Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » Sa 23. Okt 2021, 13:03

Agape hat geschrieben:Offen gezeigt wohl eher weniger, jedoch für sich selbst so empfunden. Das "Lastentragen" wird ja selten belohnt, also belohnt man sich in einer gewissen Weise selbst, indem man sich "dazu berufen" fühlt, für andere "Lastesel" und "Sündenbock" zu sein.

Das ist möglich, es steckt aber dann wieder ein innerer Mangel dahinter?

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon rjupa » Sa 23. Okt 2021, 15:58

Agape hat geschrieben:Ein möglicher Weg wäre, nicht mehr "stolz" auf sich zu sein, dass man Lasten anderer trägt und sich für vieles schuldig fühlt
Wie kommt es da zu Stolz?

Ich kenne Freude darüber, wenn ich etwas nach meinem Eindruck gut gemacht habe. Dann ist mir diese Freude Bestätigung genug, ich glaube, stolz auf mich oder jemand anderen war ich noch nie.

Marsianer hat geschrieben:Was so beschrieben für mich noch nicht zwangsläufig diese verbreitet im Zusammenhang mit HSP geschilderten Empfindungen von Belastetheit beinhalten müßte. Wenn z.B. Buddhisten ihre "fortgeschrittenen Zustände" erläutern würden, dann würde wohl oft ein erweiterter Blick beschrieben, aber nicht soein "darunter leiden".
ja, HSP ist ja i.d.R. erstmal eine Selbstbeschreibung von Menschen. So wie ich diese Schilderungen verstehe, verspüren diese Menschen oft einerseits einen Leidensdruck wegen ihrer Art der Wahrnehmung (oder eher wegen ihres Umgangs damit) und andererseits scheint es mir oft darum zu gehen, dass diese Menschen nicht gut unterscheiden können, was zu ihrem "Ich" gehört und was das "ich" des Gegenübers ist.

Ich frage mich, ob das wirklich fester Teil von "HSP" sein sollte oder nicht.

ja, habe ich mich beim Lesen dieser Masterarbeit auch gefragt. Ebenfalls gefragt habe ich mich, inwieweit das auch einfach dem Klischee einer besonders feinfühligen Person entspricht, dass diese Person Kontakte möchte aber unter der ach so harten Gesellschaft leidet.

Agape oder eher soetwas wie Philia? "Agape" eher nur wenn andere "relevante Personen" es sehen können?
So wie ich Agapes Beitrag hier verstehe wohl eher Philia.

Aber es wäre auch möglich, daß ein HSP wirklich aus Agape motiviert wäre. Das würde ich ersteinmal strikter unterscheiden wollen.
Würde sich diese Person dann überhaupt noch selbst als HSP einordnen (sofern sie es vorher nicht getan hat)? Nach meinem Eindruck erfolgt die Selbsteinordnung als HSP i.d.R. unter einem grossen Mangelgefühl.

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » Sa 23. Okt 2021, 16:49

rjupa hat geschrieben:So wie ich diese Schilderungen verstehe, verspüren diese Menschen oft einerseits einen Leidensdruck wegen ihrer Art der Wahrnehmung (oder eher wegen ihres Umgangs damit)

Ja, oft wohl auch etwas wie "Weltschmerz".
und andererseits scheint es mir oft darum zu gehen, dass diese Menschen nicht gut unterscheiden können, was zu ihrem "Ich" gehört und was das "ich" des Gegenübers ist.

Beziehungsweise spüren sie etwas, das viele andere Menschen nicht so bewußt wahrnehmen, das in denen aber auch wirksam wäre.
habe ich mich beim Lesen dieser Masterarbeit auch gefragt.

Aha. ;)
Ebenfalls gefragt habe ich mich, inwieweit das auch einfach dem Klischee einer besonders feinfühligen Person entspricht, dass diese Person Kontakte möchte aber unter der ach so harten Gesellschaft leidet.

Ja, soetwas kann wohl schon eine größere Rolle bei dem Thema spielen.
Würde sich diese Person dann überhaupt noch selbst als HSP einordnen (sofern sie es vorher nicht getan hat)?

Ich weiß nicht, ausschließen würde ich es ersteinmal auch nicht?

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » Sa 23. Okt 2021, 17:29

Marsianer hat geschrieben:Das ist möglich, es steckt aber dann wieder ein innerer Mangel dahinter?

Offenbar schon. Dann sollte diesem inneren Mangel abgeholfen werden.

rjupa hat geschrieben:Wie kommt es da zu Stolz? Ich kenne Freude darüber, wenn ich etwas nach meinem Eindruck gut gemacht habe. Dann ist mir diese Freude Bestätigung genug, ich glaube, stolz auf mich oder jemand anderen war ich noch nie.

Eine solche Freude kenne ich auch. Aber für andere Lasten zu tragen ist keine Freude und ich habe auch nicht den Eindruck, etwas gut gemacht zu haben. Vielleicht war der Begriff "Stolz" unglücklich gewählt. Dann spreche ich halt von einem Gefühl, "stark" zu sein - was es aber auch nicht trifft. Offenbar gelingt es mir nicht, herüber zu bringen, wie es sich für mich anfühlt.

rjupa hat geschrieben:........ dass diese Person Kontakte möchte aber unter der ach so harten Gesellschaft leidet.

Ich leide nicht unter einer "harten" Gesellschaft, sondern mich bekümmert eher, dass die Gesellschaft leidet - ich glaube, dass darin schon ein Unterschied besteht. Ich sehe mich nicht als Opfer der Gesellschaft, sondern eher als dieser ohnmächtig gegenüber stehend, indem ich nicht genügend dazu beitrage, dass es ihr besser geht. Dessen fühle ich mich manchmal schuldig und habe das Gefühl, nicht existenzberechtigt zu sein, da ich nicht zu geben vermag, was ich zu geben hätte - wozu ich auf dieser Erde bin.

Was ich damit sagen will: Es kann gut sein, dass bei einer HSP mit jahrelanger "Leidenszeit" sich etwas ins Gegenteil verkehrt und innerlich beschlossen wird, nicht mehr so empfindsam sein zu wollen. In der Folge lässt man manches nicht mehr so nahe an sich heran, weil es sonst zu sehr weh tut. Dieses eigene "Verschliessen" wird aber nicht immer als gut beurteilt und dadurch entstehen wiederum Schuldgefühle - ein ewiges Hin- und Herpendeln zwischen einem "zu viel" und einem "zu wenig" an Empfindungsfähigkeit. Es ist schwierig, darin einen Ausgleich zu finden.
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » So 24. Okt 2021, 10:55

Agape hat geschrieben:Ich leide nicht unter einer "harten" Gesellschaft, sondern mich bekümmert eher, dass die Gesellschaft leidet - ich glaube, dass darin schon ein Unterschied besteht.

Es besteht dann also ein entsprechendes recht häufiges Empfinden gegenüber anderen Menschen.
Ich sehe mich nicht als Opfer der Gesellschaft, sondern eher als dieser ohnmächtig gegenüber stehend, indem ich nicht genügend dazu beitrage, dass es ihr besser geht.

Ich erkenne, daß es nicht nur an mir liegt, sondern es letztlich oft entscheidend mit dem zu tun haben dürfte, was die jeweiligen Leute selbst wollen. Dafür halte ich sie dann selbst verantwortlich und auch wenn viel Umnachtung bei soetwas eine Rolle spielt erkenne ich sie letztlich doch als sehr auffällige Folge von etwas, das dezent den eigentlichen Ausschlag gibt und nicht Folge von Kaputtheitszuständen wäre.
Dessen fühle ich mich manchmal schuldig und habe das Gefühl, nicht existenzberechtigt zu sein, da ich nicht zu geben vermag, was ich zu geben hätte - wozu ich auf dieser Erde bin.

Und deinen eigenen Bereich betrachtest du als "geordnet", "nichtleidend"?
Es kann gut sein, dass bei einer HSP mit jahrelanger "Leidenszeit" sich etwas ins Gegenteil verkehrt und innerlich beschlossen wird, nicht mehr so empfindsam sein zu wollen.

Viele Menschen entscheiden sich irgendwann "dichtzumachen". Ich würde sagen, sie treffen sich dann eigentlich immer vor allem selbst und ihre eigene Lebensqualität. Und da kann es dann durchaus eine sehr hilfreiche Erkenntnis sein, daß etliches, worunter man "leidet" eigene innere Zustände spiegelt. Allerdings wird das dann von so manchen auch wieder viel zu sehr pauschalisiert, aber so ist das wohl im Sumpf.
Dieses eigene "Verschliessen" wird aber nicht immer als gut beurteilt und dadurch entstehen wiederum Schuldgefühle - ein ewiges Hin- und Herpendeln zwischen einem "zu viel" und einem "zu wenig" an Empfindungsfähigkeit.

Möglich.

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » So 24. Okt 2021, 12:06

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Ich leide nicht unter einer "harten" Gesellschaft, sondern mich bekümmert eher, dass die Gesellschaft leidet - ich glaube, dass darin schon ein Unterschied besteht.

Es besteht dann also ein entsprechendes recht häufiges Empfinden gegenüber anderen Menschen.

Ja, jedoch dieses Empfinden äussert sich nicht darin, dass ich ihr Anderssein abwehre, weil es mir oft nicht entspricht, sondern ich möchte mein eigenes Empfinden - die Sicht aus meiner Perspektive heraus - ihnen gegenüber besser vermitteln können. Dabei stosse ich aber meist auf verschlossene Türen (Herzen) und dies bekümmert mich sehr. Noch nicht immer fühle ich mich stark genug, um mit dieser Bekümmernis so umzugehen, dass sie mir nicht Bürde, sondern Ansporn dafür ist, etwas Gutes in den Menschen, die mir begegnen, zu bewirken. Jedoch ist mir auch bewusst, dass dieser innige Wunsch noch immer teils ein Wunsch aus hochmütigem Herzen heraus ist. Denn das, was je durch mich bewirkt werden könnte, wäre nur die Folge der Wirksamkeit Gottes in mir. Auf diesem Wege und in diesem zeitweiligen Dilemma befinde ich mich zurzeit.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Ich sehe mich nicht als Opfer der Gesellschaft, sondern eher als dieser ohnmächtig gegenüber stehend, indem ich nicht genügend dazu beitrage, dass es ihr besser geht.

Ich erkenne, daß es nicht nur an mir liegt, sondern es letztlich oft entscheidend mit dem zu tun haben dürfte, was die jeweiligen Leute selbst wollen.

Obwohl mir dies auch bewusst ist, stecke ich diesbezüglich oft stark in Selbstzweifeln, ob es nicht letztendlich an mir selbst liegen könnte, indem mein Vorgehen nicht richtig ist. Nur tappe ich zurzeit im Dunkeln, inwiefern meine innere Stimme (mein Gewissen) aus einer eigenen Unsicherheit stammt - oder ob es tatsächlich darum ginge, mich gründlicher zu hinterfragen und völlig neu auszurichten.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Dessen fühle ich mich manchmal schuldig und habe das Gefühl, nicht existenzberechtigt zu sein, da ich nicht zu geben vermag, was ich zu geben hätte - wozu ich auf dieser Erde bin.

Und deinen eigenen Bereich betrachtest du als "geordnet", "nichtleidend"?

Ich bin in dieser Hinsicht noch nicht stabil genug.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Es kann gut sein, dass bei einer HSP mit jahrelanger "Leidenszeit" sich etwas ins Gegenteil verkehrt und innerlich beschlossen wird, nicht mehr so empfindsam sein zu wollen.

Ich würde sagen, sie treffen sich dann eigentlich immer vor allem selbst und ihre eigene Lebensqualität. Und da kann es dann durchaus eine sehr hilfreiche Erkenntnis sein, daß etliches, worunter man "leidet" eigene innere Zustände spiegelt.

Ja, an dieser Erkenntnis mangelt es mir nicht. Nur hilft sie mir in gewissen Lebenssituationen nicht weiter, weil ich nicht erkennen kann, wo die tiefere Ursache dieser inneren Zustände liegt.
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » So 24. Okt 2021, 14:24

Agape hat geschrieben:Dabei stosse ich aber meist auf verschlossene Türen (Herzen)

Mir geht es wohl nicht großartig anders.
und dies bekümmert mich sehr.

Was mich angeht nicht einzelne Fälle, auch nicht wenn sie viele wären, sondern so ein Mangel an Menschen mit denen es nach meinem Empfinden deutlich anders, fruchtbarer läuft.
Obwohl mir dies auch bewusst ist, stecke ich diesbezüglich oft stark in Selbstzweifeln, ob es nicht letztendlich an mir selbst liegen könnte, indem mein Vorgehen nicht richtig ist.

Das kann man sich wohl fragen, wenn es z.B. auch in der Bibel heißt:

"Da spricht Er zu Seinen Jüngern: Viel ist der Ernte, aber wenige sind der Arbeiter. Darum flehet zum Herrn der Ernte, daß Er Arbeiter in Seine Ernte ausschicke." Mt 9,37+38

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » So 24. Okt 2021, 15:30

Für mich stellt sich sehr stark auch diese Frage - vor allem den zweiten Teil des Zitates betreffend.

"Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Mass ihr messet, wird euch gemessen werden." Mt 7,1+2

Marsianer hat geschrieben:.....sondern so ein Mangel an Menschen mit denen es nach meinem Empfinden deutlich anders, fruchtbarer läuft.

Viele Menschen scheinen mich nicht zu verstehen, weil es ihnen fern liegt, wie ich über Erde und Himmel denke. Anderen Menschen scheine ich fern zu sein, weil sie noch viel klarer als ich selbst sehen können, wie Erde und Himmel wirklich beschaffen sind.

Ich kenne wohl keinen einzigen Menschen, bei dem diesbezüglich eine Ausgewogenheit besteht.

Aber was hat das alles mit dem Grundthema Empathie/Anstrahlung/Mitgefühl zu tun? Vielleicht die Erkenntnis, dass diese Phänomene über manches hinwegtäuschen, das wegfällt, wenn Begegnung nicht mehr unter diesen Aspekten stattfindet. Was findet sich dann noch vor? Vielleicht ein vermeintlich "Heiliger" ohne Heiligenschein - vielleicht ein vermeintlich "Erleuchteter" mit finsterer Gesinnung?

Wer kann mit so etwas umgehen? Was geschieht, wenn sich Empathie als pure Illusion erweist - wenn Anstrahlung als Irrweg erkannt wird?
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » So 24. Okt 2021, 18:05

Agape hat geschrieben:Für mich stellt sich sehr stark auch diese Frage - vor allem den zweiten Teil des Zitates betreffend.

"Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Mass ihr messet, wird euch gemessen werden." Mt 7,1+2

Eine sehr berechtigte Frage. Wo verlaufen die Grenzen zwischen "sich für gerecht halten" und "mit jemand anderem wenig anfangen können"?
Ich kenne wohl keinen einzigen Menschen, bei dem diesbezüglich eine Ausgewogenheit besteht.

Damit meinst du einen Zustand, der nicht "optimal", sondern deinem ähnlich wäre?
Aber was hat das alles mit dem Grundthema Empathie/Anstrahlung/Mitgefühl zu tun? Vielleicht die Erkenntnis, dass diese Phänomene über manches hinwegtäuschen, das wegfällt, wenn Begegnung nicht mehr unter diesen Aspekten stattfindet. Was findet sich dann noch vor?

Was wäre das z.B. für "Mitgefühl", wenn der andere auch irgendwie als sehr fern erfahren wird?
Vielleicht ein vermeintlich "Heiliger" ohne Heiligenschein

Was wohl die Ursprünge dieses Motivs "Heiligenschein" waren? Eine bemerkenswerte "Anstrahlung"?
vielleicht ein vermeintlich "Erleuchteter" mit finsterer Gesinnung?

Hm.

"Er sagte aber auch über etliche, die auf sich selbst vertrauen, daß sie gerecht wären und die übrigen mißachteten, dies Gleichnis:

Zwei Menschen gingen hinauf in das Heiligtum, zu beten, der eine ein Pharisäer und der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand da für sich und betete also: Ich danke Dir, Gott, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und verzehnte alles, was ich besitze.

Und der Zöllner stand von weitem und wollte auch nicht die Augen aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder versöhnt! Ich sage euch: Dieser ging hinab in sein Haus gerechtfertigt mehr denn jener; denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden, wer aber sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden." Lk 18,9-14

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » So 24. Okt 2021, 21:06

Marsianer hat geschrieben:Wo verlaufen die Grenzen zwischen "sich für gerecht halten" und "mit jemand anderem wenig anfangen können"?

Das ist eine schwierige Frage. Vielleicht möchte jemand im Kopf dem anderen gerecht werden, jedoch fühlt sein Herz, dass eine solche Begegnung nur auf Sparflamme läuft. Das Gegenüber nimmt dies möglicherweise als Distanz wahr und reagiert darauf mit Widerstand, Anklammern und/oder Aggression. Dies wiederum wirkt zurück auf die andere Person und verstärkt in ihr das Gefühl, nichts mit dem Gegenüber anfangen zu können, weil deren Verhalten Befremdung auslöst.
Wie stark ist ein Mensch darauf ausgerichtet, Gerechtigkeit auszuüben - wie gross ist sein Bedürfnis nach menschlicher Bestätigung und beim anderen "gut anzukommen"? Das sind wohl nicht die einzigen Faktoren, welche die oben angesprochenen Grenzlinien beeinflussen können. Ist Gerechtigkeit in diesem Falle überhaupt umsetzbar?

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Ich kenne wohl keinen einzigen Menschen, bei dem diesbezüglich eine Ausgewogenheit besteht.

Damit meinst du einen Zustand, der nicht "optimal", sondern deinem ähnlich wäre?

Ich meine damit einen Zustand, wonach Begegnung zwischen zwei Menschen stattfinden kann, ohne dass sich der eine "hinknien" oder der andere sich "auf die Zehenspitzen stellen" muss, um sich gegenseitig in seinem Wesen erfassen zu können. Solche "akrobatischen Kunststücke" mögen vielleicht am Anfang anziehend wirken, jedoch auf die Länge sind sie ermüdend und für beide eher frustrierend als fruchtbringend.

Marsianer hat geschrieben:Was wäre das z.B. für "Mitgefühl", wenn der andere auch irgendwie als sehr fern erfahren wird?

Vielleicht ein Mitgefühl auf der Hoffnung basierend, dem anderen dadurch "näher" zu kommen?

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Vielleicht ein vermeintlich "Heiliger" ohne Heiligenschein

Was wohl die Ursprünge dieses Motivs "Heiligenschein" waren? Eine bemerkenswerte "Anstrahlung"?

"Strahlender Glanz um die Köpfe der Heiligen", Glanz, der jemanden/etwas umgibt, eine bestimmte (besondere) Ausstrahlung, Wirkung, strahlender, bewunderter Höhepunkt, strahlende, bewunderte Kraft, Ruhm, Glanz, in der Sprache des Christentums auch ‘(himmlische) Herrlichkeit’
https://www.dwds.de/wb/Nimbus https://www.dwds.de/wb/Aura https://www.dwds.de/wb/Glanz https://www.dwds.de/wb/Gloriole
"Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen"
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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Marsianer » Mo 25. Okt 2021, 08:21

Agape hat geschrieben:Vielleicht möchte jemand im Kopf dem anderen gerecht werden, jedoch fühlt sein Herz, dass eine solche Begegnung nur auf Sparflamme läuft. Das Gegenüber nimmt dies möglicherweise als Distanz wahr und reagiert darauf mit Widerstand, Anklammern und/oder Aggression. Dies wiederum wirkt zurück auf die andere Person und verstärkt in ihr das Gefühl, nichts mit dem Gegenüber anfangen zu können, weil deren Verhalten Befremdung auslöst.

Ja, vielleicht. Dann wäre noch die Frage, wie dies z.B. warum eingeordnet werden würde.
Wie stark ist ein Mensch darauf ausgerichtet, Gerechtigkeit auszuüben - wie gross ist sein Bedürfnis nach menschlicher Bestätigung und beim anderen "gut anzukommen"? Das sind wohl nicht die einzigen Faktoren, welche die oben angesprochenen Grenzlinien beeinflussen können.

Ja.
Ist Gerechtigkeit in diesem Falle überhaupt umsetzbar?

"Gerecht" meint da aus der Perspektive des erwähnten Pharisäers wohl den eigenen Anspruch als Jude das jüdische Gesetz zu halten. Dem wird dann wohl göttliches Verständnis des "Gerechtfertigtseins" gegenübergestellt.
Ich meine damit einen Zustand, wonach Begegnung zwischen zwei Menschen stattfinden kann, ohne dass sich der eine "hinknien" oder der andere sich "auf die Zehenspitzen stellen" muss

Ja.
Marsianer hat geschrieben:Was wäre das z.B. für "Mitgefühl", wenn der andere auch irgendwie als sehr fern erfahren wird?

Vielleicht ein Mitgefühl auf der Hoffnung basierend, dem anderen dadurch "näher" zu kommen?

Das wäre dann ein Eigeninteresse?
"Strahlender Glanz um die Köpfe der Heiligen", Glanz, der jemanden/etwas umgibt, eine bestimmte (besondere) Ausstrahlung,

Das wäre ein heutiger Wörterbucheintrag.

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Re: Empathie vs. Anstrahlung vs. Mitgefühl vs. ?

Beitragvon Agape » Mo 25. Okt 2021, 09:52

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Vielleicht möchte jemand im Kopf dem anderen gerecht werden, jedoch fühlt sein Herz, dass eine solche Begegnung nur auf Sparflamme läuft. Das Gegenüber nimmt dies möglicherweise als Distanz wahr und reagiert darauf mit Widerstand, Anklammern und/oder Aggression. Dies wiederum wirkt zurück auf die andere Person und verstärkt in ihr das Gefühl, nichts mit dem Gegenüber anfangen zu können, weil deren Verhalten Befremdung auslöst.

Ja, vielleicht. Dann wäre noch die Frage, wie dies z.B. warum eingeordnet werden würde.

Es könnte zum Beispiel bei einem einseitigen Anstrahlungsverhältnis der Fall sein. Der „Angestrahlte“ klammert am „Anstrahlenden“ fest, weil dieser ihn nährt und dadurch bei ihm scheinbar ein innerer Mangel kompensiert wird. Eine Einordnung dieser Dynamik wird wohl in den seltensten Fällen vom Angestrahlten selbst stattfinden, da dieser eher darauf ausgerichtet ist, seinen empfundenen „Zugewinn“ möglichst zu bewahren, denn er hält es ja vielleicht für „Liebe“ und ist sich gar nicht bewusst, dass „Energie“ nicht mit Liebe zu verwechseln ist. Der Anstrahlende - falls dieser zu einer klaren Wahrnehmung der Situation fähig ist, wird eher einordnen wollen und möglicherweise dem Dilemma zwischen „sich für gerecht halten“ und „nichts damit anfangen können“ ausgesetzt sein.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:Vielleicht ein Mitgefühl auf der Hoffnung basierend, dem anderen dadurch "näher" zu kommen?

Das wäre dann ein Eigeninteresse?

Ja, solange aus Eigenliebe mitgefühlt wird. Fühlt jedoch jemand aus Nächstenliebe mit, wird er auch mitfühlen können, wenn er den anderen als fern erfährt.

Marsianer hat geschrieben:
Agape hat geschrieben:"Strahlender Glanz um die Köpfe der Heiligen", Glanz, der jemanden/etwas umgibt, eine bestimmte (besondere) Ausstrahlung,

Das wäre ein heutiger Wörterbucheintrag.

Wortherkunft Heiligenschein: aus lat. gloriola „ein bisschen Ruhm, kleines Zeichen des Ruhms“, Verkleinerungsform von lat. gloria „Ruhm, Zeichen des Ruhms, Zierde“

https://www.wissen.de/Wortherkunft/gloriole
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