Ahmed Almheiri hat geschrieben:Das ist das so genannte Informationsparadoxon. Es erweist sich seit fünf Jahrzehnten als hartnäckiges Rätsel. 2019 kam dann aber langsam Licht ins Dunkel, auch durch Forschungsarbeiten, an denen ich beteiligt war. Der Lösungsansatz basiert auf einem neuen Verständnis der Raumzeit und wie sie mittels Quantenverschränkungen aufgespannt werden kann. Das führte mich zu der Vorstellung, ein Teil des Inneren eines Schwarzen Lochs könnte sich auf eine ganz bestimmte Weise nach außen kehren.
https://www.spektrum.de/magazin/wie-wurmloecher-information-aus-schwarzen-loechern-heraus-tragen/2066850
Ältere Hintergrundartikel ohne Paywall:
Es begann 1967 mit einer Arbeit des Kanadiers Werner Israel von der University of Alberta über die fundamentalen Eigenschaften Schwarzer Löcher. 2006 haben Shinsei Ryu und Tadashi Takayanagi von der University of California die Beziehungen zwischen Verschränkung und Raumzeit-Geometrien untersucht. Susskind und mich motivierte zuletzt eine seltsame Entdeckung, die Ahmed Almheiri, Donald Marolf, Joseph Polchinski und James Sully von der University of California 2012 machten. Sie kamen zu dem Schluss, am Ereignishorizont müssten nach einiger Zeit wegen Verschränkungseffekten zwischen dem Schwarzen Loch und den emittierten Teilchen gewaltige Energien freigesetzt werden. Die Interpretation in ER = EPR, das Innere des Schwarzen Lochs wäre mit einem anderen System verknüpft, löst einige problematische Aspekte dieses Gedankens.
Es ist eine anregende Überlegung, dass der Zusammenhang von noch allgemeinerer Natur sein könnte und mit jeder quantenmechanischen Verschränkung zugleich auch eine geometrische Verbindung vorliegt, selbst im einfachsten Fall zweier Teilchen. Unter solchen Umständen haben wir es dann womöglich mit einem neuen Typ von Geometrie und Quantenstrukturen zu tun, die sich mit heutigen Formeln nicht mehr beschreiben lassen. Und obwohl wir noch keine mathematischen Werkzeuge dafür haben, gibt es bereits Überlegungen, solche Gebilde könnten Ursache der Raumzeit selbst sein. Wenn wir uns eine Verschränkung als eine Art Faden vorstellen, dann weben sehr viele von ihnen vielleicht die Raumzeit. In diesem Bild bestimmen Einsteins Gleichungen die Verknüpfungen der Fäden und das großflächige Muster, während die Quantenmechanik nicht bloß so etwas wie eine Ergänzung der Relativitätstheorie liefert, sondern den eigentlichen Stoff, aus dem die Raumzeit ist.
Das sind bislang freilich Spekulationen, aber inzwischen gehen zahlreiche Physiker davon aus, dass darin ein wahrer Kern steckt.
https://www.spektrum.de/magazin/verschraenkte-schwarze-loecher/1432726
Hawking hatte bereits gezeigt, dass der Quantenzustand von Teilchen, die dem Schwarzen Loch entkommen, zufällig ist. Somit kann es keine nützlichen Informationen mit sich tragen. Allerdings, so stellten Susskind und Kollegen in den 1990er Jahren fest, könnte die Information im Quantenzustand der gesamten Strahlung kodiert sein. Dafür müssten die Teilchenzustände aber irgendwie miteinander verschränkt sein: Hierbei würde die Messung an einem der Teilchen sich augenblicklich auf seine Partner auswirken, egal wie weit diese voneinander entfernt sind. Die Wissenschaftler um Polchinski fragten sich, wie das angehen könne. Damit ein Teilchen überhaupt dem Schwarzen Loch entkommen kann, muss es mit seinem verschollenen Zwilling verschränkt sein. Liegen Susskind und seine Kollegen nun richtig, müsste es zudem auch mit aller Hawkingstrahlung verschränkt sein, die zuvor emittiert wurde. Gegen diese Annahme spricht die so genannte "Monogamie der Verschränkung", eine strikte Vorschrift der Quantenmechanik, nach der ein Quantensystem nicht vollständig mit zwei voneinander unabhängigen Systemen auf einmal verschränkt sein darf.
Um diesem Widerspruch zu entgehen, schlugen Polchinski und seine Mitarbeiter vor, eine der beiden Verbindungen einfach zu kappen. Sie entschieden sich für die Verschränkung zwischen einem davonfliegenden Hawkingteilchen und seinem verschluckten Zwilling. Schließlich wird die andere benötigt, um Informationen in der Hawkingstrahlung zu kodieren. Ihr Entschluss hatte allerdings seinen Preis. "Es ist ein gewaltsamer Prozess – in etwa so, als würde man die Bindungen eines Moleküls aufbrechen – und es wird Energie freigesetzt", erläutert Polchinski. Durch das Trennen vieler Teilchenpaare würden enorme Energiemengen erzeugt. "Der Ereignishorizont wäre buchstäblich ein Ring aus Feuer, in dem jeder verbrennt, der hindurchfällt", sagt er.
Dieses Szenario lässt sich wiederum nicht mit dem Äquivalenzprinzip vereinbaren und dessen Aussage, dass sich der freie Fall genauso anfühlt wie das Schweben im leeren Raum – unmöglich, wenn man während des freien Falls auch verkohlen kann. Also veröffentlichten die Physiker einen Artikel auf dem Dokumentenserver arXiv und stellten Physiker vor eine harte Wahl: Entweder müsse man akzeptieren, dass Feuerwände existieren und die allgemeine Relativitätstheorie versagt hat, oder aber man geht davon aus, dass die Information in Schwarzen Löchern verloren geht und die Quantenmechanik falschliegt. "Bei der Auswahl erschienen uns Feuerwände als die weniger verrückte Option", berichtet Marolf.
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Der Artikel mischte die Physikergemeinde gehörig auf. "Zu behaupten, Einsteins Äquivalenzprinzip aufzugeben sei die bessere Wahl, war einfach unverschämt", sagt Jacobson. Bousso stimmt zu und meint: "Eine Feuerwand kann nicht einfach im leeren Raum auftauchen, ebenso wenig wie eine Backsteinmauer plötzlich aus dem Nichts kommt und einem ins Gesicht schlägt. Wenn Einsteins Theorie am Ereignishorizont nicht gilt, dann müssen sich Kosmologen eher fragen, ob sie überall in vollem Umfang gilt."
Polchinski hielt es sogar für möglich, dass er und sein Team einen dummen Fehler gemacht hatten. Also wandte er sich an Susskind, einen der Väter der Holografie, um ihn zu finden. "Mein erste Antwort lautete, sie liegen falsch", erinnert sich Susskind. Er publizierte einen entsprechenden Artikel, zog diesen – nach weiterem Nachdenken – allerdings schnell wieder zurück [8]. "Meine zweite Antwort lautete, sie haben Recht, meine dritte, sie liegen doch falsch, und meine vierte, sie haben Recht", sagt er lachend. "Das brachte mir zwar den Spitznamen 'das Jo-Jo' ein, aber eigentlich ähnelt meine Reaktion ziemlich der der meisten Physiker."
Seitdem erschienen mehr als 40 Aufsätze zum Thema auf arXiv – doch bislang fand noch niemand einen Fehler in der Logik des Teams. "Es ist eine wirklich schöne Herangehensweise, wenn man beweist, dass in unserem Verständnis von Schwarzen Löchern etwas inkonsistent ist", sagt Don Page, ein Mitarbeiter von Hawking in den 1970er Jahren und inzwischen an der University of Alberta in Edmonton, Kanada.
https://www.spektrum.de/news/feuertaufe-fuers-aequivalenzprinzip/1192790