmungen eingießt,
wenn die Seele sie aufspeichern wollte. Sie muß sie also lassen und sich passiv und abweisend verhal-
ten. Dann wird Gott die Seele mehr erheben, als sie es könnte und wüsste. In diesem Sinne sagt der
Prophet: Ich will auf meiner Warte stehen, auf meinem Wachtturm innehalten und schauend lauschen, was er
mir wohl sagt (Hab 2,1). Er meint damit: über alles hinweg will ich meine Kräfte überwachen und nicht ei-
nen Schritt durch meine Tätigkeit vorangehen. So kann ich das, was Er mir sagt, beschauen und so werde
ich verstehen und verkosten, was mir übernatürlich zuteil wird.
5 Das angeführte Wort des Bräutigams ist von der Liebe zu verstehen, um die er die Braut bit-
tet. Der Liebe kommt es zu, die Liebenden einander im Wesentlichen anzugleichen. Darum sagt er, sie
möge ihn wie ein Siegel auf ihr Herz drücken (Hoheslied 8, 6). Von da gehen ja, wie aus einem Köcher, die
Liebespfeile aus, nämlich die Taten und Antriebe der Liebe. Sie sollen alle ihm gelten, der sie hier ver-
siegelt, und sollen alle für ihn sein. So gleicht sich die Seele durch die Taten und Regungen der Liebe
ihm an, bis zur Umgestaltung in ihn. Auch sagt er, sie möge ihn wie ein Siegel auf den Arm drücken;
denn der Arm vermag die Liebe auszuüben, da er den Geliebten umfängt und liebkost.
6 Bei allen Wahrnehmungen also, die der Seele von oben zukommen, sowohl den bildhaften
wie denen jeder anderen Art (ich halte von den Visionen nicht mehr als von den Ansprachen oder
Empfindungen oder Offenbarungen), hat sie dafür zu sorgen, sich bei Buchstaben und Schale nicht
aufzuhalten, um zu erforschen, was sie bedeuten oder darstellen oder zu verstehen geben. Sondern sie
achte einzig auf das Festhalten der Gottesliebe, die sie im Seeleninneren bewirken. Auf diese Weise
darf sie sich mit Empfindungen abgeben, nicht mit Empfindungen des Genusses oder der Süssigkeit
oder der Gestalt, sondern mit den Empfindungen der dadurch verursachten Liebe. Und einzig auf
diese Wirkung hin dürfte sie wohl manchmal sich des Bildes und der Wahrnehmung entsinnen, die in
ihr Liebe erweckten, um den Geist zur Liebe anzuregen. Zwar üben sie in der Erinnerung nicht mehr
so starke Wirkung aus wie bei der ersten Mitteilung; immerhin erneuert sich im Gedenken die Liebe
und das Gemüt erhebt sich zu Gott, besonders beim Innewerden übernatürlicher Gestalten, Bilder
oder Empfindungen, die sich der Seele so einzusiegeln und einzuprägen pflegen, daß sie lange Zeit
anhalten oder gar der Seele nie mehr entschwinden. Fast jedesmal, wenn sich die Seele deren erinnert,
die ihr so eingeprägt sind, bemerkt sie in sich göttliche Wirkungen der Liebe, der Milde, des Lichtes
usw., manchmal mehr, manchmal weniger; denn dazu wurden sie ihr eingeprägt. So aber erweist Gott
ihr eine große Gnade, da sie in sich einen Schacht voll von Schätzen hat.
7 Gestalten, die solche Wirkung üben, wohnen der Seele lebendig inne. Sie gleichen nicht den
von der Phantasie bewahrten Bildern und Formen. Darum hat die Seele es nicht nötig, sich an diese
Fähigkeit zu wenden, wenn sie sich jener erinnern will. Sie findet sie ja in sich und schaut sie wie ein
Bild im Spiegel. Ist es einer Seele verliehen, solche Gestalten formell in sich zu haben, so darf sie sich
ihrer wohl entsinnen um der besagten Liebeswirkung willen. Dadurch wird ihre Liebesvereinigung im
Glauben nicht behindert, da sie sich nicht an der Gestalt entzücken, sondern in der Liebe fördern will,
während sie die Gestalt gleich wieder läßt. So wird sie ihr eher helfen.
8 Es ist schwierig zu erkennen, wann diese Bilder der Seele und wann sie der Phantasie einge-
prägt sind; denn auch Phantasiebilder pflegen sehr häufig vorzukommen. Manche Personen haben
nämlich die Gewohnheit, bildhafte Visionen in Einbildungskraft und Phantasie zu bewahren, und
sie stellen sich diese sehr oft in eben jener gleichen Weise vor. Entweder weil sie ein sehr empfängli-
ches Wahrnehmungsorgan haben, so daß sich ihnen beim geringsten Gedanken daran sofort jene der
Phantasie gewohnte Gestalt vorstellt und abzeichnet; oder der Teufel stellt sie ihr vor oder auch Gott,
doch nicht so, daß sie der Seele formell eingeprägt würde. An den Wirkungen aber sind sie zu erken-
nen. Der natürlichen oder der teuflischen mag man sich noch so sehr erinnern, sie bringen weder eine
gute Wirkung noch eine Geisteserneuerung in der Seele hervor, sondern lassen im Schauen trocken,
obwohl immerhin die guten, wenn man sich ihrer entsinnt, etwas von dem Guten bewirken, das sie
der Seele beim ersten Mal gewährten. Die der Seele formell eingeprägten hingegen üben fast bei je-
dem Erinnern eine Wirkung aus.
9 Wer solches erfahren hat, wird leicht die einen von den anderen unterscheiden; denn der große
Unterschied ist dem Erfahrenen deutlich. Ich sage nur, daß solche, die der Seele formell und andau-
ernd eingeprägt sind, sehr selten vorkommen. Doch seien es nun diese oder jene: für die Seele ist es
gut, nichts begreifen, sondern in Glaube und Hoffnung zu Gott gehen zu wollen. Auf den anderen Teil
des Einwandes, daß es nämlich als Hochmut erscheint, etwas Gutes abzuweisen, sage ich, es ist viel-
mehr kluge Demut, sie auf die beste Weise auszunützen (wie gesagt wurde) und den sichersten Weg
zu gehen.
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
Ich bin mir noch unsicher, ob ich richtig verstehe wie er es gemeint hat und kommentiere mich nun einfach mal durch diesem Abschnitt durch.
Eine Sichtweise, der ich mich soweit anschließen würde.
Das wäre dann möglicherweise nach meiner Begrifflichkeit reines Angestrahltwerden von außen? Wäre es mehr, würden nach meinen Begriffen die Kräfte der Seele ebenfalls angeregt und tätig werden so empfunden wie eigenes innerstes Wollen.
Nein, es käme darauf an aus welchem Vater eine Seele denn gerade wollen würde. Andererseits halte ich es für durchaus möglich, daß er hier eine Ebene konditionierter Wirkungen, die über der Seele liegen meint und darauf verweist, daß dies so nicht zuträglich wäre. Dem würde ich dann durchaus zustimmen.
Wenn da noch stark in einer Seele wirkame Konditioniertheiten aktiv werden würden, dann könnten die es zunichtemachen, ja. Ginge es nicht darum, dann würde es wieder darauf ankommen aus welchem Geist ein Mensch denn eher ist, ob dieser dann "mitschwingt" oder "nicht stimmig dazu wäre". Sollte soetwas gemeint sein, dann würde Johannes vom Kreuz hier in gefährlicher Weise pauschalisieren, eventuell aus seinem zur Zeit der Verfassung begrenzten Horizont in diesen Dingen und - leider ja ein allgemeiner Klassiker - aus Unterschätzung der Vielfalt der seelischen Zustände verschiedener Menschen (auch wenn er sich in dieser Abhandlung vermutlich schon auf gemachte Erfahrungen mit einer größeren Anzahl anderer Menschen und deren teils mitgeteiltem spirituellem Erleben stützen dürfte).
Puh, ich vermute da versteht er die biblische Aussage krass falsch.
Ich meine, sie könnte bei entsprechender geistiger Verfasstheit durchau sauch aus Gott aktiv etwas wollen und "darin einstimmen" in einer gelingenden und sie noch weitertragenden Weise.
Wobei es ein tragisches Mißverständnis wäre "nichts ohne Gott können" in einer Weise von "Besessenheit durch Gott" falsch zu verstehen, statt im Sinne einer Belebung, Kräftigung des Geschöpfes entsprechend seiner wahren von Gott so gewollten Natur.
Nur wenn die Seele eher nicht wirklich Gott zum Vater hätte, würde ich meinen.
Hm.
"Zufälliges"? Aha?
Hm, Zeitlichkeit also. Nun wäre "Anstrahlung von außen" halt zwar ein Einfluß aber nicht ein wirklich eigener Zustand der Seele? Das mag derart wirken, ja.
Doch, aus bereits vorhandener (hierbei nicht unbedingt nötigerweise vollkommen umfassender) Einheit mit diesem.
Einander angleichen, hm.
Aha?
Ich sehe da gar keinen Gegensatz. Ist gemeint quasi "Geistiges auch geistig zu verstehen"? Dann würde ich dem soweit zustimmen.
Im Geist lebendig betrachtet möglicherweise schon, so wie ein Haus an dem man über viele Jahre immer wieder vorbeiläuft ja nicht immer mehr verschwindet deswegen.
Aha. ;)
Gut und irgendwie wieder ein bischen beruhigend was seine diversen Ausführungen angeht.
Na dann.
Schon möglich.
Das würde wohl so sein, ja.
3.13 hat geschrieben:Und ist es nicht klar, daß wenn Gott etwas gibt, es zum Heile gibt und Gutes damit bewirken will.
Wir dürfen doch nicht Perlen zum Unrat werfen.
Eine Sichtweise, der ich mich soweit anschließen würde.
Wir sagten nämlich: was von sei-
ten Gottes durch übernatürliche Wahrnehmungen in die Seele einströmt, bringt das Gute in ihr ohne
ihr Zutun im Augenblick des Einwirkens auf die Sinne hervor, ohne daß ihre Kräfte irgendwie mitwir-
ken.
Das wäre dann möglicherweise nach meiner Begrifflichkeit reines Angestrahltwerden von außen? Wäre es mehr, würden nach meinen Begriffen die Kräfte der Seele ebenfalls angeregt und tätig werden so empfunden wie eigenes innerstes Wollen.
Es ist also nicht nötig, daß der Wille es ausdrücklich zulasse. Würde die Seele, wie wir auch sag-
ten, mit ihren Kräften wirken wollen, so wäre ihre natürlich niedrige Wirkweise eher ein Hindernis für
das, was Gott durch das Wahrnehmbare in ihr wirken will, als ein durch ihr Mittun erreichter Gewinn.
Nein, es käme darauf an aus welchem Vater eine Seele denn gerade wollen würde. Andererseits halte ich es für durchaus möglich, daß er hier eine Ebene konditionierter Wirkungen, die über der Seele liegen meint und darauf verweist, daß dies so nicht zuträglich wäre. Dem würde ich dann durchaus zustimmen.
Der Geist jener bildhaften Wahrnehmungen teilt sich der passiven Seele mit und so muß sie passiv
verharren, ohne sich irgendwie innerlich oder äußerlich mit ihrer Tätigkeit einzumengen.
Wenn da noch stark in einer Seele wirkame Konditioniertheiten aktiv werden würden, dann könnten die es zunichtemachen, ja. Ginge es nicht darum, dann würde es wieder darauf ankommen aus welchem Geist ein Mensch denn eher ist, ob dieser dann "mitschwingt" oder "nicht stimmig dazu wäre". Sollte soetwas gemeint sein, dann würde Johannes vom Kreuz hier in gefährlicher Weise pauschalisieren, eventuell aus seinem zur Zeit der Verfassung begrenzten Horizont in diesen Dingen und - leider ja ein allgemeiner Klassiker - aus Unterschätzung der Vielfalt der seelischen Zustände verschiedener Menschen (auch wenn er sich in dieser Abhandlung vermutlich schon auf gemachte Erfahrungen mit einer größeren Anzahl anderer Menschen und deren teils mitgeteiltem spirituellem Erleben stützen dürfte).
So bewahrt
man sich das Gottempfinden, wenn man es nicht durch die eigene niedrige Wirkweise verscherzt. Und
so löscht man auch den Geist nicht aus; ausgelöscht würde er nämlich, wenn die Seele sich nicht auf
Gottes Art verhalten würde.
Puh, ich vermute da versteht er die biblische Aussage krass falsch.
Dies täte sie aber, wenn Gott ihr den Geist in Passivität verleihen wollte
- wie Er es bei solchen Mitteilungen tut - und sie sich aktiv verhalten wollte durch Anwendung des
Verstandes oder durch den Wunsch, etwas herauszuholen. Dies ist klar; denn will die Seele gewaltsam
etwas tun, so kann ihr Tun nur natürlich sein, weil sie ja aus sich nicht mehr vermag.
Ich meine, sie könnte bei entsprechender geistiger Verfasstheit durchau sauch aus Gott aktiv etwas wollen und "darin einstimmen" in einer gelingenden und sie noch weitertragenden Weise.
Zum Übernatürlichen erhebt sie sich nicht selbst, denn das kann sie nicht, sondern Gott erhebt sie dazu und fügt sie ein.
Wobei es ein tragisches Mißverständnis wäre "nichts ohne Gott können" in einer Weise von "Besessenheit durch Gott" falsch zu verstehen, statt im Sinne einer Belebung, Kräftigung des Geschöpfes entsprechend seiner wahren von Gott so gewollten Natur.
Setzt nun die Seele ihre Kraft ein, soweit sie es vermag, so verhindert sie mit ihrem aktiven Wirken
das passive, das Gott ihr mitteilt, nämlich den Geist; sie geht ja an ihr eigenes Werk und dies ist von
anderer Art und niedriger als das Gotteswirken ; denn Gott wirkt passiv und übernatürlich, die Seele
aktiv und natürlich; dies aber wäre ein Auslöschen des Geistes.
Nur wenn die Seele eher nicht wirklich Gott zum Vater hätte, würde ich meinen.
4 Es ist auch klar, daß die Seele in Niedrigkeit wirkt. Ihre Kräfte kommen ja aus sich selbst nicht
zum Denken und Tun außer mit Hilfe irgendeiner Form, Gestalt oder Abbildung.
Hm.
Diese aber ist nur
die äußere Schale und das Zufällige am Wesentlichen und Geistigen, das sich unter dieser Schale des
Zufälligen verbirgt.
"Zufälliges"? Aha?
Nun ergibt sich zwischen aktivem und
passivem Wirken folgender Unterschied und Vorteil: ist sie aktiv, so ist sie am Tun; ist sie passiv, so ist
es schon getan. Aktiv ist sie wie jemand, der etwas erreichen möchte, passiv wie jemand, der es schon
erreicht hat.
Hm, Zeitlichkeit also. Nun wäre "Anstrahlung von außen" halt zwar ein Einfluß aber nicht ein wirklich eigener Zustand der Seele? Das mag derart wirken, ja.
Sie kann ja (wie wir
sagten) aus eigenen Kräften den Geist nicht erreichen, den Gott ihr gibt ohne deren Einsatz.
Doch, aus bereits vorhandener (hierbei nicht unbedingt nötigerweise vollkommen umfassender) Einheit mit diesem.
5 Das angeführte Wort des Bräutigams ist von der Liebe zu verstehen, um die er die Braut bit-
tet. Der Liebe kommt es zu, die Liebenden einander im Wesentlichen anzugleichen. Darum sagt er, sie
möge ihn wie ein Siegel auf ihr Herz drücken (Hoheslied 8, 6).
Einander angleichen, hm.
So gleicht sich die Seele durch die Taten und Regungen der Liebe
ihm an, bis zur Umgestaltung in ihn.
Aha?
Auf diese Weise
darf sie sich mit Empfindungen abgeben, nicht mit Empfindungen des Genusses oder der Süssigkeit
oder der Gestalt, sondern mit den Empfindungen der dadurch verursachten Liebe. Und einzig auf
diese Wirkung hin dürfte sie wohl manchmal sich des Bildes und der Wahrnehmung entsinnen, die in
ihr Liebe erweckten, um den Geist zur Liebe anzuregen.
Ich sehe da gar keinen Gegensatz. Ist gemeint quasi "Geistiges auch geistig zu verstehen"? Dann würde ich dem soweit zustimmen.
Zwar üben sie in der Erinnerung nicht mehr so starke Wirkung aus wie bei der ersten Mitteilung
Im Geist lebendig betrachtet möglicherweise schon, so wie ein Haus an dem man über viele Jahre immer wieder vorbeiläuft ja nicht immer mehr verschwindet deswegen.
immerhin erneuert sich im Gedenken die Liebe
und das Gemüt erhebt sich zu Gott, besonders beim Innewerden übernatürlicher Gestalten, Bilder
oder Empfindungen, die sich der Seele so einzusiegeln und einzuprägen pflegen, daß sie lange Zeit
anhalten oder gar der Seele nie mehr entschwinden. Fast jedesmal, wenn sich die Seele deren erinnert,
die ihr so eingeprägt sind, bemerkt sie in sich göttliche Wirkungen der Liebe, der Milde, des Lichtes
usw., manchmal mehr, manchmal weniger; denn dazu wurden sie ihr eingeprägt. So aber erweist Gott
ihr eine große Gnade, da sie in sich einen Schacht voll von Schätzen hat.
Aha. ;)
7 Gestalten, die solche Wirkung üben, wohnen der Seele lebendig inne. Sie gleichen nicht den
von der Phantasie bewahrten Bildern und Formen. Darum hat die Seele es nicht nötig, sich an diese
Fähigkeit zu wenden, wenn sie sich jener erinnern will. Sie findet sie ja in sich und schaut sie wie ein
Bild im Spiegel.
Gut und irgendwie wieder ein bischen beruhigend was seine diversen Ausführungen angeht.
Ist es einer Seele verliehen, solche Gestalten formell in sich zu haben, so darf sie sich
ihrer wohl entsinnen um der besagten Liebeswirkung willen. Dadurch wird ihre Liebesvereinigung im
Glauben nicht behindert, da sie sich nicht an der Gestalt entzücken, sondern in der Liebe fördern will,
während sie die Gestalt gleich wieder läßt. So wird sie ihr eher helfen.
Na dann.
8 Es ist schwierig zu erkennen, wann diese Bilder der Seele und wann sie der Phantasie einge-
prägt sind; denn auch Phantasiebilder pflegen sehr häufig vorzukommen. Manche Personen haben
nämlich die Gewohnheit, bildhafte Visionen in Einbildungskraft und Phantasie zu bewahren, und
sie stellen sich diese sehr oft in eben jener gleichen Weise vor.
Schon möglich.
Der natürlichen oder der teuflischen mag man sich noch so sehr erinnern, sie bringen weder eine
gute Wirkung noch eine Geisteserneuerung in der Seele hervor, sondern lassen im Schauen trocken,
obwohl immerhin die guten, wenn man sich ihrer entsinnt, etwas von dem Guten bewirken, das sie
der Seele beim ersten Mal gewährten.
Das würde wohl so sein, ja.
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
2.16 hat geschrieben:10 Will also die Seele zur wesenhaften Liebesvereinigung mit Gott gelangen, so achte sie darauf,
sich nicht an bildhafte Visionen, Formen, Gestalten und Einzelbegriffe zu halten; denn diese können
ihr nicht als angemessenes und nächstes Mittel zu solchem Ziele dienen. Sie stören vielmehr, und
darum muß sie darauf verzichten und trachten, sie zu vermeiden. Wären sie in einem besonderen Fall
zuzulassen und hochzuschätzen, so nur wegen des Nutzens und der guten Wirkung, die durch die
echten in der Seele verursacht werden. Dafür aber ist es nicht nötig, sie zuzulassen; vielmehr ist es
immer besser, sie abzuweisen. Das Gute, das solche bildhafte Visionen - gleich wie die schon erwähn-
ten körperlich äußeren - der Seele erweisen können, ist die Mitteilung von Einsicht oder Liebe oder
Süßigkeit. Um dieser Wirkung willen aber braucht die Seele sie nicht zulassen zu wollen; denn, wie
auch oben gesagt wurde, im gleichen Nu, in dem sie in der Einbildungskraft auftauchen, rufen sie die
Wirkung in der Seele hervor und gießen ihr Einsicht und Liebe oder Süßigkeit oder was immer Gott
durch sie wirken will, ein. Nicht nur als Beigabe, sondern als Hauptursache wirken sie in der Seele,
was diese (wenn auch nicht zur gleichen Zeit) passiv aufnimmt, ohne es ihrerseits hindern zu können,
auch wenn sie es wollte, wie sie es ja ebenso nicht zu erringen wüßte, selbst wenn sie sich zuvor dafür
zu bereiten verstand. So wie die Glasscheibe den auf sie fallenden Sonnenstrahl nicht abzuwehren
vermag, sondern, durch Reinheit dazu bereitet, passiv von ihm erleuchtet wird, ohne ihren Fleiß und
ihr Wirken, so kann auch die Seele, selbst wenn sie es anders wollte, nicht umhin, die Einflüsse und
Mitteilungen aus solchen Bildern zu empfangen, mag sie auch noch so sehr widerstehen. Durch Ab-
weisung in demütiger und liebender Gelassenheit kann der Wille die übernatürlichen Einflüsse nicht
aufhalten; einzig Unreinheit und Unvollkommenheit der Seele vermöchten dies, gleichwie Flecken
auf der Glasscheibe die Helligkeit behindern.
11 Daraus ist klar ersichtlich: je mehr sich die Seele mit Willen und Gemüt der Wahrnehmung
und damit der Flekken solcher Formen, Bilder und Gestalten entblößt, in die, wie gesagt, die geisti-
gen Mitteilungen sich hüllen, um so weniger geht sie der Mitteilungen und Güter, die sie bewirken,
verlustig; vielmehr bereitet sie sich um so besser, solche reichlicher, mit mehr Klarheit und Freiheit
des Geistes und in Einfalt zu empfangen, unter Weglassung aller jener Wahrnehmungen, die gleich
Schlacken und Schleiern den geistigen Inhalt verdecken. Nehmen sie Geist und Sinn ein, die sich
davon nähren wollen, so kann der Geist sich nicht einfach und frei mitteilen. Ist der Verstand mit der
Schlacke beschäftigt, so hat er offenbar nicht die Freiheit, den Formgehalt aufzunehmen. Wollte die
Seele also die Formen zulassen und Wert darauflegen, so würde sie sich dadurch behindern und sich
mit dem Geringeren zufrieden geben, das sie ihr bieten, nämlich alles, was sie an ihnen wahrnimmt
und erkennt, eben eine Form, ein Bild oder eine Einzelerkenntnis. Die Hauptsache aber, die geistige
Eingießung, vermag sie weder wahrzunehmen noch zu verstehen, noch weiß sie, wie es ist, noch kann
sie es beschreiben, denn es ist eben rein geistig. Alles, was sie davon weiß, ist (wie gesagt) das Gerings-
te daran, das ihrem Verstand Gemäße, die den Sinnen entsprechende Form. Und darum sage ich: ihrer
Passivität, die sich nicht ums Verstehen bemüht und es auch gar nicht vermöchte, teilt sich aus jenen
Visionen das mit, was sie nicht zu verstehen und nicht auszudenken vermöchte.
12 Die Augen der Seele sind demnach stets von all diesen sichtbaren und deutlich erkennbaren
Wahrnehmungen abzuwenden - die ja nur auf die Sinne einwirken und den Glauben nicht sicher un-
terbauen -, hingegen auf das zu richten, was man nicht sieht, da es nicht den Sinnen zugehört, sondern
dem Geist, der für die Sinne gestaltlos ist; denn er ist es, der im Glauben, also durch das geeignete
Mittel, zur Vereinigung führt, wie wir sagten. So werden diese Visionen ihrem Wesen nach die Seele
fördern, wenn sie es recht versteht, das Sinnenhafte und Erkennbare an ihnen abzuweisen, die Absicht
aber, in der Gott sie der Seele verleiht, eben durch dieses Abweisen auszuwerten. Denn Gott verleiht
sie ja, wie wir schon hinsichtlich der körperlichen Visionen sagten, nicht dazu, daß die Seele sie fest-
halte und sich daran klammere.
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Re: Die dunkle Nacht der Seele
Underhill widmet in ihrem Buch "der dunklen Nacht der Seele" ein Kapitel und betont diese an dessen Anfang ganz besonders.
Evelyn Underhill, Mystik, Kapitel 9 Die dunkle Nacht der Seele hat geschrieben:Wir haben der bequemeren Übersicht halber alle Hauptformen mystischer Tätigkeit von der Mittelstation des transzendentalen Lebens aus überblickt, aber diese Tätigkeiten sind natürlich nicht einer Stufe dieses Lebens eigentümlich. Die Ekstase z. B. ist ein ebenso gewöhnliches Symptom der mystischen Bekehrung wie der letzten und höchsten Stufe, der mystischen Hochzeit der Seele S. oben S. 245-250 die Beispiele Seuses u. Pascals., während Visionen und Stimmen, bei Mystikern des visionären oder auditorischen Typus, jede Phase innerer Entwicklung begleiten und illustrieren. Sie erhellen und erklären ebensooft die Prüfungen der Reinigung, wie sie die Freuden der Erleuchtung ausdrücken, und sie bezeichnen häufig die Übergangskrise von einem mystischen Zustande zum nächsten.
Eine Ausnahme muß man jedoch bei dieser Regel machen. Jene Periode der Zurückschleuderung in das Dunkel, die gewöhnlich das »erste mystische Leben«, oder den Weg der Erleuchtung, von dem »zweiten mystischen Leben«, dem Weg der Einigung, trennt, ist im allgemeinen eine Periode völliger Leere und Stagnation, soweit es sich um mystische Tätigkeit handelt. Ist die »dunkle Nacht der Seele« einmal voll hereingebrochen, so wird sie selten von Visionen erhellt oder von Stimmen entbangt. Es gehört zum Wesen ihrer Qual, daß die einst besessene Gabe des Gebets und der Kontemplation jetzt ganz verloren ist. Der Mensch wird aus seiner mühsam eroberten vorteilhaften Stellung zurückgeschleudert. Ohnmacht, Leere, Einsamkeit sind die Attribute, unter denen diejenigen, welche durch das dunkle Läuterungsfeuer hindurchgehen, ihre Leiden beschreiben. Diese merkwürdige Episode in der Lebensgeschichte des mystischen Typus ist es, bei der wir jetzt angelangt sind.
Wir haben die hauptsächlichen physiologischen Eigentümlichkeiten jeder normalen mystischen Entwicklung bereits erwähnt Teil II, Kap. 1.. Wir haben gesehen, daß das Wesen dieser Entwicklung in dem Bemühen besteht, ein neues Gleichgewicht herzustellen, sozusagen festen Fuß zu fassen auf höheren Ebenen der Wirklichkeit; und daß das Selbst auf seinem Pfade zu dieser Erfüllung eine Reihe von Schwankungen erlebt zwischen Zuständen der Freude und des Schmerzes. Anders ausgedrückt ist es ein in bestimmter Ordnung sich vollziehender Aufstieg des ganzen Bewußtseins zu höheren Zentren, bei dem jeder Schritt aufwärts die unreifen transzendentalen Kräfte ermüdet und mit einem Zurücksinken bezahlt wird – einem Rückschlag des ganzen Bewußtseins, einer geistigen Stagnation, einer Gefühlsreaktion oder einer Willenshemmung.
So wurde dies freudig erhobene Bewußtsein der göttlichen Vollkommenheit, das das Selbst bei seinem »mystischen Erwachen« erlangte, durch ein niederdrückendes und bitteres Bewußtsein seiner eigenen ihm anhaftenden Unvollkommenheit aufgewogen, und der Widerstreit dieser beiden Wahrnehmungen spornte es zu jenem mühevollen Bestreben, sich der höheren Ordnung anzupassen, das den »Weg der Reinigung« ausmacht. Das erneute und ekstatische Bewußtsein des Absoluten, das sich daraus ergab und das die beherrschende Eigentümlichkeit der Erleuchtung war, bringt mit Notwendigkeit seine eigene Verneinung mit sich, nämlich die Erkenntnis, daß das Selbst von dem Absoluten, das es wahrgenommen hat, immer noch getrennt und mit ihm unvereinbar ist. Während der Zeit, wo der Zustand der Erleuchtung sich voll entfaltet und verfestigt hat, ist das Selbst in der Regel vollkommen glücklich in dem Glauben, daß es in dieser erhabenen Vision der Ewigkeit, diesem tiefen und liebenden Bewußtsein von Gott, das Ziel seines Strebens erreicht hat. Jedoch früher oder später setzt seelische Ermüdung ein, der Zustand der Erleuchtung beginnt umzuschlagen, das entsprechende negative Bewußtsein tritt auf und zeigt sich als ein überwältigendes Gefühl von Dunkel und Verlassenheit. Dies Gefühl ist so tief und stark, daß es jede Verbindung zwischen dem Selbst und dem Transzendenten abbricht, seine Intuitionen der Wirklichkeit zunichte macht und das Selbst in den Zustand der Leere und des unsagbaren Elends stürzt, den man als »die Dunkle Nacht« bezeichnet.
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