Agape hat geschrieben:Das würde ich aber eher als Hinweis darauf deuten, dass der Abbruch als einen Akt der Gnade zu verstehen ist.
Gnade, hm. Wieso wären irgendwelche Seelenwesen denn nicht Gott nah, bei ihm? So wie ich ihn verstehe, wäre es ihm lieber, es gäbe eine solche Nähe zu allen Seelenwesen. Aber er gesteht ihnen eben auch zu sich für Trennung von ihm zu entscheiden. Aus Gnade? Würde ich nicht sagen, da ginge es eher um den freien Willensspielraum, die damit verbundene Art der Lebendigkeit dieser Geschöpfe.
Wenn ein Mensch noch sehr stark "verblendet" wäre, würde er denselben Abbruch weniger als Ende einer hochmütigen Vision, sondern viel eher als Bestätigung werten, besonders stark in der Gunst Gottes zu stehen und sich einbilden, wenn er weiterhin danach streben werde, sich dann die Vision vervollkommnen würde.
Ich bin mir da nicht so sicher.
Was wohl in diesem mönchischen Kontext öfters so ist, schon weil es dort auch menschliche Hierarchien, individuelles "Ansehen" gäbe, wäre tatsächlich immer mal ein Bestreben sich mit der Frage zu befassen, wer denn "der Größte" unter ihnen sei. Und da können "erfahrene Visionen" ja durchaus auch als Munition herhalten. Aber das sehe ich dann noch immer in der Nähe solcher Konzepte von "Würdigkeit die Nähe Gottes zu erfahren". Wozu sollte ein Mensch würdig für soetwas sein? Ist das nicht aus einer solchen "Wer ist der Größte"-Logik? Wer tolle Visionen behauptet, der sei Gott bestimmt auch besonders nah und im mönchischen Sozialleben besonders achtenswert? Ich sehe das eher eine Linie hin zu dieser zitierten Schilderung als einen Bruch gegenüber derartigen fleischlichen Eitelkeiten. Hier wäre dann eben betonte "Demut" etwas, das dann gewissermaßen die Stelle "toller Visionen" einnehmen würde. Ohne, daß es da in der Einstellung vielleicht wesentliche Unterschiede geben würde. Und besonders bedenklich wäre dabei wohl auch, daß dann noch eine Art von Skepsis gegenüber mystischem Erleben gelehrt würde, was die Menschen in diesem Einflußbereich stärker von Gott und dessen Wirken fernhalten könnte als es vorher der Fall war mit teils vielleicht durchaus falschen eitlen Visionen und anderem vitaleren spirituellen Erleben. Mir ist schon suspekt wie pauschal solches Erleben dort wohl mit eitlen Motiven in Verbindung gebracht wird. Das kann schon so sein, auch öfters. Aber deswegen ist es auch nicht gut auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen.
Wenn ein Hochleistungssportler seinen körperlichen Zusammenbruch als Zeichen der Schwäche wertet, wird er noch mehr trainieren und den Körper mittels strengster Disziplin malträtieren. Ein anderer Hochleistungssportler würde den Zusammenbruch eher als Anzeichen dafür sehen, dass er die Aufmerksamkeit vom Körper mehr auf die Seele richten sollte und sich derer annehmen - anstatt weiterhin den Erfolg als Sportler in den Mittelpunkt seines Lebens zu stellen.
Bei echten Spitzensportlern sieht es wohl noch anders aus. Da geht es heute wohl klar nicht vor allem um "Härte". Das Beispiel geht für mich daher nicht so gut auf.
Ist Prelest etwas, das sich wie ein "Kleid" abstreifen lässt?
Für mich ist "Prelest" ersteinmal ein Konzept von Menschen, das ich hier zur Diskussion stellen wollte. So wie ich mich bei buddhistischen Konzepten frage, was wohl hinter diesen stecken mag, was für spirituelle Erfahrungen, Folgerungen aus solchen. Du schienst hier teils irrig angenommen zu haben, ich würde mir die Ansichten der zitierten Autoren zu eigen machen?
Oder lässt sich ohne dieses Kleid erst leben, wenn sämtliche Anhaftungen an diese Welt "abgestreift" sind?
Aus dem anfangs verlinkten Text:
Die größte Prelest ist, sich von Prelest frei zu dünken. Wir sind alle betrogen, alle verleitet, befinden uns alle im falschen Zustand und benötigen die Befreiung durch die Wahrheit. Diese Wahrheit ist unser Herr Jesus Christus (Joh. 8,32; 14,6). Mögen wir uns diese Wahrheit durch den Glauben zu eigen machen; flehen wir zu dieser Wahrheit im Gebet, und sie wird uns aus der Untiefe der Selbsttäuschung und Verführung durch die Dämonen herausziehen.
Was kann daraus nun gefolgert werden? Das was in dieser Passage steht wirkt auf mich schon irgendwie widersprüchlich. Einerseits sei Prelest angeblich unvermeidlich, andererseits wird dann davon gesprochen ein Herausziehen daraus sei möglich.
Ein ganzes Stück klarer und sinnvoller wirkt auf mich z.B. immerhin diese Passage, auf deren Autor sich im anfänglichen Link u.a. bereits berufen worden war.
Isaak der Syrer, Asketische Rede 39 hat geschrieben:Der erste Gedanke, den die Menschenfreundlichkeit Gottes dem Herzen des
Menschen eingibt, um die Seele zum Leben zu führen, ist jener bezüglich seines
Auszugs aus dieser Welt. Diesem Gedanken folgt auf natürliche Weise die
Verachtung der Welt, und daraus erwächst dem Menschen jede gute Regung, die
zum wahren Leben führt. So legt die göttliche Kraft, die den Menschen begleitet, in diesem
gleichsam wie ein Fundament, wenn sie will, dass das Leben sich manifestiere in ihm. Bringt der
Mensch diesen Gedanken, von dem wir reden, nicht zum Erlöschen durch die Verwicklungen des
irdischen Daseins und durch eitles Reden, sondern intensiviert ihn vielmehr in der Stille und fährt
fort, darüber nachzusinnen und sich damit zu beschäftigen, wird er von diesem zur tiefen
Betrachtung geführt, die sich nicht in Worte fassen läßt.
Dieser Gedanke ist dem Satan höchst verhaßt, weshalb er mit seiner ganzen Kraft Krieg
führt dagegen, um ihn aus dem Menschen zu vertreiben. Wäre es möglich, würde er dem
Menschen die Herrschaft über die ganze Welt verschaffen, um durch diese Ablenkung jenen
Gedanken aus seinem Denken zu tilgen. Er würde dies mit aller Bereitwilligkeit tun, wenn es,
wie gesagt, möglich wäre. Denn der Betrüger weiß, dass der Geist des Menschen nicht länger in
dieser Welt der Täuschung verharrt, wenn jener Gedanke in ihm bleibt, und dann finden seine
Machenschaften keinen Zugang mehr bei ihm.
Das sagen wir jedoch nicht in Hinsicht auf die erste Regung des Gedankens, die in uns die
Erinnerung an den Tod weckt, sondern in bezug auf seine volle Ausprägung, wenn das
Todesgedenken im Menschen unaufhebbar verankert ist und dieser in seiner Beschäftigung damit
einen Zustand ständiger Verwunderung erlangt hat. Jene erste Regung des Gedankens ist
körperlich, die volle Ausprägung aber ist geistiges Schauen und wunderbare Gnadengabe. Dieses
Schauen ist gewandet in leuchtende Einsichten, und wer es erlangt, begehrt nichts mehr von
dieser Welt und hängt nicht länger an seinem Körper.
Wahrlich, meine Geliebten, wollte Gott den Menschen dieses wahre Schauen auch nur für
kurze Zeit zuteil werden lassen, die Welt bliebe ohne Nachkommenschaft. Denn dieses Schauen
ist eine Fessel, gegen welche die Natur nicht aufkommt, und für denjenigen, der in seiner Seele
diese Betrachtung empfangen hat, ist sie eine Gnade aus Gott, die an Kraft alle seine eigenen
Werke übertrifft. Sie wird denen gewährt, die auf der mittleren Stufe [Siehe Reden 62-65] stehen, die in
Aufrichtigkeit des Herzens die Metanie begehren. Und sie wird insbesondere denen gegeben, von
denen Gott weiß, dass es für sie angemessen ist, diese Welt wirklich zu verlassen, um das bessere
Leben zu führen, des guten Wollens wegen, das Er in ihnen gefunden hat. Denn sie nimmt zu und
verbleibt in denen, die fernab von der Welt in der Einsamkeit leben.
Um diese Gnade laßt uns bitten in unseren Gebeten, um ihretwillen laßt uns lange Nacht-
wachen halten. Unter Tränen laßt uns den Herrn anflehen, damit Er uns diese Gnade gewähre, die
ihresgleichen nicht hat, und laßt uns nicht wieder erschlaffen in der Mühsal dieser Welt.
Dies mithin ist der Anfang der Gedanken des Lebens, und ihre Vollendung bringt dem
Menschen die Fülle der Gerechtigkeit.