Das kirchenslawische Wort „Prelest“ (прелесть, wörtl.: „All-Schmeichel“, „All-Lüge“), auch heute noch in Bezug auf spirituelles Leben viel verwendet, bedeutet „Irrtum, Täuschung, Verleitung, Blendwerk, Lüge, Betrug“ und ist ein Begriff, zu dem es in den europäischen Sprachen kein Äquivalent gibt. Es wird als „spirituelle Täuschung“ („spiritual delusion“), „spiritueller Irrtum“ („spiritual deception“) oder „Illusion“, „Selbstverblendung“, „religiöse Selbstüberschätzung“ übersetzt, also die irrige Annahme einer Illusion als Wirklichkeit im Gegensatz zu spiritueller Nüchternheit. Außerhalb des spirituellen Kontexts wird dieses Wort auf Russisch häufig im Sinne von „Charme“, „Attraktivität“ verwendet.
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Prelest ist die Beschädigung der menschlichen Natur durch die Lüge. Prelest ist der Zustand aller Menschen ohne Ausnahme, welcher durch den Sündenfall unserer Ahnen bewirkt wurde. Wir befinden uns alle im Zustand der Prelest (vgl. den Anfang der 3. Homilie des Ehrwürdigen Simeon dem Neuen Theologen, veröffentlicht 1852 im Optina-Pustyn-Kloster). Das Wissen darum ist der beste Schutz gegen weitere Prelest. Die größte Prelest ist, sich von Prelest frei zu dünken. Wir sind alle betrogen, alle verleitet, befinden uns alle im falschen Zustand und benötigen die Befreiung durch die Wahrheit. Diese Wahrheit ist unser Herr Jesus Christus (Joh. 8,32; 14,6). Mögen wir uns diese Wahrheit durch den Glauben zu eigen machen; flehen wir zu dieser Wahrheit im Gebet, und sie wird uns aus der Untiefe der Selbsttäuschung und Verführung durch die Dämonen herausziehen. Bitterlich ist unser Zustand! Er ist ein Gefängnis, aus dem wir unsere Seele herauszuführen flehen, damit wir den Namen des Herrn preisen (Ps. 142,8). Er ist jene finstere Erde, in die unser Leben durch den Feind niedergeworfen wurde, der uns beneidet und verfolgt hat (Ps. 143,8). Er ist die Gesinnung des Fleisches (Röm. 8,6) und die fälschlich so genannte Kenntnis (1 Tim. 6,20), mit der die ganze Welt verseucht ist, die die eigene Krankheit nicht anerkennt und sie als blühende Gesundheit ansieht. Er ist Fleisch und Blut, die das Reich Gottes nicht ererben können (1 Kor. 15,50). Er ist der ewige Tod, welchen der Herr Jesus Christus heilt und vernichtet, der die Auferstehung und das Leben ist (Joh. 11,25). Solcherart ist unser Zustand. Die Erkenntnis dessen ist ein neuer Anlass zu Tränen. Mögen wir in Tränen zu dem Herrn Jesus flehen, damit ER uns aus dem Gefängnis herausführt, aus den irdischen Ungrunden herauszieht, aus dem Maul des Todes herausreißt. „Unser Herr Jesus Christus“, sagt der Ehrwürdige Simeon der Neue Theologe, „ist eben darum zu uns herniedergestiegen, weil er uns aus dem Gefängnis und der bösesten Prelest herausnehmen wollte“ (Anfang der 3. Homilie).
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Mir geschah einmal folgender bemerkenswerter Fall. Ich wurde von einem Schema-Mönch aus Athos besucht, der in Russland Spenden sammelte. Wir setzten uns in meine vordere Zelle, und er begann zu erzählen: „Bete für mich, Vater, da ich viel schlafe und viel esse.“ Während er mir das sagte, verspürte ich die Hitze, die von ihm ausging; daher antwortete ich ihm: „Weder schläfst du noch isst du viel, aber gibt es in dir nicht etwas Besonderes?“. Und ich bat ihn, in meine innere Zelle hineinzukommen. Während ich vor ihm herging und die Tür zur inneren Zelle öffnete, bat ich Gott in Gedanken darum, ER möge meiner dürstenden Seele ermöglichen, von diesem Priester und Schemamönch aus Athos geistlichen Gewinn zu erhalten, falls er ein wahrer Knecht Gottes sei. Genau: ich bemerkte an ihm etwas Besonderes. In der inneren Zelle setzten wir uns zum Gespräch, und ich begann ihn zu bitten: „Gewähre mir eine Gnade: lehre mich beten. Du lebst in dem monastischen Ort, der auf Erden der Erste ist, mitten unter Tausenden von Mönchen: an einem Ort, wo so viele Mönche sich versammelt haben, müssen sich sicherlich die größten Beter befinden, die das geheime innere Tun des Gebets kennen und es ihren Nächsten beibringen, nach dem Vorbild von Gregor dem Sinait, Gregor Palamas und viele andere Athos-Leuchten“. Der Priester-Schemamönch stimmte sofort zu, mein Lehrer zu werden - was für ein Schreck! Höchst erhitzt begann er, mir die oben genannte Methode des exaltierten, verträumten Gebets zu vermitteln. Ich sah, dass er sich in grässlicher Erhitzung befand, dass bei ihm sowohl das Blut als auch das Einbildungsvermögen erhitzt waren, und dass er sich also in Selbstgefälligkeit, in Selbstentzückung, in Selbstverführung, in Prelest befand! Nachdem ich ihn hatte aussprechen lassen, begann ich nach und nach, in der Art eines gelehrigen Schülers, ihm die Lehre der heiligen Väter über das Gebet vorzustellen, wobei ich sie in der Philokalie aufzeigte und ihn bat, mir diese Lehre zu erklären. Der Athonit wurde ganz konfus. Ich sah, dass ihm die Lehre der Väter über das Gebet recht wenig vertraut war. Unser Gespräch ging weiter, und ich sagte ihm: „Siehe zu, Starez, dass du, während du in St. Petersburg wohnst, keinesfalls eine Wohnung im oberen Geschoss nimmst; nimm unbedingt eine Wohnung im Untergeschoss.“ „Warum?“, fragte der Athonit. „Damit die Engel“, - antwortete ich, „falls sie auf die Idee kommen sollten, dich zu entrücken und von St. Petersburg nach Athos zu bringen, und sie dich aus dem Obergeschoß tragen und doch fallen lassen, du zu Tode stürzen würdest; wenn sich dich aber aus dem Untergeschoss tragen und fallen lassen, wird es dir nur ein wenig weh tun.“ „Stell dir vor“, sagte der Athonit, „ schon mehrmals kam mir, während ich betete, der lebhafte Gedanke, dass Engel mich entrückten und nach Athos brächten!“ Es stellte sich heraus, dass der Priester-Schemamönch Fesseln trug, fast gar nicht schlief, sehr wenig Essen zu sich nahm und im Körper derartige Hitze verspürte, dass er im Winter keine warme Kleidung brauchte. Zum Ende des Gesprächs kam mir der Gedanke, den Athoniten zu bitten, als Faster und geistlicher Vorkämpfer an sich die Methode auszuprobieren, die von den heiligen Vätern überliefert ist und darin besteht, dass sich der Verstand während des Gebets jeglicher Schwärmerei enthalte und sich ganz in die Worte des Gebets versenke; dass er sich, nach dem Ausspruch des Heiligen Johannes Klimakos, in die Worte des Gebets einschließt und einnistet (Klimax. Wort 28, Kap. 17). Dabei steht das Herz normalerweise dem Verstand durch das heilsame Gefühl der Trauer über die eigenen Sünden bei, so wie der Heilige Mönch Markus der Asket gesagt hatte: „Der Verstand, der unabgelenkt betet, engt das Herzen ein: und ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wird Gott nicht verachten (Ps. 51,19; Kapitel, über jene, die meinen, aus Werken gerechtfertigt zu werden, Kapitel 34, Philokalie, Band 1). „Nachdem du es bei dir erprobt hast“, sagte ich dem Athoniten, „gebe auch mir über die Frucht deiner Erfahrung Bescheid; für mich selbst ist eine solche Erfahrung nicht bequem, da ich ein zerstreutes Leben führe.“ Der Athonit ließ sich auf meinen Vorschlag gerne ein. Nach einigen Tagen kam er zu mir und sagte: „Was hast du mit mir gemacht?“ – „Was denn?“ – „Tja, als ich probierte, mit Aufmerksamkeit zu beten und dabei den Verstand in die Worte des Gebets einzuschließen, sind all meine Visionen verschwunden, und ich kann nicht mehr zu ihnen zurückkehren“. Ferner sah ich im Gespräch mit dem Athoniten keine Anmaßung und Hochmut mehr, die bei unserem ersten Treffen noch so sichtbar gewesen waren und üblicherweise in Leuten sichtbar sind, die sich in verführerischer Selbsttäuschung befinden und sich für heilig oder spirituell fortgeschritten halten. Der Athonit äußerte sogar den Wunsch, sich meinen armseligen Ratschlag anzuhören. Als ich ihm riet, sich in seinem äußeren Lebensstil von den anderen Mönchen nicht zu unterscheiden, da solches Unterscheiden zu Hochmut führe (Klimax. Wort 4, Kap. 82, 83. hl. Mönch Barsonuphios der Große. Antwort 275. Die Vita und die Belehrungen des hl. Mönches Apollos. Alphabetisches Paterikon), legte er seine Fesseln ab und gab sie mir. Einen Monat später war er wieder bei mir und sagte, dass er keine Hitze mehr im Körper habe, warme Kleidung benötige und viel mehr schlafe. Dabei sagte er, dass auf dem Berg Athos viele, auch von denen, die den Heiligkeitsruhm haben, die Gebetsmethode praktizieren, die auch er praktiziert habe, und sie auch den Anderen beibringen. Dies ist auch nicht erstaunlich! Der Heilige Simeon der Neue Theologe hatte acht Jahrhunderte vor unserer Zeit gesagt, dass nur sehr Wenige das aufmerksame Gebet üben (Über die dritte Form des Gebets. Philokalie, Teil 1). Als der hl. Mönch Gregor der Sinait, der im 14. Jahrhundert nach Geburt Christi lebte, auf dem Berg Athos ankam, fand er, dass viele Mönche keine Ahnung über das innere Gebet hatten und nur die körperliche Askese übten, wobei die Gebete mündlich und laut verlesen wurden (s. die Vita des hl. Gregor dem Sinaiten. Philokalie, Teil 1). Der hl. Mönch Nilus von Sora, der Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts lebte und auch den Berg Athos besuchte, sagte, dass in seiner Zeit die Anzahl aufmerksamer Beter sich extrem verringert habe (Vorwort der Überlieferung des Skitenstatuts). Der Starez Archimandrit Paisij (Welitschkowski) zog 1747 von Moldawien auf den Berg Athos. Er machte sich rasch mit allen Klöstern und Skiten bekannt und sprach mit vielen Starzen, die nach einhelliger Meinung des Heiligen Berges als die erfahrensten und heiligsten Mönche galten. Als er aber anfing, diese Mönche nach den Büchern der Heiligen Väter, die über das innere Gebet geschrieben hatten, zu fragen, stellte sich heraus, dass sie nicht nur von der Existenz dieser Schriften nichts wussten, sondern nicht einmal die Namen der heiligen Schriftsteller kannten; damals gab es die Philokalie nicht auf Griechischen Sprache gedruckt (Ein Abschnitt aus einem Brief des Starzen Paisij an den Starzen Theodosius. Die Schriftwerke Paisijs. Ausgabe des Optina-Pustyn-Klosters).
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