Es war eine massive Schlappe für die Corona-Politik von Bund und Ländern: Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat die 2G-Regel im Einzelhandel in Niedersachsen am 16.12.2021 für gesetzwidrig erklärt. Die Entscheidung traf der 13. Senat des Gerichts, der für Gesundheitsfragen zuständig ist. Das wird sich nun ändern.
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Fünf Tage nach der Entscheidung, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte und eine Ohrfeige für die Regierungen war, wird bekannt, dass dem Senat die Zuständigkeit entzogen wird zugunsten eines neu gegründeten Senats.
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Auf Twitter trendet aktuell das Thema „Säuberungen“.
https://reitschuster.de/post/nach-2g-ur ... der-justizOffiziell heißt es, dass es in Deutschland keine staatliche Zensur gibt, daher lagert die Bundesregierung alle Zensurmaßnahmen zum Beispiel an soziale Netzwerke aus. Das ist nun zum ersten Mal nicht mehr gelungen, denn der Ausschluss von RT-DE aus der Eutelsat-Übertragung ist der erste mir bekannte Fall, bei dem der (bundesdeutsche) Staat direkt Zensur ausübt. Früher hat sich der Staat – ob berechtigt oder nicht – etwaige Zensurmaßnahmen dadurch rechtfertigen lassen, dass er die zensierten Medien gerichtlich als grundgesetzwidrig hat einstufen lassen. Im Fall von RT-DE hat man sich diese Mühe nicht mehr gemacht.
RT-DE schreibt in einer Pressemeldung:
„Heute, am 22. Dezember 2021, hat die deutsche Regulierungsbehörde MABB (Medienanstalt Berlin-Brandenburg) den europäischen Satellitendienst Eutelsat gezwungen, die Ausstrahlung unseres neuen, in Moskau ansässigen deutschsprachigen Senders RT DE über seine Plattform Eutelsat 9B einzustellen.“
RT-DE teilt außerdem mit, dass es „alle möglichen Rechtsmittel gegen die deutsche Regulierungsbehörde anwenden“ werde, mal sehen, was das bringt. In jedem Fall wird es lange dauern, bis der Rechtsweg Ergebnisse bringt.
Wie reagiert Russland?
Das offene Vorgehen der Bundesregierung gegen RT-DE hat in Russland schon in der Vergangenheit viel Verärgerung hervorgerufen und das ist auch dieses Mal nicht anders. Im Westen scheint man die russische Geduld testen zu wollen. Das letzte Beispiel dafür hat Großbritannien geliefert, das sich jahrelang geweigert hat, russischen Journalisten Visa auszustellen. Russland hat erst nach Jahren reagiert und einer BBC-Journalistin das Visum für Russland nicht verlängert. Das Geschrei in den westlichen Medien wegen angeblicher Zensur in Russland war daraufhin groß, aber die westlichen Medien haben bei der Gelegenheit immer vergessen, ihren Lesern auch die Vorgeschichte zu erzählen.
Auch Deutschland testet die Geduld Russlands. 2019 hat die Deutsche Welle auf Russisch offen zu regierungskritischen Demonstrationen der radikalen russischen Opposition in Moskau aufgerufen. Man stelle sich einmal vor, RT-DE würde Querdenker oder Reichsbürger aufrufen, in Berlin gegen die Bundesregierung und ihre Politik zu demonstrieren. Die deutsche Regierung würde vor Wut schäumen und sich derartige Einmischungen in innere deutsche Angelegenheiten verbitten.
Russland hingegen hat damals von Maßnahmen gegen die Deutsche Welle abgesehen. Das aktuelle Vorgehen Deutschlands gegen RT-DE dürfte die Stimmung in Moskau kaum verbessert haben.
In Moskau hat der russische Außenminister Lawrow sich zu der aktuellen Situation geäußert und das russische Fernsehen zitiert ihn wie folgt:
„Nach Ansicht des russischen Ministers ist der deutsche Staat für diese Situation verantwortlich. Er erinnerte daran, dass der deutschsprachige Sender RT-DE gemäß dem Europäischen Rundfunkübereinkommen, dem Deutschland angehört, registriert wurde.
„Der Staat, auf dessen Territorium sich eine solche Willkür ereignet, ist dafür verantwortlich, diese Willkür zu verhindern“, betonte Sergej Lawrow.
Der russische Außenminister schloss auch nicht aus, dass Russland gezwungen sein wird, mit genau solchen diskriminierenden Maßnahmen gegen Medien zu reagieren.
„In dieser Situation wollen wir nicht den gleichen Weg gehen, die Presse zu erdrosseln, die Medien zu erdrosseln, wie es unsere westlichen Partner tun, aber wissen Sie, wenn es um die russische Sicherheit geht, hat jede Geduld ihre Grenzen“, erklärte der Außenminister.“
https://www.anti-spiegel.ru/2021/rt-de- ... eschlossenSehr wahrscheinlich handelt es sich bei der Bundesrepublik Deutschland praktisch um die Illusion eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates. Das ändert aber nichts daran, daß sie genauso real ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat zu sein hat, ganz egal, was sie in der Praxis tatsächlich ist. Der einzige, der durchsetzen könnte, daß die Bundesrepublik zu dem wird, was sie zu sein hätte, praktisch aber nicht ist, wäre der Souverän, das Volk also. Wahlen reichen dazu nicht aus, weil schon die Wahlen nichts anderes sind, als das Wählen aus einer Vorauswahl, die der Souverän selbst nicht getroffen hat. Die Vorauswahl erledigen Parteien. Wen die nominieren, der steht dann zur Wahl. Die Parteien sind aber nicht der Souverän. Warum irgendwann der Begriff „Volkspartei“ eingeführt wurde, ist recht einfach zu erklären: es handelt sich um die Vermischung der Begriffe „Partei“ und „Volk“, von dem die sogenannte Volkspartei profitiert resp. deren Funktionäre, nicht aber das Volk. Daß dem so ist, wird klar ersichtlich, wenn von zwei oder mehr „Volksparteien“ die Rede ist. Es gibt nur ein Volk. Wenn also „Volkspartei“, dann höchstens eine. Wenn höchstens eine, dann auch höchst überflüssig, weil das Volk selbst Partei wäre. Realiter ist es wohl so, daß die Bundesrepublik weder ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat noch eine Parteiendemokratie ist. Das ändert aber nichts daran, daß es ein Grundgesetz gibt, das für jeden gilt. Dort sind nicht nur die Bürgerrechte festgeschrieben, sondern auch die Bürgerpflichten. Meinungen dazu sind erläßlich.
Gustav Heinemann wusste das. „Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu rufen, wenn er glaubt, dass sie demokratische Rechte missachtet.” Ganz klar: Nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht. Und es ist nur logisch, daß das umso mehr gilt, wenn der Bürger nicht nur glauben kann, daß die Regierung demokratische Rechte mißachtet, sondern wenn er das ganz genau wissen muß. Im Dezember 2021 muß er. Der Bürger ist schließlich kein Vogel Strauß.
Um es volkstümlich zu sagen: Die Regierung lügt, wenn sie das Maul aufmacht. Sie hat auch gar keine andere Wahl mehr. Sie muß lügen, da bekanntlich schon eine Lüge die nächste erzwingt, um hinauszuzögern, als Lügner identifiziert zu werden. Und ebenfalls erzwingt das fortgesetzte Lügen, daß jede neue Lüge immer noch einen Zacken grotesker ausfallen muß als die vorherige. Ab einem gewissen Punkt ist es dann so weit, daß eine ganze Nation in einem einzigen Lügengebäude haust. Wenn der Souverän wegen der unrühmlichen Rolle, die er selbst dabei spielt, das nicht wahrhaben will, dann läßt er sich eben von einer Lügenbande regieren und fängt an, die Lügen dieser Bande zu entschuldigen. Das dient dem Erhalt seiner Eigenwahrnehmung. Er versucht, seine erbärmliche Situation zu rationalisieren – und dann wird es endgültig gar völlig bizarr.
https://ansage.org/bundespraesident-wid ... rd-pflichtSeit sich die Arbeiterbewegung in den 1850er Jahren formierte, war man bei der Sozialdemokratie stets der festen Überzeugung, man selbst sei Ausdruck des Fortschritts – symbolisiert durch rote Fahnen, die von der Morgenröte jener Zukunft künden, in die man frohen Mutes marschiert.
Dieser reichlich naive Fortschrittsbegriff ist eine Erfindung der Aufklärung. Wie kein anderer hat diesen etwas blauäugigen Fortschrittsglauben der Philosoph und Mathematiker Marquis de Condorcet auf den Punkt gebracht, als er jubelte: „Die Fortschritte in den Wissenschaften sichern die Fortschritte in der Technik des Unterrichts, die wiederum die Wissenschaften beschleunigen; und dieser wechselseitige Einfluss (...) muss zu den nachhaltigsten und mächtigsten Ursachen der Vervollkommnung des Menschengeschlechts gerechnet werden“. Condorcet schrieb diese Zeilen übrigens 1793, im Versteck vor den Schergen Robespierres und wenige Monate vor seiner Verhaftung, die ihm den Tod brachte – soviel zur Vervollkommnung des Menschengeschlechts.
Der gedankliche Fehler des sich aufgeklärt wähnenden Denkens ist es, das Konzept des Fortschritts von technischen Verbesserungen auf die Geschichte oder gar die Moral zu übertragen.
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Die Scholz’sche Beschwörung des Fortschritts ist daher ebenso wie der Titel des Koalitionsvertrages („Mehr Fortschritt wagen“) nicht nur eine sentimentale Reminiszenz an Willy Brandts berühmt gewordene Regierungserklärung vom Oktober 1969. Sie ist im Kern der Versuch, die Ziele der Regierung als Ausdruck geschichtlicher Gesetze auszugeben. Sie sind nicht einfach ideologiebedingte Ideen, sondern objektive, im Grunde unvermeidbare Konzepte zur Verbesserung der Welt. Wer sich ihnen entgegenstellt, befindet sich in einem grundlegenden historischen Irrtum hinsichtlich der Ziele des Menschseins auf Erden.
Doch Fortschritt kann es allenfalls in den Wissenschaften geben oder in der Technik. Wer gesellschaftlichen Fortschritt für sich reklamiert, ist intellektuell unredlich und nimmt für sich und seine Ideen Alternativlosigkeit in Anspruch. Gleichzeitig delegitimiert er den politischen Gegner moralisch und intellektuell. Das ist als Versuch natürlich statthaft. Er sollte allerdings nicht unwidersprochen bleiben: die Vorhaben dieser Regierung sind Ziele, die aufgrund ideologischer Vorgaben getroffen wurden, nicht aber Ausdruck des Weltgeistes.
https://www.cicero.de/innenpolitik/fort ... -koalition