Bei den "spanischen Mystikern" ging es dort vermutlich um Juan de la Cruz (Johannes vom Kreuz), Theresa von Avila und deren Umfeld. Sri Chinmoy macht also die Aussage, daß manche dieser Mystiker "verwirklicht" gewesen seien. Bei der Betrachtung zum "Karmelberg" hatte ich in früheren Beiträgen hier im Forum ja zitiert, wie es ihm auch nach eigenem Verständnis wohl darum ging, nicht nur vereinzelte mystische Erfahrungen zu machen und denen in der Erinnerung nachzuhängen, sondern das Vorübergegangene nicht festzuhalten und sich dem Lebendigen zuzuwenden, etwas das nach meinem Verständnis von dem, was er vermutlich meinte eben nicht vorübergehend wäre und geistig lebendig bleibend. Das identifiziert Sri Chinmoy also als "Verwirklichung" und führt aus, ein Yogi habe ständig Gotteserfahrungen (Jeder, der sich so nennt? Wohl kaum, auch davon abgesehen von der Frage welche Erfahrung wie weit wirklich fester mit Gott im christlichen Sinn zu tun haben würde?), wobei die Frage wäre, ob er z.B. Johannes vom Kreuz in seinen Absichten richtig verstanden hatte oder da eher die bei Hinduisten verbreitete "kulturelle Aneignung" betrieb, eigene Ansichten in fremde begriffliche Konzepte zu gießen, die eigentlich was anderes aussagen.
Aber es wirkt auf mich schon interessant, daß er diese Aussage so machte. Was versteht er also nach seinen Ansätzen genauer unter "Verwirklichung"?
Sri Chinmoy hat geschrieben:Im Augenblick haben wir das Gefühl, unsere Nase oder unsere Augen stünden uns am nächsten. Doch wenn wir Gott verwirklichen, werden wir erkennen, dass Er uns näher steht als unsere Augen oder die eigene Nase - nur fehlt uns derzeit noch die nötige innere Schau, um Ihn sehen zu können.
Es ist also nur das Menschliche in uns, das Gott verwirklichen muss, nicht aber die Seele [psychic being]. Die Aufgabe der Seele ist es, Gott auf der ganzen Welt zu manifestieren, denn dafür ist sie in diese Welt gekommen.
[...]
Im Augenblick musst du nur in Erinnerung behalten, dass du ein göttliches Instrument bist. Du betest zu Gott, dir Licht zu schenken, damit du der Unwissenheit entrinnen kannst. Du magst zwar sagen, dass du die Seele bist, aber wenn dich jemand anschreit, wird deine "Seelenverwirklichung" schnell wieder dahin sein! Es genügt also nicht, vom Verstand her zu sagen: "Ich bin die Seele, ich bin die Seele." Nur wenn du wirklich bedeutsame Erfahrungen der inneren Höhen machst und es dir auch gelingt, diese im Alltag umzusetzen, kannst du fühlen, dass du wirklich die Seele bist. Steckst du hingegen tief in der Unwissenheit, nützt es dir nichts zu sagen: "Ich bin Brahman. Ich verkörpere die höchste Höhe", nur weil du in einem Buch gelesen hast, dass alles Brahman ist.
http://www.weisheitsrichinmoys.com/themen/seeleIm Augenblick mühen wir uns mit unserem Verstand. Der Verstand sagt: „Ich muss etwas erreichen. Ich muss nachdenken, wie ich meinen Plan ausführen kann.“ Aber Gott tut das nicht. Gott sieht die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft auf einem Blick. Wenn wir eins mit Gott sind, wenn wir uns durch beständiges inneres Streben mit Gottes Bewusstsein identifizieren, dann wird, was immer wir tun, spontan getan werden. Dann werden wir nicht den Verstand benutzen, sondern stets aus unserem eigenen inneren Bewusstsein heraus handeln, mit unserer intuitiven Kraft. Und wenn wir diese intuitive Kraft entwickeln, können wir leicht handeln, ohne einen Plan zu haben. In jedem Augenblick wird sich die Möglichkeit der vollständigen Manifestation, die sich vollziehen soll, unmittelbar vor uns verwirklichen.
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Mit Hilfe des Verstandes haben sich die Wissenschaft und die physische Welt in gewaltigem Ausmaß weiterentwickelt. Da der Verstand unsere höchste Errungenschaft ist, neigen wir dazu, uns Gott als ein Wesen mit dem höchstentwickelten Verstand zu denken. Aber Gott ist kein mentales Wesen. Gott handelt nicht aus dem Verstand heraus. Er braucht keine mentale Formulierung, wie wir sie gebrauchen, um zu handeln. Gott braucht keine Ideen mit einem Verstand zu formulieren.
Ein Mensch denkt gewöhnlich, bevor er handelt. Aber bei Gott ist es anders. Gott gebraucht Seine Willenskraft, die, während sie sieht, zugleich handelt und wird. Gottes Sehen, Handeln und Werden sind unmittelbar und gleichzeitig.
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Die weite Ausdehnung des Verstandes kann der Strebende einige Minuten lang erfahren, wenn er in einer sehr hohen, tiefen Meditation ist. Nur die verwirklichte Seele kann in diese weite Ausdehnung des Verstandes eintreten und dort unbegrenzt verweilen. Aber eigentlich machen wir einen Fehler, wenn wir von einer „Ausdehnung des Verstandes“ sprechen. In dem Zustand, auf den ich mich beziehe, gibt es keinen Verstand, dort wurde der Verstand transzendiert.
Wir haben das Gefühl, was wir erfahren sei die Ausdehnung des Verstandes. Aber tatsächlich ist es die Überschreitung des Verstandes. Im Verstand gibt es Form, gibt es Grenzen. Doch wenn wir von der weiten Ausdehnung sprechen, ist es etwas jenseits der Domäne des Verstandes. Es ist eine weite Ausdehnung von Licht, Bewusstsein, Frieden und Glückseligkeit.
http://www.weisheitsrichinmoys.com/themen/verstandDie Erfahrung des Nirwana ist allen Gottverwirklichten Seelen zugänglich. Aber andauerndes Nirwana ist für jene, die mit dem statischen Aspekt des höchsten Brahman zufrieden sein wollen. Wenn man sowohl den statischen als auch den dynamischen Aspekt des Supreme verkörpern will, dann sollte man über das Nirwana hinausgehen und in den Bereich der Manifestation eintreten.
http://www.weisheitsrichinmoys.com/themen/nirvanaDas menschliche Ego plagt uns ohne Unterlass. Doch wenn wir das göttliche Ego haben, das uns fühlen lässt: „Ich bin Gottes Sohn, ich bin Gottes Tochter“, dann werden wir unser Dasein nicht vom Rest der Schöpfung Gottes trennen. Gott ist allwissend, allmächtig und allgegenwärtig. Wenn Er alles ist, wenn Er überall ist, und ich Sein Sohn bin, wie kann ich dann auf einen bestimmten Ort begrenzt sein? Dieses göttliche Ego oder dieser göttliche Stolz sind absolut notwendig. „Ich kann mich nicht den Vergnügungen der Unwissenheit überlassen. Ich bin Gottes Kind. Es ist mein Geburtsrecht, Ihn zu verwirklichen, Ihn in mir und in jedem Menschen zu entdecken. Er ist mein Vater. Wenn Er so göttlich sein kann, warum soll ich es nicht können? Ich kam von Ihm, vom Absoluten, vom Supreme, deshalb sollte auch ich göttlich sein.“ Dieser göttliche Stolz muss zum Vorschein kommen. Das gewöhnliche Ego, das uns ständig bindet, muss verwandelt werden. Das göttliche Ego, der göttliche Stolz, der das Universum sein eigen nennt, sollte unsere einzige Wahl sein.
Das Ego befasst sich nur mit der Person und ihren Besitztümern. Wenn wir uns mit dem universellen Bewusstsein befassen, werden wir zum ganzen Universum. In diesem Bewusstsein handeln wir nicht wie ein winziges Einzelwesen, das nur sich selbst sein eigen nennt und fühlt: „Das ist mein Eigentum. Das ist meine Fähigkeit. Das ist meine Errungenschaft.“ Nein, dann werden wir sagen: „Alle Errungenschaften sind mein. Es gibt nichts, das ich nicht mein eigen nennen kann.“
http://www.weisheitsrichinmoys.com/themen/egoVorwort: Hier erläutert Sri Chinmoy den indischen Begriff des Avatars – einer vollkommen verwirklichten Seele – und ihrer Bedeutung für die Erde.
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Sri Chinmoy: Die großen Seelen, die befreiten Seelen, die verwirklichten Seelen, die Retter der Erde kommen in diese Welt, um die Welt zu transformieren, doch es ist praktisch vergeblich. Sie kommen, können aber kaum etwas erreichen.
http://www.weisheitsrichinmoys.com/themen/avatarIch habe Gott in einer vergangenen Inkarnation verwirklicht. Doch ich musste in diesem Leben viele Jahre hart arbeiten, um das Buch der Verwirklichung wieder aufzufrischen, vor allem während der ersten drei oder vier Jahre. Ich brauchte zwanzig Jahre, um den Inhalt dieses Buches vollständig aufzufrischen. Es dauert immer lange Zeit. In seiner vorherigen Inkarnation war Ramakrishna eine befreite Seele, doch es dauerte sehr lange, bis er in dieser Inkarnation Mutter Kali verwirklichte. Er verwirklichte Kali nicht plötzlich. Sobald er Gott jedoch verwirklicht hatte, war es für ihn sehr leicht, Gott in zwei weiteren Formen – der moslemischen und der christlichen – zu verwirklichen. Wenn es jedoch darum geht, jemanden für die Manifestation auf Erden zu erhalten, so ist das wirklich schwierig. Jemanden wie Vivekananda zu bekommen ist äußerst schwierig. Wer hätte Ramakrishna manifestiert, wenn Vivekananda nicht in den Westen gekommen wäre? Niemand. Verwirklichung selbst ist sehr schwierig, aber Ramakrishna erreichte sie. Er war der Körper, doch zur Manifestation brauchen wir auch Arme und Beine. Es ist wie bei einem Baum: ein Stamm alleine genügt nicht, es gehören auch Zweige dazu. Wenn keine Zweige vorhanden sind, wird niemand einen Stamm einen "Baum" nennen.
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Habe ich denn befreite Seelen unter meinen Schülern? Ich möchte, dass meine Schüler meditieren und dann in diesem Bewusstsein arbeiten. Inneres Streben und Manifestation – diese beiden Dinge gehen Hand in Hand. Während man manifestiert, strebt man. Manifestation ist auch eine Form des Strebens und kann von innerem Streben nicht getrennt werden. Indem man etwas manifestiert, strebt man nach mehr Wissen, mehr Licht, mehr Weisheit.
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Jesus wäre der erste gewesen, seinen Jüngern Verwirklichung zu schenken, doch welcher von ihnen war bereit, sie zu empfangen? Der eine verriet ihn, der andere verleugnete ihn, ein dritter zweifelte an ihm. Seine Schüler taten ihm alles mögliche an. Einige von ihnen erhielten keine Gelegenheit dazu, sonst hätten auch sie Ungöttliches getan. Dies ist das Schicksal aller spirituellen Meister.
http://www.weisheitsrichinmoys.com/themen/avatar?page=1Ein Avatar bedeutet, ein direkter Vertreter Gottes zu sein – Gott in menschlicher Form. Ob Christus ein Avatar war, hängt vom Glauben jedes Einzelnen ab. Ich kann aufgrund meiner eigenen Verwirklichung etwas sagen und aufgrund eurer Verwirklichung könnt ihr etwas anderes sagen. Aufgrund meiner eigenen Verwirklichung möchte ich sagen, dass er immer ein Avatar war, immer ein Avatar ist und immer ein Avatar sein wird. Das ist meine persönliche Meinung und wenn andere es bestreiten wollen, haben sie die Freiheit, es zu tun. Ein Avatar ist jemand, der das höchste Absolute direkt repräsentiert, der Gottes Vision und Wirklichkeit zugleich verkörpert. Christus verkörperte die Vision und manifestierte die Wirklichkeit zugleich. Er verkörperte sie nicht nur, er verkörpert sie immer noch und er wird Gottes Vision und Wirklichkeit zusammen mit Krishna, Ramakrishna und anderen ewig verkörpern. All diese Meister kamen von derselben Wurzel, nur ihre Namen waren verschieden. Diesen Augenblick sagen wir Krishna, weil wir die Form Krishnas gern haben. Im nächsten Augenblick ist uns vielleicht Buddhas Form lieber und wir nennen ihn Buddha. Wieder einen Augenblick später nennen wir ihn vielleicht Christus. Doch sie sind ewig eins: Christus, Buddha, Krishna, Ramakrishna und die anderen Avatare.
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In Indien sind viele Menschen verrückt geworden, weil sie ständig an die Verwirklichung Buddhas, Krishnas oder Ramakrishnas dachten, statt an ihren eigenen Weg: Meditation. Sie gelangten dadurch zu der Überzeugung, dass sie selbst das Bewusstsein Krishnas oder Buddhas hätten und verloren ihren Verstand. In Bangladesch gab es viele Menschen, die physisch stark waren, die vitale oder mentale Stärke besaßen und deshalb ständig an Vivekananda dachten, bis sie das Gefühl erhielten, dass sie selbst ein Vivekananda seien. Doch sobald sie geprüft wurden, sobald sie der Welt gegenüberstanden, erkannten sie, dass sie nur unbedeutende Geschöpfe waren.
http://www.weisheitsrichinmoys.com/themen/avatar?page=2Ein Yogi ist eine völlig verwirklichte Seele. Höher als eine verwirklichte Seele ist ein Teilavatar, ein Angsha Avatar. Höher als ein Teilavatar ist ein voller Avatar, ein Purna Avatar. Ein Yogi kann sich mit einer gewissen Anzahl von Menschen, mit einem Teil der Menschheit befassen, ein Avatar mit der ganzen Welt. Ein Yogi handelt im Stillen; ein Avatar handelt dynamisch und spricht mit innerer Sicherheit. Ein Yogi ist eine Pflanze; ein Avatar ist ein riesiger, hoher Baum.
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