Obwohl die Patientenverfügung im offiziellen Register hinterlegt und elektronisch abrufbar ist, erhielt Pindo Mulla bei einer Notoperation in einem spanischen Krankenhaus eine Bluttransfusion. Die Ärzte hatten zuvor den zuständigen Richter verständigt – und der hatte "alle lebensrettenden Maßnahmen" genehmigt.
Dies verletzte Pindo Mullas Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Urt. v. 17.09.2024, Beschwerde-Nr. 15541/20). Konkret sah der EGMR das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK verletzt, das im Lichte der Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK auszulegen sei. In der Folge muss Spanien insgesamt 26.000 Euro Schadensersatz an Pindo Mulla zahlen, 12.000 Euro für immaterielle Schäden sowie 14.000 Euro für die Kosten und Auslagen.
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"Ich fühle mich verletzt, gebrochen, tieftraurig und deprimiert", zitiert ihr Anwalt sie bei der mündlichen Verhandlung vor dem EGMR im Januar. Sie habe ihren Willen in verschiedenen offiziellen Dokumenten eindeutig zum Ausdruck gebracht, so Pindo Mulla. Die nationalen Behörden hätten dies aber ignoriert.
In Spanien durchlief sie erfolglos alle Instanzen bis zum Verfassungsgericht. 2020 reichte sie Individualbeschwerde beim EGMR ein, 2023 gab die zuständige Kammer den Fall an die Große Kammer des EGMR ab. Dort bekam Pindo Mulla jetzt Recht. Der EGMR stellte dabei formal vor allem auf das Recht auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK ab. Die Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK sei bei dessen Auslegung aber zu berücksichtigen. Pindo Mulla hatte sich in ihrer Beschwerde auf beide Menschenrechte gestützt.
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/egmr-1554120-spanien-bluttransfusion-zeugin-jehovas-recht-auf-selbstbestimmung